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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Der alte Harkort

richt auch für den Arme". "Alle diese Dinge kvime" aber nur dann wohlthätig
auf die Massen einwirken, wenn alle Gebildeten im Geiste eines echten Christentums
sich mit Aufopferung und Liebe dem großen Werke der Zivilisation widmen und
nicht dem Armen gegenüber eine ausschließende Stellung behaupte", welche täglich
gefahrdrohender erscheint. Mühen und Arbeit entfremden dem Gemeinwesen nicht;
allein das ""wissende Kind des Armen, welches am Weihnachtsabend hungernd
und frierend dnrch die erleuchteten Fenster der Reichen schaut, wird nicht Friede
machen mit der Gesellschaft."

Mit nicht geringerer E"tschicde"heit wie den Reichen, sagte er aber in
seine" zahlreichen Volksschristen, Gclcgenheitsschriften, Arbciterbriefen mich den
Armen die Wahrheit und setzte den Arbeitern, wo er Trägheit, Unwirtschast-
lichkeit, Unverstand, Anmaßung "ut utopische Träumereien bei ihnen traf, den
Kopf gründlich zurecht. Er, der uneigennützige Bvlksfreuud, konnte das, ohne
höhnische Widerrede z" erfahren. Als ihm einmal entgegen gehalten wurde,
die Arbeiter würden auf ihren Schnaps verzichten, wenn er uns feine Cigarren,
Wein und Braten verzichtete, antwortete er: Tabak und Cigarren rauche ich
nicht, ans meinem Tische steht nicht Wein, sondern Wasser, und wer bei mir
Braten riecht, muß eine feine Nase haben.

In der angeführten Schrift von 1844 erörtert er ferner noch die Not¬
wendigkeit von Kolonien, die Gründung einer deutschen Kriegsflotte und die
Wiederbelebung des alten Handelsweges nach Asien. An die Donaumündnng
"lenke man den Strom unsrer Auswanderung, stelle jenseits des Eisernen
Thores jene Kultur her, welche zur Römerzeit bestand, und werfe durch das
deutsche Element ein Bollwerk ans gegen die Übergriffe der Slawen. Dann
kann sich für Deutschland eine Zukunft entfalten, die tausendjährige Unbilden
und Verluste mit Wucher ausgleicht -- und Barbarossa erwacht in seinem
Grabe." Fügen wir hinzu, daß er im Jahre 1852 einen vollständigen Flotten-
gründnngsplan entworfen, daß er den Jadebnsen als Kriegshafen empfohlen,
dringend zur Gründung einer großen Maschinen- und Schiffsbananstalt in
Swinemünde geraten hat, damit die dentschen Kriegsschiffe nicht im Auslande
gebaut zu werden brauchten, daß er gegen den Sundzoll, für die Befreiung
Schleswig-Holsteins agitirt und Kiel als den besten deutschen Kriegshafen be¬
zeichnet hat, daß er für einen Rhein-Weserkanal gearbeitet, einen Nordvstscc-
kanal für notwendig erklärt, auf die Wichtigkeit Ostafrikas hingewiesen und
1851 beantragt hat, in Damaskus ein Konsulat zu errichten und eine direkte
Packetfahrt nach Syrien ins Leben zu rufen, so wird das genügen, von dem
Scharfblick des patriotischen Mannes und von dem Umfange seiner gemein¬
nützigen Bestrebungen einen Begriff zu geben.

Hätte er nicht dem Gemeinwohl in Bereinen, in der Kreis- und Prv-
vinzialverwaltuug, im Parlament seine beste Kraft und den größten Teil seiner
Zeit gewidmet, so würde er es vielleicht trotz seiner Uneigennützigkeit zu etwas
gebracht haben. Allein er hat schon, da er als zwanzigjähriger Jüngling gegen


Der alte Harkort

richt auch für den Arme». „Alle diese Dinge kvime» aber nur dann wohlthätig
auf die Massen einwirken, wenn alle Gebildeten im Geiste eines echten Christentums
sich mit Aufopferung und Liebe dem großen Werke der Zivilisation widmen und
nicht dem Armen gegenüber eine ausschließende Stellung behaupte», welche täglich
gefahrdrohender erscheint. Mühen und Arbeit entfremden dem Gemeinwesen nicht;
allein das »»wissende Kind des Armen, welches am Weihnachtsabend hungernd
und frierend dnrch die erleuchteten Fenster der Reichen schaut, wird nicht Friede
machen mit der Gesellschaft."

Mit nicht geringerer E»tschicde»heit wie den Reichen, sagte er aber in
seine» zahlreichen Volksschristen, Gclcgenheitsschriften, Arbciterbriefen mich den
Armen die Wahrheit und setzte den Arbeitern, wo er Trägheit, Unwirtschast-
lichkeit, Unverstand, Anmaßung »ut utopische Träumereien bei ihnen traf, den
Kopf gründlich zurecht. Er, der uneigennützige Bvlksfreuud, konnte das, ohne
höhnische Widerrede z» erfahren. Als ihm einmal entgegen gehalten wurde,
die Arbeiter würden auf ihren Schnaps verzichten, wenn er uns feine Cigarren,
Wein und Braten verzichtete, antwortete er: Tabak und Cigarren rauche ich
nicht, ans meinem Tische steht nicht Wein, sondern Wasser, und wer bei mir
Braten riecht, muß eine feine Nase haben.

