Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.füllen die Beschäftigung seines Nachbars, eines in jedem Sinne kleinen Schau¬ In Salzburg trennten sich unsre Wege, er ging in die Probe -- daß Doch damit habe ich den Ereignissen vorgegriffen. Für den König füllen die Beschäftigung seines Nachbars, eines in jedem Sinne kleinen Schau¬ In Salzburg trennten sich unsre Wege, er ging in die Probe — daß Doch damit habe ich den Ereignissen vorgegriffen. Für den König <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215075"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2368" prev="#ID_2367"> füllen die Beschäftigung seines Nachbars, eines in jedem Sinne kleinen Schau¬<lb/> spielers, war. Das Verhältnis zwischen den beiden Kollegen erinnerte ein<lb/> wenig an das zwischen Falstaff und dem Pagen, und vielleicht wäre Beckmann<lb/> auch auf der Bühne mit dem Falstaff glücklicher gewesen, wenn er sich<lb/> unbefangen gegeben hätte, anstatt etwas besondres aus der Rolle machen<lb/> zu wollein</p><lb/> <p xml:id="ID_2369"> In Salzburg trennten sich unsre Wege, er ging in die Probe — daß<lb/> er noch wichtigere Verrichtungen hatte, wurde mir erst später klar —, ich ver¬<lb/> suchte, mit guten Empfehlungen ausgerüstet, mich über den Stand der hohen<lb/> Politik zu unterrichten. Hatte ich meine Runde gemacht und mich überzeugt,<lb/> daß man nichts wußte oder nichts wissen wollte, so ging ich zu jemand, an<lb/> den ich mich nur selbst empfohlen hatte, und da erfuhr ich gewöhnlich etwas.<lb/> So z. B. den Inhalt der Konvention, anch daß Preußen auf der Forderung<lb/> der militärischen und diplomatischen Führung in Norddeutschland bestehe, seine<lb/> Forderung mit allen Mitteln durchzusetzen suchen und im Notfalle damit nicht<lb/> allein stehn werde. Auf meine Frage, Preußen werde sich doch nicht etwa<lb/> mit dem Kaiser der Franzosen einlassen, empfing ich eine Andeutung, die nicht<lb/> lange darauf durch die Sendung des italienischen Obersten Govone ihre Be¬<lb/> stätigung erhielt. Als ich in Wien einem um Webstuhl sitzenden Herrn diese<lb/> Andeutung hinterbrachte, wurde mir durch ein Lächeln zum Bewußtsein ge¬<lb/> bracht, daß ich mir Hütte einen gewaltigen Bären aufbinden lassen, und ich<lb/> ging beschämt meiner Wege. Auch mit der andern Nachricht hatte ich zunächst<lb/> uicht viel Glück. Als ich sie durch den Telegraphen weiter verbreitet hatte,<lb/> begegnete ich Heinrich Laube, der damals Direktor des Burgtheaters war<lb/> und seine Schar auch in Salzburg persönlich anführte. Wir teilten uns gegen¬<lb/> seitig unser Erstaunen über die Art der Teilung der Verwaltung in den Elb-<lb/> herzogtümern mit. Sonntagspolitiker, wie wir waren, meinten wir, daß in<lb/> dem doch nicht undenkbaren Falle einer Entscheidung durch die Waffen die<lb/> Stellung in Schleswig für Österreich vorteilhafter sein würde. Und am<lb/> nächsten Morgen rief er mir triumphirend entgegen: „Sehen Sie wohl, Sie<lb/> sind schlecht unterrichtet gewesen, wir bekommen Schleswig! Alle Wiener Blätter<lb/> melden es." In diesem Falle wurde ich schneller gerechtfertigt, und noch<lb/> heute ist es mir ein Rätsel, wie die falsche Nachricht in Wien hat in Umlauf<lb/> gesetzt werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2370" next="#ID_2371"> Doch damit habe ich den Ereignissen vorgegriffen. Für den König<lb/> von Preußen war wie gewöhnlich Wohnung im „Erzherzog Karl" be¬<lb/> stellt, auf den mir mein Zimmer im „Schiff" Aussicht gewährte. Für<lb/> 6 Uhr war die Ankunft des Königs angesagt, und der Kaiser mit Gefolge<lb/> war pünktlich vor dem Hotel, um seinen Gast zu begrüßen. Aber Gastein<lb/> hatte noch keine Eisenbahnverbindung, und die Extrapost verspätete sich.<lb/> Plötzlich hörte ich aus dem untern Stockwerk bekannte Stimmen, den schnür-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
