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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Nein! versetzte Lauritzen kurz. Also ich fuhr an einem missen Regen¬
tage --

El" Regentag ist immer alß, und meine Hosen sind es auch! brummte
der alte Pastor.

Der Etatsrat sah ihn wütend an: Wenn Sie mich noch einmal unter¬
brechen, daun dürfen Sie nie wieder meine" Punsch austrinken! Denken Sie,
daß ich Ihre Schliche nicht kennte?

Aber mein Lieber, sagte die Excellenz und fing an, etwas durch die Nase
zu sprechen. In guter Gesellschaft muß man nicht so -- so -- so deutlich
werden!

Ich weis; gerade so gut wie Sie, wie man sich in guter Gesellschaft zu
benehmen hat! rief der Etatsrat, den die Angst, seine Geschichte nicht um den
Mann bringen zu können, vollständig kopflos machte.

Man pflegt mich Excellenz zu nennen, bemerkte der Geheimrat. Wenn
Ihnen diese Benennung ungewohnt ist, Herr Lauritzeu, dann können Sie auch
Herr Baron sagen. Es giebt zwar viele Barone, und ich bin auch gar nicht
stolz auf meinen, nebenbei bemerkt, recht alten Adel, aber --

An einem warmen Regentage fuhr ich also über Land, schrie der Etats¬
rat. Er hatte ein Gefühl, als ob er geköpft werden sollte, vorher aber noch
seine Geschichte erzählen müßte.

Da stand die Excellenz auf. Liebe Freunde, wir wollen uns an einen
andern Tisch setzen, Herr Lauritzen wünscht allein zu sein! Herr Pastor,
ich darf Sie wohl auf ein Glas Punsch einladen, damit Sie sich nicht
erkälten!

Einen Augenblick saß der Etatsrat ganz allein in dem plötzlich leer ge-
wordnen Zimmer, dann stand er aus und ging nach Hause.

Am andern Tage gab es vier Kaffeegesellschaften im Städtchen. Alle zu
Ehren des Etntsrats und seiner Geschichte. Von dieser war allerdings wenig
die Rede, kein Mensch hatte sie ja begriffen, jeder sprach nur von seinem plötz¬
lichen Irrsinn. Denn irrsinnig mußte er geworden sein, nach den Berichten
der Stammgäste. Komteß Jsidora schrieb auch einen langen Brief an Frnn
Therese von Ehrenberg, worin folgender Satz vorkam: Denke dir den Etats¬
rat, diesen gleich giltigen, gefühllosen Menschen, über den du uoch kürzlich so
lachtest, denke dir dieses arme Wesen im Irrenhause, wohin doch sonst nur
die Klugen kommen! Hättest du ihm das zugetraut?

Aber der Etatsrat war nicht irrsinnig. Er lag im Bett, Mamsell Reimers
packte seine Sachen, und eines Tages war er ohne Sang und Klang ans der
kleinen Stadt verschwunden, die er so guten Mutes betreten hatte.

Eine Zeit lang beschäftigten sich die Menschen noch mit ihm, dann wurde
er schnell vergessen. Nur Komteß Jsidorn dachte noch manchmal an ihn. Nicht
weil sie ihn persönlich hätte leiden können, sondern weil sie sich noch der Zeit


Nein! versetzte Lauritzen kurz. Also ich fuhr an einem missen Regen¬
tage —

El« Regentag ist immer alß, und meine Hosen sind es auch! brummte
der alte Pastor.

Der Etatsrat sah ihn wütend an: Wenn Sie mich noch einmal unter¬
brechen, daun dürfen Sie nie wieder meine» Punsch austrinken! Denken Sie,
daß ich Ihre Schliche nicht kennte?

Aber mein Lieber, sagte die Excellenz und fing an, etwas durch die Nase
zu sprechen. In guter Gesellschaft muß man nicht so — so — so deutlich
werden!

Ich weis; gerade so gut wie Sie, wie man sich in guter Gesellschaft zu
benehmen hat! rief der Etatsrat, den die Angst, seine Geschichte nicht um den
Mann bringen zu können, vollständig kopflos machte.

Man pflegt mich Excellenz zu nennen, bemerkte der Geheimrat. Wenn
Ihnen diese Benennung ungewohnt ist, Herr Lauritzeu, dann können Sie auch
Herr Baron sagen. Es giebt zwar viele Barone, und ich bin auch gar nicht
stolz auf meinen, nebenbei bemerkt, recht alten Adel, aber —

An einem warmen Regentage fuhr ich also über Land, schrie der Etats¬
rat. Er hatte ein Gefühl, als ob er geköpft werden sollte, vorher aber noch
seine Geschichte erzählen müßte.

Da stand die Excellenz auf. Liebe Freunde, wir wollen uns an einen
andern Tisch setzen, Herr Lauritzen wünscht allein zu sein! Herr Pastor,
ich darf Sie wohl auf ein Glas Punsch einladen, damit Sie sich nicht
erkälten!

