Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.cLoluccio Salutati Gönner folgend sich (etwa 1346) als Student der Rechte in Bologna ein¬ Dieser Mann war Petrarca, damals bei den Gebildeten aller Völker mit cLoluccio Salutati Gönner folgend sich (etwa 1346) als Student der Rechte in Bologna ein¬ Dieser Mann war Petrarca, damals bei den Gebildeten aller Völker mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215354"/> <fw type="header" place="top"> cLoluccio Salutati</fw><lb/> <p xml:id="ID_935" prev="#ID_934"> Gönner folgend sich (etwa 1346) als Student der Rechte in Bologna ein¬<lb/> schreiben ließ, auf Jahrzehnte hinaus, ja in gewissem Sinne für immer der<lb/> Leitstern seines Lebens blieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_936" next="#ID_937"> Dieser Mann war Petrarca, damals bei den Gebildeten aller Völker mit<lb/> um so größerer Scheu und Ehrfurcht genannt, je einsamer er im Reiche des<lb/> Geistes seine stolzen Bahnen wandelte. Es ist schwer, mit wenigen Worten<lb/> zu sagen, was denn eigentlich das Neue und Besondre an diesem Manne<lb/> war; wenige Andeutungen müssen hier genügen. Nicht mit Unrecht wird die<lb/> Neuzeit für Deutschland und das deutsche Volk vom sechzehnten Jahrhundert,<lb/> vom Beginn der Reformation an gerechnet. Italien war in feiner Entwicklung<lb/> weit voraus, hier beginnt die Neuzeit fast zwei Jahrhunderte früher. Am<lb/> Abschluß des Mittelalters und an der Schwelle der Neuzeit zugleich steht der<lb/> Sänger der Oiviim ooiuuröäm, Dante, in dem einerseits der christliche Mysti-<lb/> zismus des Mittelalters seine genialste Entfaltung erreicht, der aber auch schou<lb/> an der Hand des Heiden Virgil die Geisterwelt durchwandert. Den Schritt<lb/> über die Schwelle des neuen Zeitalters that Petrarca, der erste moderne<lb/> Mensch. Sein Gefährte wurde der große Arpiuate M. Tullius Cieero, und<lb/> indem er an dessen Hand in das weite Gebiet historischer und philosophischer<lb/> Kenntnisse und Vorstellungen des Altertums hineinwanderte, indem er aus<lb/> dessen zum Teil erst wieder entdeckten Schriften die hohe Anmut und Kraft<lb/> einer neuen Beredsamkeit, zugleich aber auch die Berechtigung des Menschen<lb/> zu freier Forschung und zur Einzelexistenz, die Berechtigung der Völker zum<lb/> Nationalbewußtsein herauslas, stürzte für ihn die scholastische Wissenschaft und<lb/> das mittelalterliche Kastenwesen zusammen. Er streifte die Zwangsjacke einer<lb/> übertriebnen Selbstentäußerung ab, die die mittelalterliche Kirche dem Menschen<lb/> zu Gunsten des Gottesstaates angelegt hatte, und zum erstenmale trat in ihm<lb/> wieder die freie Persönlichkeit mit dem Ansprüche hervor, so zu denken, zu<lb/> reden, zu schreiben, zu leben und zu streben, wie es das lebendig empfindende<lb/> Herz gebot. Petrarca hielt also seinen Blick nicht nur auf das Jenseits<lb/> gerichtet, wie es die Kirche vorschrieb, die den Menschen nur sür den Himmel<lb/> erziehen wollte, sondern versenkte sich mit der frischen Freude des Entdeckers<lb/> in die göttliche Hoheit der Menschennatur und in die Zeit, wo diese in vollem<lb/> Ansehen gestanden hatte, in das klassische Altertum; den Zusammenhang zwischen<lb/> diesem und der Gegenwart herzustellen, Rom und Hellas vom Dornröscheu-<lb/> schlafe zu erwecken, die ewige Stadt aus Schutt und Asche, aus Armut, Zer¬<lb/> rissenheit und Verrohung wieder zur geistigen und weltlichen Hauptstadt<lb/> Italiens zu machen und dabei selbst unsterblichen Ruhm zu erringen, das<lb/> waren die Ideale, von denen er träumte, von denen alle seine Schriften bald<lb/> in dem weltschmerzlichen Tone des Abendglöckleins, bald in dem erschütternden<lb/> Klänge der Sturmglocke wiederhallten. Es war ein Klang von zauberhafter<lb/> Wirkung, an den Ohren der großen Menge allerdings, wie noch heute das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
cLoluccio Salutati
Gönner folgend sich (etwa 1346) als Student der Rechte in Bologna ein¬
schreiben ließ, auf Jahrzehnte hinaus, ja in gewissem Sinne für immer der
Leitstern seines Lebens blieb.