füllen die Beschäftigung seines Nachbars, eines in jedem Sinne kleinen Schau¬
spielers, war. Das Verhältnis zwischen den beiden Kollegen erinnerte ein
wenig an das zwischen Falstaff und dem Pagen, und vielleicht wäre Beckmann
auch auf der Bühne mit dem Falstaff glücklicher gewesen, wenn er sich
unbefangen gegeben hätte, anstatt etwas besondres aus der Rolle machen
zu wollein
In Salzburg trennten sich unsre Wege, er ging in die Probe — daß
er noch wichtigere Verrichtungen hatte, wurde mir erst später klar —, ich ver¬
suchte, mit guten Empfehlungen ausgerüstet, mich über den Stand der hohen
Politik zu unterrichten. Hatte ich meine Runde gemacht und mich überzeugt,
daß man nichts wußte oder nichts wissen wollte, so ging ich zu jemand, an
den ich mich nur selbst empfohlen hatte, und da erfuhr ich gewöhnlich etwas.
So z. B. den Inhalt der Konvention, anch daß Preußen auf der Forderung
der militärischen und diplomatischen Führung in Norddeutschland bestehe, seine
Forderung mit allen Mitteln durchzusetzen suchen und im Notfalle damit nicht
allein stehn werde. Auf meine Frage, Preußen werde sich doch nicht etwa
mit dem Kaiser der Franzosen einlassen, empfing ich eine Andeutung, die nicht
lange darauf durch die Sendung des italienischen Obersten Govone ihre Be¬
stätigung erhielt. Als ich in Wien einem um Webstuhl sitzenden Herrn diese
Andeutung hinterbrachte, wurde mir durch ein Lächeln zum Bewußtsein ge¬
bracht, daß ich mir Hütte einen gewaltigen Bären aufbinden lassen, und ich
ging beschämt meiner Wege. Auch mit der andern Nachricht hatte ich zunächst
uicht viel Glück. Als ich sie durch den Telegraphen weiter verbreitet hatte,
begegnete ich Heinrich Laube, der damals Direktor des Burgtheaters war
und seine Schar auch in Salzburg persönlich anführte. Wir teilten uns gegen¬
seitig unser Erstaunen über die Art der Teilung der Verwaltung in den Elb-
herzogtümern mit. Sonntagspolitiker, wie wir waren, meinten wir, daß in
dem doch nicht undenkbaren Falle einer Entscheidung durch die Waffen die
Stellung in Schleswig für Österreich vorteilhafter sein würde. Und am
nächsten Morgen rief er mir triumphirend entgegen: „Sehen Sie wohl, Sie
sind schlecht unterrichtet gewesen, wir bekommen Schleswig! Alle Wiener Blätter
melden es." In diesem Falle wurde ich schneller gerechtfertigt, und noch
heute ist es mir ein Rätsel, wie die falsche Nachricht in Wien hat in Umlauf
gesetzt werden können.
Doch damit habe ich den Ereignissen vorgegriffen. Für den König
von Preußen war wie gewöhnlich Wohnung im „Erzherzog Karl" be¬
stellt, auf den mir mein Zimmer im „Schiff" Aussicht gewährte. Für
6 Uhr war die Ankunft des Königs angesagt, und der Kaiser mit Gefolge
war pünktlich vor dem Hotel, um seinen Gast zu begrüßen. Aber Gastein
hatte noch keine Eisenbahnverbindung, und die Extrapost verspätete sich.
Plötzlich hörte ich aus dem untern Stockwerk bekannte Stimmen, den schnür-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |