Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby rische rechte Hand, der vertraute Berater Steins, der im Namen und in Grenzboten III 1893 18
Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby rische rechte Hand, der vertraute Berater Steins, der im Namen und in Grenzboten III 1893 18
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Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby
rische rechte Hand, der vertraute Berater Steins, der im Namen und in
Vollmacht des russischen Kaisers in Königsberg erschien und trotz harter Zu¬
sammenstöße mit den loyalen Ostpreußen die Kraft der Provinz für den hei¬
ligen Krieg rasch entfesselte. Da es sich doch vor allem darum handelte, das
in der Natur der Umstände liegende, im idealen Feuereifer gleichsam vorweg
genommene Bündnis Alexanders von Rußland und Friedrich Wilhelms III.
von Preußen erst zu verwirklichen, so eilte Stein milde Februar nach Kalisch
und Breslau, Arndt aber, der „tageblüttelud," patriotische Gedichte und
Flugschriften verfassend, in Königsberg genug für sich zu thun fand, blieb in
der ostpreußischen Hauptstadt, wo er in dem Hause der patriotischen Gebrüder
Nicolvvins Quartier genommen hatte. Ehe er auf deutschem Boden noch die
Feder anzusetzen vermochte, kündigte die Nieoloviussche Buchhandlung seine
in Petersburg gedruckten Flugschriften „Die Glocke der Stunde in drei Zügen
von E. M. Arndt" an, die sofort, da der aus Rußland mitgebrachte Vor¬
rat nicht weit reichte, nachgedruckt wurden. Jetzt und hier aber brachte ihm
jeder Tag eine neue, eine schönere Aufgabe, er half die Glut der Begeisterung
wie das Feuer des Hasses schüren und fühlte sich nach seinem eignen Be¬
kenntnis mit einemmale wieder jung. „Hier in Königsberg gab es nun ein
ganz neues gewaltiges Leben der Freuden und Wonnen und anch des bun¬
testen Getümmels, Lärms und Wirrwarrs. ... Nun war auch Stein dazu
gekommen, und die Augen aller Menschen waren auf ihn gerichtet, aus allen
Enden des Landes strömten die Männer herbei, teils in des eignen Herzens
Angelegenheiten, teils zu dem großen von Stein veranlaßten preußischen Land¬
tage gelockt und berufen. Mau begreift, daß dieses alles zusammengenommen
die Stadt in die außerordentlichste, lebendigste Bewegung und alle Herzen in
eine ungewöhnliche Teilhaftigkeit versetzt hatte. In diesem Ozean von stür¬
mischer Bewegung und Leben schwamm ich, ein glücklicher Tropfen, so mit,
allen hohen Versammlungen und dem Landtage und allen öffentlichen Fest¬
lichkeiten und allen Ehren- und Frcndengelagen fast immer mit beiwohnend
und in meinen Mußestunden mich der freundlichsten Treue und Liebe gleich-
gesinnter Genossen, alter und neuer Freunde in der Wonne des aufgehenden
deutschen Morgenroth so jugendlich erfreuend, als wäre ich plötzlich aus
meinen Vierziger in die Zwauzige versetzt worden." (Wanderungen und Wand¬
lungen mit dem Freiherrn vom Stein.) Und in den „Erinnerungen aus dem
äußern Leben" heißt es: „Dies waren leuchtende Tage, diese kriegesbangen
Tage, und jeder ward von der allgemeinen Gesinnung und Begeisterung mit
fortgetragen und emporgehalten. So bin auch ich damals getragen worden, ohne
daß ich mir das Verdienst ansprechen könnte, so reiner und edler Heber und
Schweber, als mich trugen, würdig gewesen zu sein. Ich wohnte und lebte in
dem Hause der Gebrüder Nieolovins, die mit Leib und Seele mit den Bessern
und Edlem ihres Vaterlandes strebten; ich lebte viel im Hause eines Jugend-
Grenzboten III 1893 18
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