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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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"Lolnccio Salutati

Edelste, wirkungslos vorüberkommt, aber über Berg und Thal, über Flüsse
und Meere von wenigen erleuchteten Seelen in tiefer Bewegung gehört und
aufgenommen. Cvluceio gehörte zu den wenigen Auserwählten. Sein Lehrer
Pietro da Muglio hatte ihm Wohl von jener wundersamen Zeremonie erzählt,
dnrch die Petrarca am 8. April 1341 auf dem Kapitol in Rom mit dem
Lorbeerkranze zum Dichter gekrönt worden war, eine symbolische Handlung,
nicht ganz frei von Mummenschanz und Phantasterei, die aber doch "vom
klassischen Kapitol herab der in Haß und Aberglaube,? versunkner Welt ins
Bewußtsein zurückrief, daß die erlösende Arbeit des Geistes ihr ewiges Be¬
dürfnis, ihr höchster Beruf und ihr schönster Triumph sei." Außerdem aber
hatte Coluccio als Bologneser Student gewiß auch durch seinen Lehrer, der
mit Petrarca im Briefwechsel stand, Schriften des Meisters in die Hand be¬
kommen und mit der ihm eignen Begeisterung für alles Schöne und Erhabne
in sich aufgenommen. In heißem Sehnsuchtsdrauge hatte er schon von Bo¬
logna aus Briefe voll glühender Verehrung an Petrarca gerichtet. Allerdings
hatte er zunächst keine Antwort erhalten, aber in Petrarcas Bahnen zu wandeln
trotz der trocknen juristischen Fachstudien blieb seitdem sein Lebensziel. Da
geriet sein Schifflein wieder auf eine böse Klippe. Er war dem Abschluß
seiner juristischen Studien und seiner Ernennung zum Notar nahe, da sahen
sich seine Beschützer Jacopo und Giovanni Pepoli, die sich nach dem Tode
ihres Vaters Taddeo (1347) unklugerweise in allerlei Kriegshändel eingelassen
hatten, genötigt, die Siguorie von Bologna an den ländergierigen Erzbischof
Giovanni Visconti von Mailand, den Herrn von Piemont und der Lombardei,
zu verkaufen (1350); im folgenden Jahre wurden sie sogar auf Grund des
Verdachts, sie strebten darnach, ihre Signorie wiederzugewinnen, von dem
ästigen Visconti eingekerkert; darnach sahen sich auch alle ihre Vertrauten und
Anhänger in Bologna bedroht, Coluccio und seine Brüder mußten Bologna,
ihre zweite Heimat, verlassen. Da war es für sie ein Glück, daß unterdessen
Florenz die Herrschaft, im Val ti Nievole wieder erobert hatte; so fanden sie
in den verlassenen Höfen ihres Vaters inmitten der lieblichen Oliven- und
Kaftanienhaine der ursprünglichen Heimat nnter dein Schutze der mächtigen
Arnostadt ein Asyl. Damals erwarb Coluccio in Lucca oder Florenz den
Grad eines kaiserlichen Notars, denn im Mai 1353 zeichnet er in einer noch
^rhaltnen Vertragsurkunde als iiux<zrikcki auetoriwtö Notarius et ^'ucksx ordi-
u-U'ius. Dann ist über eine lange Reihe der Lebensjahre Coluccios tiefes
Dunkel gebreitet. Denn alles, was man über seine Anstellung an der päpst¬
lichen Kurie in Avignon gefabelt hat, beruht auf Mißverständnis oder auf
Erfindung. Ich halte es deshalb für das Natürlichste, anzunehmen, daß er
diese Jahre (von 1353 bis 1366) in der sanften Schönheit seines Heimats-
lhnles zugebracht hat, und zwar äußerlich mit der Ausübung seines Notariats
und der Verwaltung seines ererbten Grundbesitzes beschäftigt, innerlich aber


