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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Charles Aingsley als Dichter und Sozialreformer

dafür Einführung des "Werktagschristentums" mit seinen sozialen Pflichten!
Die Anwendung des sozialistischen Prinzips der Gemeinschaft, der Assoziation
auf Ackerbau, Gewerbe und Handel sei nichts andres, als die Anwendung des
wahren Christentums auf das wirtschaftliche Leben. Volkspolitik heiße Er¬
füllung der jeder Klasse obliegenden Pflichten gegen die andre. Für die be¬
sitzenden Klaffen heiße sie: sich wieder besinnen, daß jeder Eigentümer nur der
Verwalter seines Besitzes sei im Dienste Gottes und der Menschen, und daß
mit dem Besitze nicht nur Rechte, sondern vor allen Dingen anch Pflichten
verbunden seien. Für die arbeitenden Klassen liege die wahre Volkspolitik in
Einfachheit, Anspruchslosigkeit, Ehrlichkeit, in Treue gegen die Kunden, in
Treue gegen einander, in Unterordnung des eignen Ichs unter das Ganze,
in Assoziation statt in Konkurrenz. Hauptaufgabe der christlichen Sozialsten
müsse es sein, die Besitzenden und den Klerus der Staatskirche nu ihre
Pflichten zu erinnern.

Das sind die Gedanken, für die Kingsley seit dem Erscheinen seines
Dramas Ltllut'L I'raMä)- eintrat. Mit seinen Freunden Maurice und Ludlow
gründete er ein Wochenblatt, I'olitiW lor ello ?vox1s, das bald eine große
Zahl geistvoller Mitarbeiter hatte. Die Aufsätze des Blattes zeichnen sich
durch Klarheit der Darstellung und durch Schönheit der Sprache und des
Stils ans. Alle Fragen, die gegenwärtig in Deutschland die Gemüter be¬
schäftigen, sind schon damals in dieser Wochenschrift behandelt worden: das
allgemeine Stimmrecht, die Möglichkeit sozialer Reformen durch die Ge¬
setzgebung, die Bedeutung des Christentums und der Kirche für das Volk, die
Frage, ob die Geistlichkeit ihre Aufgabe wirklich erfülle, die Reformen der
Volkserziehung und Volksbildung, Arbeiterschutz und Arbeiterwohnungen,
Grundbesitz und Bodenverteilung, Großindustrie und Massenelend. Aber von
den Tories bekämpft, vom Klerus verleumdet und von den Arbeitern mit
Mißtrauen betrachtet, konnte sich die Wochenschrift nnr drei Monate halten.

Kingsley erkannte, daß man auf diese Weise den Wohlhabenden die ge¬
fährliche Lage des englischen Volkes nicht klar machen, daß man durch bloße
Leitartikel die Gutgesinnten nicht zu einem kräftigen Handeln anspornen könne.
So versuchte er denn, die sozialen Fragen den gebildeten Klassen in einem
angenehmem Gewände vorzuführen. Er wandte sich zuerst den landwirt¬
schaftlichen Reformen zu, dem trgrMimr soeigliizm, und veröffentlichte im Jahre
1848 in Z?rA8<zr'" Nag-^imo seinen ersten Roman, ^"zähe. ^ Problem, slkmoll-
ulls LMion. Übersetzt von P- Spangenberg, mit einem Vorwort von
R. Wülker. Zweite Auflage. Leipzig, Brockhaus, 1801.) 1t pas vritteu
vllll lus Ks^-i,'" blooci, sagt seine Gattin. I^o book< spor loat< so oiuoll out
"t' tun.^j Die Wirkung war schon außerordentlich, sodaß der Dichter seine



Als Buch erschien ?s!>,se erst im Jahre 1831, daher machen einige Litteraturge¬
schichten den Fehler, diesen ersten Roman Kingsleys als seinen zweiten zu bezeichnen.
Charles Aingsley als Dichter und Sozialreformer

dafür Einführung des „Werktagschristentums" mit seinen sozialen Pflichten!
Die Anwendung des sozialistischen Prinzips der Gemeinschaft, der Assoziation
auf Ackerbau, Gewerbe und Handel sei nichts andres, als die Anwendung des
wahren Christentums auf das wirtschaftliche Leben. Volkspolitik heiße Er¬
füllung der jeder Klasse obliegenden Pflichten gegen die andre. Für die be¬
sitzenden Klaffen heiße sie: sich wieder besinnen, daß jeder Eigentümer nur der
Verwalter seines Besitzes sei im Dienste Gottes und der Menschen, und daß
mit dem Besitze nicht nur Rechte, sondern vor allen Dingen anch Pflichten
verbunden seien. Für die arbeitenden Klassen liege die wahre Volkspolitik in
Einfachheit, Anspruchslosigkeit, Ehrlichkeit, in Treue gegen die Kunden, in
Treue gegen einander, in Unterordnung des eignen Ichs unter das Ganze,
in Assoziation statt in Konkurrenz. Hauptaufgabe der christlichen Sozialsten
müsse es sein, die Besitzenden und den Klerus der Staatskirche nu ihre
Pflichten zu erinnern.

Das sind die Gedanken, für die Kingsley seit dem Erscheinen seines
Dramas Ltllut'L I'raMä)- eintrat. Mit seinen Freunden Maurice und Ludlow
gründete er ein Wochenblatt, I'olitiW lor ello ?vox1s, das bald eine große
Zahl geistvoller Mitarbeiter hatte. Die Aufsätze des Blattes zeichnen sich
durch Klarheit der Darstellung und durch Schönheit der Sprache und des
Stils ans. Alle Fragen, die gegenwärtig in Deutschland die Gemüter be¬
schäftigen, sind schon damals in dieser Wochenschrift behandelt worden: das
allgemeine Stimmrecht, die Möglichkeit sozialer Reformen durch die Ge¬
setzgebung, die Bedeutung des Christentums und der Kirche für das Volk, die
Frage, ob die Geistlichkeit ihre Aufgabe wirklich erfülle, die Reformen der
Volkserziehung und Volksbildung, Arbeiterschutz und Arbeiterwohnungen,
Grundbesitz und Bodenverteilung, Großindustrie und Massenelend. Aber von
den Tories bekämpft, vom Klerus verleumdet und von den Arbeitern mit
Mißtrauen betrachtet, konnte sich die Wochenschrift nnr drei Monate halten.

Kingsley erkannte, daß man auf diese Weise den Wohlhabenden die ge¬
fährliche Lage des englischen Volkes nicht klar machen, daß man durch bloße
Leitartikel die Gutgesinnten nicht zu einem kräftigen Handeln anspornen könne.
So versuchte er denn, die sozialen Fragen den gebildeten Klassen in einem
angenehmem Gewände vorzuführen. Er wandte sich zuerst den landwirt¬
schaftlichen Reformen zu, dem trgrMimr soeigliizm, und veröffentlichte im Jahre
1848 in Z?rA8<zr'» Nag-^imo seinen ersten Roman, ^«zähe. ^ Problem, slkmoll-
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R. Wülker. Zweite Auflage. Leipzig, Brockhaus, 1801.) 1t pas vritteu
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Als Buch erschien ?s!>,se erst im Jahre 1831, daher machen einige Litteraturge¬
schichten den Fehler, diesen ersten Roman Kingsleys als seinen zweiten zu bezeichnen.
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[0363] Charles Aingsley als Dichter und Sozialreformer dafür Einführung des „Werktagschristentums" mit seinen sozialen Pflichten! Die Anwendung des sozialistischen Prinzips der Gemeinschaft, der Assoziation auf Ackerbau, Gewerbe und Handel sei nichts andres, als die Anwendung des wahren Christentums auf das wirtschaftliche Leben. Volkspolitik heiße Er¬ füllung der jeder Klasse obliegenden Pflichten gegen die andre. Für die be¬ sitzenden Klaffen heiße sie: sich wieder besinnen, daß jeder Eigentümer nur der Verwalter seines Besitzes sei im Dienste Gottes und der Menschen, und daß mit dem Besitze nicht nur Rechte, sondern vor allen Dingen anch Pflichten verbunden seien. Für die arbeitenden Klassen liege die wahre Volkspolitik in Einfachheit, Anspruchslosigkeit, Ehrlichkeit, in Treue gegen die Kunden, in Treue gegen einander, in Unterordnung des eignen Ichs unter das Ganze, in Assoziation statt in Konkurrenz. Hauptaufgabe der christlichen Sozialsten müsse es sein, die Besitzenden und den Klerus der Staatskirche nu ihre Pflichten zu erinnern. Das sind die Gedanken, für die Kingsley seit dem Erscheinen seines Dramas Ltllut'L I'raMä)- eintrat. Mit seinen Freunden Maurice und Ludlow gründete er ein Wochenblatt, I'olitiW lor ello ?vox1s, das bald eine große Zahl geistvoller Mitarbeiter hatte. Die Aufsätze des Blattes zeichnen sich durch Klarheit der Darstellung und durch Schönheit der Sprache und des Stils ans. Alle Fragen, die gegenwärtig in Deutschland die Gemüter be¬ schäftigen, sind schon damals in dieser Wochenschrift behandelt worden: das allgemeine Stimmrecht, die Möglichkeit sozialer Reformen durch die Ge¬ setzgebung, die Bedeutung des Christentums und der Kirche für das Volk, die Frage, ob die Geistlichkeit ihre Aufgabe wirklich erfülle, die Reformen der Volkserziehung und Volksbildung, Arbeiterschutz und Arbeiterwohnungen, Grundbesitz und Bodenverteilung, Großindustrie und Massenelend. Aber von den Tories bekämpft, vom Klerus verleumdet und von den Arbeitern mit Mißtrauen betrachtet, konnte sich die Wochenschrift nnr drei Monate halten. Kingsley erkannte, daß man auf diese Weise den Wohlhabenden die ge¬ fährliche Lage des englischen Volkes nicht klar machen, daß man durch bloße Leitartikel die Gutgesinnten nicht zu einem kräftigen Handeln anspornen könne. So versuchte er denn, die sozialen Fragen den gebildeten Klassen in einem angenehmem Gewände vorzuführen. Er wandte sich zuerst den landwirt¬ schaftlichen Reformen zu, dem trgrMimr soeigliizm, und veröffentlichte im Jahre 1848 in Z?rA8<zr'» Nag-^imo seinen ersten Roman, ^«zähe. ^ Problem, slkmoll- ulls LMion. Übersetzt von P- Spangenberg, mit einem Vorwort von R. Wülker. Zweite Auflage. Leipzig, Brockhaus, 1801.) 1t pas vritteu vllll lus Ks^-i,'« blooci, sagt seine Gattin. I^o book< spor loat< so oiuoll out »t' tun.^j Die Wirkung war schon außerordentlich, sodaß der Dichter seine Als Buch erschien ?s!>,se erst im Jahre 1831, daher machen einige Litteraturge¬ schichten den Fehler, diesen ersten Roman Kingsleys als seinen zweiten zu bezeichnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/363>, abgerufen am 24.11.2024.