Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.reisten entspringt. Aber eine so schöne, angenehme Fahrt wie damals vor Sie hieß das "Nickelprinzeßchcn" unter uns Herren, weil sie die Stief¬ Herr Schulze, den man in Mexiko nur noch den "Nickelschulze" oder auch Das Schmollen des alten Onkels, der auf seinem Southamptoustuhl aus¬ reisten entspringt. Aber eine so schöne, angenehme Fahrt wie damals vor Sie hieß das „Nickelprinzeßchcn" unter uns Herren, weil sie die Stief¬ Herr Schulze, den man in Mexiko nur noch den „Nickelschulze" oder auch Das Schmollen des alten Onkels, der auf seinem Southamptoustuhl aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215180"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_289" prev="#ID_288"> reisten entspringt. Aber eine so schöne, angenehme Fahrt wie damals vor<lb/> vier Jahren, als jene Gesellschaft ans der Hauptstadt Mexiko mit uns fuhr,<lb/> hatten wir doch nie wieder gehabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_290"> Sie hieß das „Nickelprinzeßchcn" unter uns Herren, weil sie die Stief¬<lb/> tochter des bekannten Nickelfürsten, eines reichen Geschäftsmannes war, der mit<lb/> dem Präsidenten Gonzales die berüchtigte Nickclrevolution in Szene gesetzt und<lb/> sich dadurch zum Millionär gemacht hatte. Die plötzliche Einführung der<lb/> Nickelwährung sollte Mexiko ans den englischen Finanzverlegenheiten befreien.<lb/> Der kleine Mann büßte von seinen Pfennigen, die er dort täglich fürs Leben<lb/> braucht, an jedem Tage mehrere ein, und es kam zu einer Empörung, wobei<lb/> die Läden geschlossen und unter das Volk gefeuert werden mußte. Präsident<lb/> Gonzales verlor zwar dabei etwas von seiner Popularität, entschädigte sich<lb/> aber dafür durch desto offnere Plünderungen, und wer am besten dabei fuhr,<lb/> das war der Pfiffige Hamburger Geschäftsmann, der diese Spekulation ersonnen<lb/> und die Geldtransaktivn mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit eingeleitet und<lb/> ausgeführt hatte. Deun er konnte sich bald nach diesem Handel als Ehren¬<lb/> mann mit vollen Taschen zurückziehen und ließ sich in seiner Vaterstadt Ham¬<lb/> burg zum Senator ernennen. Sein schönster Lebensplan war somit in Er¬<lb/> füllung gegangen: solider Reichtum und ein Titel — über jeden Zweifel<lb/> erhaben!</p><lb/> <p xml:id="ID_291"> Herr Schulze, den man in Mexiko nur noch den „Nickelschulze" oder auch<lb/> .den „Nickelfürsten" nannte, hatte in der Hauptstadt eine reiche mexikanische<lb/> Witwe geheiratet. Als er nach Hamburg ging, nahm er seine Frau mit; ihre<lb/> heranwachsende Tochter aber ließ er mit ihrem Onkel, dem Bruder seiner Frau,<lb/> erst später nachkommen, als seine unter ewigem Heimweh kränkelnde Frau die<lb/> Ihrigen um sich haben wollte, obwohl zwischen Senator Schulze und seiner<lb/> heranwachsenden Stieftochter gerade nicht das beste Einvernehmen bestanden<lb/> hatte. Sie konnte es ihrem Stiefvater nie vergeben, daß durch seine rück¬<lb/> sichtslose Spekulation ihr guter Onkel, der früher wohlhabend gewesen, nun<lb/> verarmt und nahezu ruinirt war. Wegen dieses Zwiespalts hatte sich Mar-<lb/> celita nicht entschließen können, als Don Gustavo Schulze mit ihrer Mutter<lb/> nach Hamburg fuhr, sie zu begleiten. Sie hatte es vorgezogen, ihren schmol¬<lb/> lenden Onkel zu pflegen. Als nun die Frau Senator in Hamburg krank<lb/> wurde, sollte alles wieder gut gemacht werden. Onkel und Nichte wurde»<lb/> aufs dringendste aufgefordert, alles vergangne zu vergessen und nach Hamburg<lb/> zu kommen, wo ihnen in dem vornehmsten Viertel der Stadt in der villenartig<lb/> eingerichteten Wohnung des Herrn Senator ein verlockendes Heim winkte,<lb/> weit eleganter und bequemer als das, das sie in Mexiko bewohnt hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_292" next="#ID_293"> Das Schmollen des alten Onkels, der auf seinem Southamptoustuhl aus¬<lb/> gestreckt immer auf Deck saß und die unser Schiff umkreisenden Haifische be¬<lb/> obachtete, fütterte und mit seinem Revolver gelegentlich anzuschießen versuchte,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
reisten entspringt. Aber eine so schöne, angenehme Fahrt wie damals vor
vier Jahren, als jene Gesellschaft ans der Hauptstadt Mexiko mit uns fuhr,
hatten wir doch nie wieder gehabt.