Grenzboten III 1893 33
«Lolnccio Salutati

Edelste, wirkungslos vorüberkommt, aber über Berg und Thal, über Flüsse
und Meere von wenigen erleuchteten Seelen in tiefer Bewegung gehört und
aufgenommen. Cvluceio gehörte zu den wenigen Auserwählten. Sein Lehrer
Pietro da Muglio hatte ihm Wohl von jener wundersamen Zeremonie erzählt,
dnrch die Petrarca am 8. April 1341 auf dem Kapitol in Rom mit dem
Lorbeerkranze zum Dichter gekrönt worden war, eine symbolische Handlung,
nicht ganz frei von Mummenschanz und Phantasterei, die aber doch „vom
klassischen Kapitol herab der in Haß und Aberglaube,? versunkner Welt ins
Bewußtsein zurückrief, daß die erlösende Arbeit des Geistes ihr ewiges Be¬
dürfnis, ihr höchster Beruf und ihr schönster Triumph sei." Außerdem aber
hatte Coluccio als Bologneser Student gewiß auch durch seinen Lehrer, der
mit Petrarca im Briefwechsel stand, Schriften des Meisters in die Hand be¬
kommen und mit der ihm eignen Begeisterung für alles Schöne und Erhabne
in sich aufgenommen. In heißem Sehnsuchtsdrauge hatte er schon von Bo¬
logna aus Briefe voll glühender Verehrung an Petrarca gerichtet. Allerdings
hatte er zunächst keine Antwort erhalten, aber in Petrarcas Bahnen zu wandeln
trotz der trocknen juristischen Fachstudien blieb seitdem sein Lebensziel. Da
geriet sein Schifflein wieder auf eine böse Klippe. Er war dem Abschluß
seiner juristischen Studien und seiner Ernennung zum Notar nahe, da sahen
sich seine Beschützer Jacopo und Giovanni Pepoli, die sich nach dem Tode
ihres Vaters Taddeo (1347) unklugerweise in allerlei Kriegshändel eingelassen
hatten, genötigt, die Siguorie von Bologna an den ländergierigen Erzbischof
Giovanni Visconti von Mailand, den Herrn von Piemont und der Lombardei,
zu verkaufen (1350); im folgenden Jahre wurden sie sogar auf Grund des
Verdachts, sie strebten darnach, ihre Signorie wiederzugewinnen, von dem
ästigen Visconti eingekerkert; darnach sahen sich auch alle ihre Vertrauten und
Anhänger in Bologna bedroht, Coluccio und seine Brüder mußten Bologna,
ihre zweite Heimat, verlassen. Da war es für sie ein Glück, daß unterdessen
Florenz die Herrschaft, im Val ti Nievole wieder erobert hatte; so fanden sie
in den verlassenen Höfen ihres Vaters inmitten der lieblichen Oliven- und
Kaftanienhaine der ursprünglichen Heimat nnter dein Schutze der mächtigen
Arnostadt ein Asyl. Damals erwarb Coluccio in Lucca oder Florenz den
Grad eines kaiserlichen Notars, denn im Mai 1353 zeichnet er in einer noch
^rhaltnen Vertragsurkunde als iiux<zrikcki auetoriwtö Notarius et ^'ucksx ordi-
u-U'ius. Dann ist über eine lange Reihe der Lebensjahre Coluccios tiefes
Dunkel gebreitet. Denn alles, was man über seine Anstellung an der päpst¬
lichen Kurie in Avignon gefabelt hat, beruht auf Mißverständnis oder auf
Erfindung. Ich halte es deshalb für das Natürlichste, anzunehmen, daß er
diese Jahre (von 1353 bis 1366) in der sanften Schönheit seines Heimats-
lhnles zugebracht hat, und zwar äußerlich mit der Ausübung seines Notariats
und der Verwaltung seines ererbten Grundbesitzes beschäftigt, innerlich aber


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[0265] «Lolnccio Salutati Edelste, wirkungslos vorüberkommt, aber über Berg und Thal, über Flüsse und Meere von wenigen erleuchteten Seelen in tiefer Bewegung gehört und aufgenommen. Cvluceio gehörte zu den wenigen Auserwählten. Sein Lehrer Pietro da Muglio hatte ihm Wohl von jener wundersamen Zeremonie erzählt, dnrch die Petrarca am 8. April 1341 auf dem Kapitol in Rom mit dem Lorbeerkranze zum Dichter gekrönt worden war, eine symbolische Handlung, nicht ganz frei von Mummenschanz und Phantasterei, die aber doch „vom klassischen Kapitol herab der in Haß und Aberglaube,? versunkner Welt ins Bewußtsein zurückrief, daß die erlösende Arbeit des Geistes ihr ewiges Be¬ dürfnis, ihr höchster Beruf und ihr schönster Triumph sei." Außerdem aber hatte Coluccio als Bologneser Student gewiß auch durch seinen Lehrer, der mit Petrarca im Briefwechsel stand, Schriften des Meisters in die Hand be¬ kommen und mit der ihm eignen Begeisterung für alles Schöne und Erhabne in sich aufgenommen. In heißem Sehnsuchtsdrauge hatte er schon von Bo¬ logna aus Briefe voll glühender Verehrung an Petrarca gerichtet. Allerdings hatte er zunächst keine Antwort erhalten, aber in Petrarcas Bahnen zu wandeln trotz der trocknen juristischen Fachstudien blieb seitdem sein Lebensziel. Da geriet sein Schifflein wieder auf eine böse Klippe. Er war dem Abschluß seiner juristischen Studien und seiner Ernennung zum Notar nahe, da sahen sich seine Beschützer Jacopo und Giovanni Pepoli, die sich nach dem Tode ihres Vaters Taddeo (1347) unklugerweise in allerlei Kriegshändel eingelassen hatten, genötigt, die Siguorie von Bologna an den ländergierigen Erzbischof Giovanni Visconti von Mailand, den Herrn von Piemont und der Lombardei, zu verkaufen (1350); im folgenden Jahre wurden sie sogar auf Grund des Verdachts, sie strebten darnach, ihre Signorie wiederzugewinnen, von dem ästigen Visconti eingekerkert; darnach sahen sich auch alle ihre Vertrauten und Anhänger in Bologna bedroht, Coluccio und seine Brüder mußten Bologna, ihre zweite Heimat, verlassen. Da war es für sie ein Glück, daß unterdessen Florenz die Herrschaft, im Val ti Nievole wieder erobert hatte; so fanden sie in den verlassenen Höfen ihres Vaters inmitten der lieblichen Oliven- und Kaftanienhaine der ursprünglichen Heimat nnter dein Schutze der mächtigen Arnostadt ein Asyl. Damals erwarb Coluccio in Lucca oder Florenz den Grad eines kaiserlichen Notars, denn im Mai 1353 zeichnet er in einer noch ^rhaltnen Vertragsurkunde als iiux<zrikcki auetoriwtö Notarius et ^'ucksx ordi- u-U'ius. Dann ist über eine lange Reihe der Lebensjahre Coluccios tiefes Dunkel gebreitet. Denn alles, was man über seine Anstellung an der päpst¬ lichen Kurie in Avignon gefabelt hat, beruht auf Mißverständnis oder auf Erfindung. Ich halte es deshalb für das Natürlichste, anzunehmen, daß er diese Jahre (von 1353 bis 1366) in der sanften Schönheit seines Heimats- lhnles zugebracht hat, und zwar äußerlich mit der Ausübung seines Notariats und der Verwaltung seines ererbten Grundbesitzes beschäftigt, innerlich aber Grenzboten III 1893 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/265>, abgerufen am 24.11.2024.