In der angeführten Schrift von 1844 erörtert er ferner noch die Not¬
wendigkeit von Kolonien, die Gründung einer deutschen Kriegsflotte und die
Wiederbelebung des alten Handelsweges nach Asien. An die Donaumündnng
„lenke man den Strom unsrer Auswanderung, stelle jenseits des Eisernen
Thores jene Kultur her, welche zur Römerzeit bestand, und werfe durch das
deutsche Element ein Bollwerk ans gegen die Übergriffe der Slawen. Dann
kann sich für Deutschland eine Zukunft entfalten, die tausendjährige Unbilden
und Verluste mit Wucher ausgleicht — und Barbarossa erwacht in seinem
Grabe." Fügen wir hinzu, daß er im Jahre 1852 einen vollständigen Flotten-
gründnngsplan entworfen, daß er den Jadebnsen als Kriegshafen empfohlen,
dringend zur Gründung einer großen Maschinen- und Schiffsbananstalt in
Swinemünde geraten hat, damit die dentschen Kriegsschiffe nicht im Auslande
gebaut zu werden brauchten, daß er gegen den Sundzoll, für die Befreiung
Schleswig-Holsteins agitirt und Kiel als den besten deutschen Kriegshafen be¬
zeichnet hat, daß er für einen Rhein-Weserkanal gearbeitet, einen Nordvstscc-
kanal für notwendig erklärt, auf die Wichtigkeit Ostafrikas hingewiesen und
1851 beantragt hat, in Damaskus ein Konsulat zu errichten und eine direkte
Packetfahrt nach Syrien ins Leben zu rufen, so wird das genügen, von dem
Scharfblick des patriotischen Mannes und von dem Umfange seiner gemein¬
nützigen Bestrebungen einen Begriff zu geben.

Hätte er nicht dem Gemeinwohl in Bereinen, in der Kreis- und Prv-
vinzialverwaltuug, im Parlament seine beste Kraft und den größten Teil seiner
Zeit gewidmet, so würde er es vielleicht trotz seiner Uneigennützigkeit zu etwas
gebracht haben. Allein er hat schon, da er als zwanzigjähriger Jüngling gegen


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[0070] Der alte Harkort richt auch für den Arme». „Alle diese Dinge kvime» aber nur dann wohlthätig auf die Massen einwirken, wenn alle Gebildeten im Geiste eines echten Christentums sich mit Aufopferung und Liebe dem großen Werke der Zivilisation widmen und nicht dem Armen gegenüber eine ausschließende Stellung behaupte», welche täglich gefahrdrohender erscheint. Mühen und Arbeit entfremden dem Gemeinwesen nicht; allein das »»wissende Kind des Armen, welches am Weihnachtsabend hungernd und frierend dnrch die erleuchteten Fenster der Reichen schaut, wird nicht Friede machen mit der Gesellschaft." Mit nicht geringerer E»tschicde»heit wie den Reichen, sagte er aber in seine» zahlreichen Volksschristen, Gclcgenheitsschriften, Arbciterbriefen mich den Armen die Wahrheit und setzte den Arbeitern, wo er Trägheit, Unwirtschast- lichkeit, Unverstand, Anmaßung »ut utopische Träumereien bei ihnen traf, den Kopf gründlich zurecht. Er, der uneigennützige Bvlksfreuud, konnte das, ohne höhnische Widerrede z» erfahren. Als ihm einmal entgegen gehalten wurde, die Arbeiter würden auf ihren Schnaps verzichten, wenn er uns feine Cigarren, Wein und Braten verzichtete, antwortete er: Tabak und Cigarren rauche ich nicht, ans meinem Tische steht nicht Wein, sondern Wasser, und wer bei mir Braten riecht, muß eine feine Nase haben. In der angeführten Schrift von 1844 erörtert er ferner noch die Not¬ wendigkeit von Kolonien, die Gründung einer deutschen Kriegsflotte und die Wiederbelebung des alten Handelsweges nach Asien. An die Donaumündnng „lenke man den Strom unsrer Auswanderung, stelle jenseits des Eisernen Thores jene Kultur her, welche zur Römerzeit bestand, und werfe durch das deutsche Element ein Bollwerk ans gegen die Übergriffe der Slawen. Dann kann sich für Deutschland eine Zukunft entfalten, die tausendjährige Unbilden und Verluste mit Wucher ausgleicht — und Barbarossa erwacht in seinem Grabe." Fügen wir hinzu, daß er im Jahre 1852 einen vollständigen Flotten- gründnngsplan entworfen, daß er den Jadebnsen als Kriegshafen empfohlen, dringend zur Gründung einer großen Maschinen- und Schiffsbananstalt in Swinemünde geraten hat, damit die dentschen Kriegsschiffe nicht im Auslande gebaut zu werden brauchten, daß er gegen den Sundzoll, für die Befreiung Schleswig-Holsteins agitirt und Kiel als den besten deutschen Kriegshafen be¬ zeichnet hat, daß er für einen Rhein-Weserkanal gearbeitet, einen Nordvstscc- kanal für notwendig erklärt, auf die Wichtigkeit Ostafrikas hingewiesen und 1851 beantragt hat, in Damaskus ein Konsulat zu errichten und eine direkte Packetfahrt nach Syrien ins Leben zu rufen, so wird das genügen, von dem Scharfblick des patriotischen Mannes und von dem Umfange seiner gemein¬ nützigen Bestrebungen einen Begriff zu geben. Hätte er nicht dem Gemeinwohl in Bereinen, in der Kreis- und Prv- vinzialverwaltuug, im Parlament seine beste Kraft und den größten Teil seiner Zeit gewidmet, so würde er es vielleicht trotz seiner Uneigennützigkeit zu etwas gebracht haben. Allein er hat schon, da er als zwanzigjähriger Jüngling gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/70>, abgerufen am 24.07.2024.