Sie hieß das „Nickelprinzeßchcn" unter uns Herren, weil sie die Stief¬
tochter des bekannten Nickelfürsten, eines reichen Geschäftsmannes war, der mit
dem Präsidenten Gonzales die berüchtigte Nickclrevolution in Szene gesetzt und
sich dadurch zum Millionär gemacht hatte. Die plötzliche Einführung der
Nickelwährung sollte Mexiko ans den englischen Finanzverlegenheiten befreien.
Der kleine Mann büßte von seinen Pfennigen, die er dort täglich fürs Leben
braucht, an jedem Tage mehrere ein, und es kam zu einer Empörung, wobei
die Läden geschlossen und unter das Volk gefeuert werden mußte. Präsident
Gonzales verlor zwar dabei etwas von seiner Popularität, entschädigte sich
aber dafür durch desto offnere Plünderungen, und wer am besten dabei fuhr,
das war der Pfiffige Hamburger Geschäftsmann, der diese Spekulation ersonnen
und die Geldtransaktivn mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit eingeleitet und
ausgeführt hatte. Deun er konnte sich bald nach diesem Handel als Ehren¬
mann mit vollen Taschen zurückziehen und ließ sich in seiner Vaterstadt Ham¬
burg zum Senator ernennen. Sein schönster Lebensplan war somit in Er¬
füllung gegangen: solider Reichtum und ein Titel — über jeden Zweifel
erhaben!
Herr Schulze, den man in Mexiko nur noch den „Nickelschulze" oder auch
.den „Nickelfürsten" nannte, hatte in der Hauptstadt eine reiche mexikanische
Witwe geheiratet. Als er nach Hamburg ging, nahm er seine Frau mit; ihre
heranwachsende Tochter aber ließ er mit ihrem Onkel, dem Bruder seiner Frau,
erst später nachkommen, als seine unter ewigem Heimweh kränkelnde Frau die
Ihrigen um sich haben wollte, obwohl zwischen Senator Schulze und seiner
heranwachsenden Stieftochter gerade nicht das beste Einvernehmen bestanden
hatte. Sie konnte es ihrem Stiefvater nie vergeben, daß durch seine rück¬
sichtslose Spekulation ihr guter Onkel, der früher wohlhabend gewesen, nun
verarmt und nahezu ruinirt war. Wegen dieses Zwiespalts hatte sich Mar-
celita nicht entschließen können, als Don Gustavo Schulze mit ihrer Mutter
nach Hamburg fuhr, sie zu begleiten. Sie hatte es vorgezogen, ihren schmol¬
lenden Onkel zu pflegen. Als nun die Frau Senator in Hamburg krank
wurde, sollte alles wieder gut gemacht werden. Onkel und Nichte wurde»
aufs dringendste aufgefordert, alles vergangne zu vergessen und nach Hamburg
zu kommen, wo ihnen in dem vornehmsten Viertel der Stadt in der villenartig
eingerichteten Wohnung des Herrn Senator ein verlockendes Heim winkte,
weit eleganter und bequemer als das, das sie in Mexiko bewohnt hatten.
Das Schmollen des alten Onkels, der auf seinem Southamptoustuhl aus¬
gestreckt immer auf Deck saß und die unser Schiff umkreisenden Haifische be¬
obachtete, fütterte und mit seinem Revolver gelegentlich anzuschießen versuchte,
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