Einen Augenblick saß der Etatsrat ganz allein in dem plötzlich leer ge-
wordnen Zimmer, dann stand er aus und ging nach Hause.

Am andern Tage gab es vier Kaffeegesellschaften im Städtchen. Alle zu
Ehren des Etntsrats und seiner Geschichte. Von dieser war allerdings wenig
die Rede, kein Mensch hatte sie ja begriffen, jeder sprach nur von seinem plötz¬
lichen Irrsinn. Denn irrsinnig mußte er geworden sein, nach den Berichten
der Stammgäste. Komteß Jsidora schrieb auch einen langen Brief an Frnn
Therese von Ehrenberg, worin folgender Satz vorkam: Denke dir den Etats¬
rat, diesen gleich giltigen, gefühllosen Menschen, über den du uoch kürzlich so
lachtest, denke dir dieses arme Wesen im Irrenhause, wohin doch sonst nur
die Klugen kommen! Hättest du ihm das zugetraut?

Aber der Etatsrat war nicht irrsinnig. Er lag im Bett, Mamsell Reimers
packte seine Sachen, und eines Tages war er ohne Sang und Klang ans der
kleinen Stadt verschwunden, die er so guten Mutes betreten hatte.

Eine Zeit lang beschäftigten sich die Menschen noch mit ihm, dann wurde
er schnell vergessen. Nur Komteß Jsidorn dachte noch manchmal an ihn. Nicht
weil sie ihn persönlich hätte leiden können, sondern weil sie sich noch der Zeit


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[0092] Nein! versetzte Lauritzen kurz. Also ich fuhr an einem missen Regen¬ tage — El« Regentag ist immer alß, und meine Hosen sind es auch! brummte der alte Pastor. Der Etatsrat sah ihn wütend an: Wenn Sie mich noch einmal unter¬ brechen, daun dürfen Sie nie wieder meine» Punsch austrinken! Denken Sie, daß ich Ihre Schliche nicht kennte? Aber mein Lieber, sagte die Excellenz und fing an, etwas durch die Nase zu sprechen. In guter Gesellschaft muß man nicht so — so — so deutlich werden! Ich weis; gerade so gut wie Sie, wie man sich in guter Gesellschaft zu benehmen hat! rief der Etatsrat, den die Angst, seine Geschichte nicht um den Mann bringen zu können, vollständig kopflos machte. Man pflegt mich Excellenz zu nennen, bemerkte der Geheimrat. Wenn Ihnen diese Benennung ungewohnt ist, Herr Lauritzeu, dann können Sie auch Herr Baron sagen. Es giebt zwar viele Barone, und ich bin auch gar nicht stolz auf meinen, nebenbei bemerkt, recht alten Adel, aber — An einem warmen Regentage fuhr ich also über Land, schrie der Etats¬ rat. Er hatte ein Gefühl, als ob er geköpft werden sollte, vorher aber noch seine Geschichte erzählen müßte. Da stand die Excellenz auf. Liebe Freunde, wir wollen uns an einen andern Tisch setzen, Herr Lauritzen wünscht allein zu sein! Herr Pastor, ich darf Sie wohl auf ein Glas Punsch einladen, damit Sie sich nicht erkälten! Einen Augenblick saß der Etatsrat ganz allein in dem plötzlich leer ge- wordnen Zimmer, dann stand er aus und ging nach Hause. Am andern Tage gab es vier Kaffeegesellschaften im Städtchen. Alle zu Ehren des Etntsrats und seiner Geschichte. Von dieser war allerdings wenig die Rede, kein Mensch hatte sie ja begriffen, jeder sprach nur von seinem plötz¬ lichen Irrsinn. Denn irrsinnig mußte er geworden sein, nach den Berichten der Stammgäste. Komteß Jsidora schrieb auch einen langen Brief an Frnn Therese von Ehrenberg, worin folgender Satz vorkam: Denke dir den Etats¬ rat, diesen gleich giltigen, gefühllosen Menschen, über den du uoch kürzlich so lachtest, denke dir dieses arme Wesen im Irrenhause, wohin doch sonst nur die Klugen kommen! Hättest du ihm das zugetraut? Aber der Etatsrat war nicht irrsinnig. Er lag im Bett, Mamsell Reimers packte seine Sachen, und eines Tages war er ohne Sang und Klang ans der kleinen Stadt verschwunden, die er so guten Mutes betreten hatte. Eine Zeit lang beschäftigten sich die Menschen noch mit ihm, dann wurde er schnell vergessen. Nur Komteß Jsidorn dachte noch manchmal an ihn. Nicht weil sie ihn persönlich hätte leiden können, sondern weil sie sich noch der Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/92>, abgerufen am 30.06.2024.