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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Loluccio Salutati

und Asche liegenden Hauptkirchen, des Lateran, San Paolo und San Pietro
gemacht, aber bald fühlte man sich am Grabe der Apostel, wie in den stillen
Sommerfrischen der Kurie um Rom, so einsam wie im Exil, und schließlich
segelte Urban V., trotz des Jammers aller italischen Vaterlandsfreunde und
trotz der Abmahnungen einer begeisterten Prophetin, schon im Sommer 1370
nach Avignon zurück, wo er noch vor Ablauf des Jahres starb. Alle die mit
dieser erneuten Auswanderung der Kurie verbundnen Kämpfe hatte Colueeio
mit durchlebt, sie wurden für seine fernere Stellung zu Kirche und Papst von
entscheidender Bedeutung. Als ein gehorsamer Sohn der Kirche und des Papstes
war er uach Rom gekommen, voll von einer tiefernsten Religiosität und Fröm¬
migkeit; noch lebten in seiner Brust die mittelalterlichen Ideale von der geist¬
lich-weltlichen Universalmonarchie. Als z. B. Kaiser Karl IV. am 21. Oktober
1368 zu Fuß in Rom einzog, das Roß, ans dem der Papst ritt, am Zügel
führend, und bei der Niesse in Se. Peter dem Papste als Diakonus diente,
da hatte Colueciv nur Auge für die ideale Seite dieses Schauspiels; er schrieb
damals an Boccaccio: "Einige, die alles von der kaiserlichen Gewalt erwarten,
verurteilten solchen Knechtesdienst oder sprachen von erheuchelter Demütigung.
Andre Feinde der Kirche verlachten die fromme Handlung und verwarfen sie
mit hartnäckigem Mutwillen. Ich aber empfand eine so helle Frende, daß ich
meiner kaum mächtig blieb bei einem Anblicke, den zu schauen unsern Vätern
nicht vergönnt war, der aber uns nun wider Erhoffen zu teil ward: Papst¬
tum und Kaisertum in vollem Einklange, das Fleisch gehorchend dem Geiste,
und die Herrschaft dieser Welt unterthan dem himmlischen Reiche. O wenn
doch solch eine Eintracht auch die einzelnen Menschen, die Fürsten, die Völker,
die gesamte Menschheit verdürbe! Glaube mir, es würde besser stehn aus Erden,
bald würde die Majestät des Kaisertums zurückkehren, die Barbaren würden
gebändigt ihren Nacken beugen und würden auf dem geeinten Erdkreise nur
noch Christi Namen anbeten und verehren."

Im Glauben an den hohen Beruf der Kirche wurde Coluceio durch das,
was er in Rom erleben mußte, aufs tiefste erschüttert. Die höchsten geist¬
lichen Würdenträger verspürten damals zu wirklich kirchlichen Aufgaben durch¬
aus keine Neigung, um so mehr waren sie dem Sinnengenuß und dem Tanze
ums goldne Kalb ergeben. Einer von den Kardinälen Urbans V. hinterließ
in einem roten Koffer zweiundzwanzig Beutel mit je fünftausend Dukaten und
viele andre Beutel mit tausenden von Goldmünzen aller Länder Europas, im
ganzen ein bares Kapital von 200 000 Dukaten, d. i. nach heutigem Geld¬
werte etwa ein Viertel der Bleichrödcrschen Hinterlassenschaft. Cvluecio mußte
erleben, daß unter den Gründen, die die französischen Prälaten für die Rück¬
kehr der Kurie nach Avignon geltend machten, die Güte des Burgunderweins
eine Hauptrolle spielte, der durch keinen italischen Wein zu ersetzen sei, und
daß endlich Urban diesen und andern weltlichen Gründen nachgab. Noch ver-


Loluccio Salutati

und Asche liegenden Hauptkirchen, des Lateran, San Paolo und San Pietro
gemacht, aber bald fühlte man sich am Grabe der Apostel, wie in den stillen
Sommerfrischen der Kurie um Rom, so einsam wie im Exil, und schließlich
segelte Urban V., trotz des Jammers aller italischen Vaterlandsfreunde und
trotz der Abmahnungen einer begeisterten Prophetin, schon im Sommer 1370
nach Avignon zurück, wo er noch vor Ablauf des Jahres starb. Alle die mit
dieser erneuten Auswanderung der Kurie verbundnen Kämpfe hatte Colueeio
mit durchlebt, sie wurden für seine fernere Stellung zu Kirche und Papst von
entscheidender Bedeutung. Als ein gehorsamer Sohn der Kirche und des Papstes
war er uach Rom gekommen, voll von einer tiefernsten Religiosität und Fröm¬
migkeit; noch lebten in seiner Brust die mittelalterlichen Ideale von der geist¬
lich-weltlichen Universalmonarchie. Als z. B. Kaiser Karl IV. am 21. Oktober
1368 zu Fuß in Rom einzog, das Roß, ans dem der Papst ritt, am Zügel
führend, und bei der Niesse in Se. Peter dem Papste als Diakonus diente,
da hatte Colueciv nur Auge für die ideale Seite dieses Schauspiels; er schrieb
damals an Boccaccio: „Einige, die alles von der kaiserlichen Gewalt erwarten,
verurteilten solchen Knechtesdienst oder sprachen von erheuchelter Demütigung.
Andre Feinde der Kirche verlachten die fromme Handlung und verwarfen sie
mit hartnäckigem Mutwillen. Ich aber empfand eine so helle Frende, daß ich
meiner kaum mächtig blieb bei einem Anblicke, den zu schauen unsern Vätern
nicht vergönnt war, der aber uns nun wider Erhoffen zu teil ward: Papst¬
tum und Kaisertum in vollem Einklange, das Fleisch gehorchend dem Geiste,
und die Herrschaft dieser Welt unterthan dem himmlischen Reiche. O wenn
doch solch eine Eintracht auch die einzelnen Menschen, die Fürsten, die Völker,
die gesamte Menschheit verdürbe! Glaube mir, es würde besser stehn aus Erden,
bald würde die Majestät des Kaisertums zurückkehren, die Barbaren würden
gebändigt ihren Nacken beugen und würden auf dem geeinten Erdkreise nur
noch Christi Namen anbeten und verehren."