Dieser Mann war Petrarca, damals bei den Gebildeten aller Völker mit
um so größerer Scheu und Ehrfurcht genannt, je einsamer er im Reiche des
Geistes seine stolzen Bahnen wandelte. Es ist schwer, mit wenigen Worten
zu sagen, was denn eigentlich das Neue und Besondre an diesem Manne
war; wenige Andeutungen müssen hier genügen. Nicht mit Unrecht wird die
Neuzeit für Deutschland und das deutsche Volk vom sechzehnten Jahrhundert,
vom Beginn der Reformation an gerechnet. Italien war in feiner Entwicklung
weit voraus, hier beginnt die Neuzeit fast zwei Jahrhunderte früher. Am
Abschluß des Mittelalters und an der Schwelle der Neuzeit zugleich steht der
Sänger der Oiviim ooiuuröäm, Dante, in dem einerseits der christliche Mysti-
zismus des Mittelalters seine genialste Entfaltung erreicht, der aber auch schou
an der Hand des Heiden Virgil die Geisterwelt durchwandert. Den Schritt
über die Schwelle des neuen Zeitalters that Petrarca, der erste moderne
Mensch. Sein Gefährte wurde der große Arpiuate M. Tullius Cieero, und
indem er an dessen Hand in das weite Gebiet historischer und philosophischer
Kenntnisse und Vorstellungen des Altertums hineinwanderte, indem er aus
dessen zum Teil erst wieder entdeckten Schriften die hohe Anmut und Kraft
einer neuen Beredsamkeit, zugleich aber auch die Berechtigung des Menschen
zu freier Forschung und zur Einzelexistenz, die Berechtigung der Völker zum
Nationalbewußtsein herauslas, stürzte für ihn die scholastische Wissenschaft und
das mittelalterliche Kastenwesen zusammen. Er streifte die Zwangsjacke einer
übertriebnen Selbstentäußerung ab, die die mittelalterliche Kirche dem Menschen
zu Gunsten des Gottesstaates angelegt hatte, und zum erstenmale trat in ihm
wieder die freie Persönlichkeit mit dem Ansprüche hervor, so zu denken, zu
reden, zu schreiben, zu leben und zu streben, wie es das lebendig empfindende
Herz gebot. Petrarca hielt also seinen Blick nicht nur auf das Jenseits
gerichtet, wie es die Kirche vorschrieb, die den Menschen nur sür den Himmel
erziehen wollte, sondern versenkte sich mit der frischen Freude des Entdeckers
in die göttliche Hoheit der Menschennatur und in die Zeit, wo diese in vollem
Ansehen gestanden hatte, in das klassische Altertum; den Zusammenhang zwischen
diesem und der Gegenwart herzustellen, Rom und Hellas vom Dornröscheu-
schlafe zu erwecken, die ewige Stadt aus Schutt und Asche, aus Armut, Zer¬
rissenheit und Verrohung wieder zur geistigen und weltlichen Hauptstadt
Italiens zu machen und dabei selbst unsterblichen Ruhm zu erringen, das
waren die Ideale, von denen er träumte, von denen alle seine Schriften bald
in dem weltschmerzlichen Tone des Abendglöckleins, bald in dem erschütternden
Klänge der Sturmglocke wiederhallten. Es war ein Klang von zauberhafter
Wirkung, an den Ohren der großen Menge allerdings, wie noch heute das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |