Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Charles Kingsley als Dichter und Sozialreformer der dem Aristophanes eignen kräftigen Ausdrucksweise ihre Turnerkünste, und
In dem übrigen Hellas aber, und namentlich in Athen, kann die Stellung (Lharles Kingsley als Dichter und Sozialreformer von Lrnst Groth 2 brise sein heißt Sozialist sein, das war Kingsleys erster Grund¬ Charles Kingsley als Dichter und Sozialreformer der dem Aristophanes eignen kräftigen Ausdrucksweise ihre Turnerkünste, und
In dem übrigen Hellas aber, und namentlich in Athen, kann die Stellung (Lharles Kingsley als Dichter und Sozialreformer von Lrnst Groth 2 brise sein heißt Sozialist sein, das war Kingsleys erster Grund¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215452"/> <fw type="header" place="top"> Charles Kingsley als Dichter und Sozialreformer</fw><lb/> <p xml:id="ID_1325" prev="#ID_1324"> der dem Aristophanes eignen kräftigen Ausdrucksweise ihre Turnerkünste, und<lb/> Euripides läßt in seiner Andromache den Peleus zu Menelnos sprechen:</p><lb/> <quote> <p xml:id="ID_1326"> Du Feigster, feiger Eltern Sohn, du wärst ein Mann?</p> <p xml:id="ID_1327"> Gleichwie zu Männern, also spricht man wohl zu dir? ,</p> <p xml:id="ID_1328"> Der seine Gattin raube» lies; vom Phrygier</p> <p xml:id="ID_1329"> Und unverschlossen, unbewacht sein Haus verlieh,</p> <p xml:id="ID_1330"> Als walte drinnen im Gemach ein züchtig Weib,</p> <p xml:id="ID_1331"> Sie, die der Jraueu schlimmste war? Selbst wenn sie will,</p> <p xml:id="ID_1332"> Kann eine Frau zu Sparta nicht enthaltsam sein,</p> <p xml:id="ID_1333"> Wo Freun das Haus verlassen und mit Jünglingen —</p> <p xml:id="ID_1334"> Nachlässig offen ihr Gewand, die Hüfte nackt —</p> <p xml:id="ID_1335"> In Lauf und Riugerkünsteu, unerträglich mir,</p> <p xml:id="ID_1336"> Vereint sich üben.</p> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1337"> In dem übrigen Hellas aber, und namentlich in Athen, kann die Stellung<lb/> und Lage der Frauen von der unsrer heutigen, soweit diese uoch normal ist,<lb/> nicht wesentlich verschieden gewesen sein. Geht doch die Ähnlichkeit so weit,<lb/> daß Emanzipationsbestrebungen vorgekommen sein müssen, die darauf aus¬<lb/> gingen, in einem kommunistischen Gemeinwesen das Verhältnis der Frauen zu<lb/> den Männern umzukehren, wie Aristophanes in seinen tollen Ekklesiaznsen ge¬<lb/> schildert hat. Denn sollte ihm Plato, der übrigens damals seine „Republik"<lb/> noch nicht geschrieben hatte, auch die Idee des Kommunismus eingegeben<lb/> haben, von Weiberherrschaft hat der große Philosoph doch gewiß nichts wissen<lb/> wollen; diesen Gedanken muß also der Komiker dem Leben entnommen haben,<lb/> wie er ja überhaupt, der Wirkung wegen, gar nicht daran denken konnte,<lb/> andre als im Leben der Gegenwart vorkommende Verhältnisse, Gedanken und<lb/> Bestrebungen zu verwerten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> (Lharles Kingsley<lb/> als Dichter und Sozialreformer<lb/><note type="byline"> von Lrnst Groth</note> 2</head><lb/> <p xml:id="ID_1338" next="#ID_1339"> brise sein heißt Sozialist sein, das war Kingsleys erster Grund¬<lb/> satz. Jede andre Auffassung des Christentums als die sozialistische<lb/> ist, uach seiner Meinung, eine Lüge. Nur der in ihr steckende<lb/> Sozialismus sichere der christlichen Lehre die weltbeherrschende<lb/> Macht und ermögliche ihr die sittliche Erziehung und Vervoll¬<lb/> kommnung der Menschheit. Darum fort mit dem sogenannten „Sonntags¬<lb/> christentum," dem Christentum der Formen, der Kultusfragen und der Doktrinen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
Charles Kingsley als Dichter und Sozialreformer
der dem Aristophanes eignen kräftigen Ausdrucksweise ihre Turnerkünste, und
Euripides läßt in seiner Andromache den Peleus zu Menelnos sprechen:
Du Feigster, feiger Eltern Sohn, du wärst ein Mann?
Gleichwie zu Männern, also spricht man wohl zu dir? ,
Der seine Gattin raube» lies; vom Phrygier
Und unverschlossen, unbewacht sein Haus verlieh,
Als walte drinnen im Gemach ein züchtig Weib,
Sie, die der Jraueu schlimmste war? Selbst wenn sie will,
Kann eine Frau zu Sparta nicht enthaltsam sein,
Wo Freun das Haus verlassen und mit Jünglingen —
Nachlässig offen ihr Gewand, die Hüfte nackt —
In Lauf und Riugerkünsteu, unerträglich mir,
Vereint sich üben.
In dem übrigen Hellas aber, und namentlich in Athen, kann die Stellung
und Lage der Frauen von der unsrer heutigen, soweit diese uoch normal ist,
nicht wesentlich verschieden gewesen sein. Geht doch die Ähnlichkeit so weit,
daß Emanzipationsbestrebungen vorgekommen sein müssen, die darauf aus¬
gingen, in einem kommunistischen Gemeinwesen das Verhältnis der Frauen zu
den Männern umzukehren, wie Aristophanes in seinen tollen Ekklesiaznsen ge¬
schildert hat. Denn sollte ihm Plato, der übrigens damals seine „Republik"
noch nicht geschrieben hatte, auch die Idee des Kommunismus eingegeben
haben, von Weiberherrschaft hat der große Philosoph doch gewiß nichts wissen
wollen; diesen Gedanken muß also der Komiker dem Leben entnommen haben,
wie er ja überhaupt, der Wirkung wegen, gar nicht daran denken konnte,
andre als im Leben der Gegenwart vorkommende Verhältnisse, Gedanken und
Bestrebungen zu verwerten.
(Lharles Kingsley
als Dichter und Sozialreformer
von Lrnst Groth 2
brise sein heißt Sozialist sein, das war Kingsleys erster Grund¬
satz. Jede andre Auffassung des Christentums als die sozialistische
ist, uach seiner Meinung, eine Lüge. Nur der in ihr steckende
Sozialismus sichere der christlichen Lehre die weltbeherrschende
Macht und ermögliche ihr die sittliche Erziehung und Vervoll¬
kommnung der Menschheit. Darum fort mit dem sogenannten „Sonntags¬
christentum," dem Christentum der Formen, der Kultusfragen und der Doktrinen,
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