Im Glauben an den hohen Beruf der Kirche wurde Coluceio durch das,
was er in Rom erleben mußte, aufs tiefste erschüttert. Die höchsten geist¬
lichen Würdenträger verspürten damals zu wirklich kirchlichen Aufgaben durch¬
aus keine Neigung, um so mehr waren sie dem Sinnengenuß und dem Tanze
ums goldne Kalb ergeben. Einer von den Kardinälen Urbans V. hinterließ
in einem roten Koffer zweiundzwanzig Beutel mit je fünftausend Dukaten und
viele andre Beutel mit tausenden von Goldmünzen aller Länder Europas, im
ganzen ein bares Kapital von 200 000 Dukaten, d. i. nach heutigem Geld¬
werte etwa ein Viertel der Bleichrödcrschen Hinterlassenschaft. Cvluecio mußte
erleben, daß unter den Gründen, die die französischen Prälaten für die Rück¬
kehr der Kurie nach Avignon geltend machten, die Güte des Burgunderweins
eine Hauptrolle spielte, der durch keinen italischen Wein zu ersetzen sei, und
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[0268] Loluccio Salutati und Asche liegenden Hauptkirchen, des Lateran, San Paolo und San Pietro gemacht, aber bald fühlte man sich am Grabe der Apostel, wie in den stillen Sommerfrischen der Kurie um Rom, so einsam wie im Exil, und schließlich segelte Urban V., trotz des Jammers aller italischen Vaterlandsfreunde und trotz der Abmahnungen einer begeisterten Prophetin, schon im Sommer 1370 nach Avignon zurück, wo er noch vor Ablauf des Jahres starb. Alle die mit dieser erneuten Auswanderung der Kurie verbundnen Kämpfe hatte Colueeio mit durchlebt, sie wurden für seine fernere Stellung zu Kirche und Papst von entscheidender Bedeutung. Als ein gehorsamer Sohn der Kirche und des Papstes war er uach Rom gekommen, voll von einer tiefernsten Religiosität und Fröm¬ migkeit; noch lebten in seiner Brust die mittelalterlichen Ideale von der geist¬ lich-weltlichen Universalmonarchie. Als z. B. Kaiser Karl IV. am 21. Oktober 1368 zu Fuß in Rom einzog, das Roß, ans dem der Papst ritt, am Zügel führend, und bei der Niesse in Se. Peter dem Papste als Diakonus diente, da hatte Colueciv nur Auge für die ideale Seite dieses Schauspiels; er schrieb damals an Boccaccio: „Einige, die alles von der kaiserlichen Gewalt erwarten, verurteilten solchen Knechtesdienst oder sprachen von erheuchelter Demütigung. Andre Feinde der Kirche verlachten die fromme Handlung und verwarfen sie mit hartnäckigem Mutwillen. Ich aber empfand eine so helle Frende, daß ich meiner kaum mächtig blieb bei einem Anblicke, den zu schauen unsern Vätern nicht vergönnt war, der aber uns nun wider Erhoffen zu teil ward: Papst¬ tum und Kaisertum in vollem Einklange, das Fleisch gehorchend dem Geiste, und die Herrschaft dieser Welt unterthan dem himmlischen Reiche. O wenn doch solch eine Eintracht auch die einzelnen Menschen, die Fürsten, die Völker, die gesamte Menschheit verdürbe! Glaube mir, es würde besser stehn aus Erden, bald würde die Majestät des Kaisertums zurückkehren, die Barbaren würden gebändigt ihren Nacken beugen und würden auf dem geeinten Erdkreise nur noch Christi Namen anbeten und verehren." Im Glauben an den hohen Beruf der Kirche wurde Coluceio durch das, was er in Rom erleben mußte, aufs tiefste erschüttert. Die höchsten geist¬ lichen Würdenträger verspürten damals zu wirklich kirchlichen Aufgaben durch¬ aus keine Neigung, um so mehr waren sie dem Sinnengenuß und dem Tanze ums goldne Kalb ergeben. Einer von den Kardinälen Urbans V. hinterließ in einem roten Koffer zweiundzwanzig Beutel mit je fünftausend Dukaten und viele andre Beutel mit tausenden von Goldmünzen aller Länder Europas, im ganzen ein bares Kapital von 200 000 Dukaten, d. i. nach heutigem Geld¬ werte etwa ein Viertel der Bleichrödcrschen Hinterlassenschaft. Cvluecio mußte erleben, daß unter den Gründen, die die französischen Prälaten für die Rück¬ kehr der Kurie nach Avignon geltend machten, die Güte des Burgunderweins eine Hauptrolle spielte, der durch keinen italischen Wein zu ersetzen sei, und daß endlich Urban diesen und andern weltlichen Gründen nachgab. Noch ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/268>, abgerufen am 28.07.2024.