Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Land und Leute in Vstfriesland Aber die Gerechtigkeit erfordert es, zu sagen, dnß der Ostfriese nicht l'loß Auch mit Ostfriesinnen ist nicht immer gut Kirschen essen. Ich schweige Der Ostfriesc ist auch ein Mensch von tiefem Gefühl. Jener Knyphausen, Gr-n-boten III 1803 10
Land und Leute in Vstfriesland Aber die Gerechtigkeit erfordert es, zu sagen, dnß der Ostfriese nicht l'loß Auch mit Ostfriesinnen ist nicht immer gut Kirschen essen. Ich schweige Der Ostfriesc ist auch ein Mensch von tiefem Gefühl. Jener Knyphausen, Gr-n-boten III 1803 10
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Land und Leute in Vstfriesland
Aber die Gerechtigkeit erfordert es, zu sagen, dnß der Ostfriese nicht l'loß
gern einen Scherz macht, sondern auch einen vertragen kann. Doch darf der
Scherz nicht zu weit gehen. Der Ostfricse laßt sich langmütig manches ge¬
fallen und schweigt dazu, aber das hat doch seine Grenzen, dann ist es aus,
und er wird deutlich. Ja dann kann die alte, gewaltthätige friesische Art mit ihm
durchgehn, und dann ist es ratsam, ihm zehn Schritte vom Leibe zu bleiben.
Der königlich schwedische Generalfeldmarschall Dodo Freiherr zu Jnn- und
Knyphausen, ein geborner Ostfricse, in dem sich die ostfriesische Art fast typisch
dargestellt hatte, war gewiß ein geduldiger Mann, er konnte sich Wohl gelegent¬
lich selbst über seine Geduld lustig machen, und doch hat es jener schwedische
Kapitän bei der Einnahme von Demmin erfahren müssen, was es heißt, einem
Ostfriesen in die Quere kommen. Knyphausen schlug nämlich eine Latte ans
seinem Kopf entzwei. Das war nicht gerade fein von ihm. Aber der Schwede
hatte ihn geärgert. Hauptsächlich durch Knyphausens Verdienst war Demmin
eingenommen worden. Gustav Adolf aber hatte befohlen, daß die schwedischen
Wachen, die die Thore bereits besetzt hatten, vor beendigtem Abzüge der Feinde
niemand von der eignen Armee in die Stadt ließen. Bon diesem Befehl hatte
Knyphausen keine Kenntnis und wollte in die Stadt. Da trat ihm der wacht¬
habende Kapitän in den Weg. Knhphausen hielt das für einen unpassenden
Scherz, die Latte war unglücklicherweise gerade zur Hand, und so krachte sie
auf das Haupt des Schwede», nieder. Die Sache hatte ja keine weltbewegenden
Folgen, aber sie zeigt doch, daß man im Umgang mit Ostfriesen vorsichtig
sein muß.
Auch mit Ostfriesinnen ist nicht immer gut Kirschen essen. Ich schweige
von einer der Ahnfrauen Knyphauseus, einer Dame vom Hanse Manninga,
die dem Rustringer Häuptling sihet Papinga nach der Bargerbnrer Schlacht
so unsanft an den Kragen wollte; ich schweige von der sattsam bekannten
Dame aus dem Hause den Brook, Fvelle, die den Beinamen „die Böse" (die
„Quade") führt. Aber wie ist Jeverlcmd von Ostfriesland ab und an Olden¬
burg gekommen? Weil eine Dame, das regierende Fräulein Maria von
Jever, deu Scherz uicht verstehen wollte, daß ein ostfricsischer Grafensohn Wohl
die Mitgift, aber nicht die Braut heimzuführen bereit war.
Der Ostfriesc ist auch ein Mensch von tiefem Gefühl. Jener Knyphausen,
der so schnell zur Latte griff, hatte ein Herz wie Gold nud war eine Seele
von einem Mann. Er hatte so viel Mitgefühl für Armut und Not, daß ich
ihm unbedenklich die Qualifikation zum Nrmenvatcr und Waisenvorsteher be¬
scheinigt hätte — einem General des dreißigjährigen Krieges! Doch hat es
der Ostfriese mehr innerlich. Er scheut sich, seine Gefühle merken zu lassen.
Er ist „hardfüchtig" — so nennt man einen, der schwer feucht wird, dem die
Thränen nicht locker sitzen, und der, wenn sie doch kommen wollen, sich ihrer
schämt und sie zerdrückt, noch ehe sie geboren sind. Der Ostfriesc ist ein mit-
Gr-n-boten III 1803 10
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