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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

gegen Rußland hing von dem Erfolg dieser Zusammenkunft ab. Mißfiel dem
Kaiser irgend etwas in dem Wesen des Prinzen-Gemahls, erregte irgend etwas
seineu Argwohn, so war an ein Bündnis nicht zu denken. Doch wollte der
Herzog seinen Bruder nicht warnen, um nicht ebeu eine Befangenheit zu ver¬
anlassen, die schädlich werden konnte. Die Sache lief aber sehr gut ab; Prinz
Albert traf den richtigen Ton.

Die Kriecherei der Russen dagegen, der überschwengliche Weihrauch, den
sie ihm streuten nach dem Kriege in der Krim, hat Napoleon III. "degou-
tirt," und darum ist aus der Annäherung zwischen Nußland und Frankreich
auch nicht das geworden, was man vielfach wünschte.

Wir werden zum Thee in den Salon der Herzogin beschieden. Das Ge¬
spräch war eben wieder auf österreichische Verhältnisse gekommen. Ich sagte,
indem wir in der Dunkelheit über den Schloßhof schritten: "Ich habe es aus
dem Munde des Marschalls Oudinot (i. e. durch meinen Stiefvater), daß der
Erzherzog Karl 1809 nach den unglücklichen Schlachten in Vaiern bei Napoleon
Schritte gethan hat, um Rheiubundkönig von Böhmen zu werden; ich möchte
wissen, ob das wahr ist?"

Der Herzog: "Ja freilich ist es wahr! Und der Erzherzog Johann
wollte König von Ungarn werden; darum kam er feinem Bruder bei Wagram
nicht zu Hilfe."

Im Salon Whistpartie des Herzogs, en trois mit einem mort: der Herzog,
Alvensleben und ich. Um wenige Silbergroschen, es wird dabei geplaudert
und das ganze nicht übermäßig wichtig genommen. Ich kündige gleich an,
daß ich schlecht spiele, aber der Herzog kauu es nicht um ein Haar besser.
Die Damen machen samt den übrigen Herren am andern Ende osrols um
die Herzogin.

Ich saß nachher noch lange mit Treskow -- der mein Stubennachbar ist --
und Samwer zusammen und mußte ihnen von russischen Zuständen und dem
Kaiser Nikolaus erzählen, was sie außerordentlich interessirte.

9. August. Um sieben Uhr früh Thee in meinem Zimmer. Entschiednes
Regenwetter. Man kann heute nicht auf die Jagd gehen; ich muß den Tag
nützen, die Zwecke zu fördern, die mich eigentlich hergeführt haben.

Um zehn Uhr zweites gemeinschaftliches Frühstück im Speisesaal.

Ich benutze, ehe mau sich zu Tisch setzt, eiuen Augenblick, wo ich mit
dem Herzog in einer Fenstervertiefung alleinstehe, unsre Wahlen und über¬
haupt ernste Anliegen zu berühren. Er sagt, ich solle nach dem Frühstück zu
ihm kommen in sein Kabinett. So habe ich denn auch ein töte-^-tßw von
mehr als zwei Stunden mit ihm.

Ich spreche zuerst von unsern Wahlen und setze auseinander, daß wir
zwar das mögliche thun, daß aber ein vollständiger Erfolg doch kaum zu hoffen
ist für diesmal. Die Junkerpartei hat sich in solcher Weise eingenistet, in


Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

gegen Rußland hing von dem Erfolg dieser Zusammenkunft ab. Mißfiel dem
Kaiser irgend etwas in dem Wesen des Prinzen-Gemahls, erregte irgend etwas
seineu Argwohn, so war an ein Bündnis nicht zu denken. Doch wollte der
Herzog seinen Bruder nicht warnen, um nicht ebeu eine Befangenheit zu ver¬
anlassen, die schädlich werden konnte. Die Sache lief aber sehr gut ab; Prinz
Albert traf den richtigen Ton.

Die Kriecherei der Russen dagegen, der überschwengliche Weihrauch, den
sie ihm streuten nach dem Kriege in der Krim, hat Napoleon III. „degou-
tirt," und darum ist aus der Annäherung zwischen Nußland und Frankreich
auch nicht das geworden, was man vielfach wünschte.

Wir werden zum Thee in den Salon der Herzogin beschieden. Das Ge¬
spräch war eben wieder auf österreichische Verhältnisse gekommen. Ich sagte,
indem wir in der Dunkelheit über den Schloßhof schritten: „Ich habe es aus
dem Munde des Marschalls Oudinot (i. e. durch meinen Stiefvater), daß der
Erzherzog Karl 1809 nach den unglücklichen Schlachten in Vaiern bei Napoleon
Schritte gethan hat, um Rheiubundkönig von Böhmen zu werden; ich möchte
wissen, ob das wahr ist?"

Der Herzog: „Ja freilich ist es wahr! Und der Erzherzog Johann
wollte König von Ungarn werden; darum kam er feinem Bruder bei Wagram
nicht zu Hilfe."

Im Salon Whistpartie des Herzogs, en trois mit einem mort: der Herzog,
Alvensleben und ich. Um wenige Silbergroschen, es wird dabei geplaudert
und das ganze nicht übermäßig wichtig genommen. Ich kündige gleich an,
daß ich schlecht spiele, aber der Herzog kauu es nicht um ein Haar besser.
Die Damen machen samt den übrigen Herren am andern Ende osrols um
die Herzogin.

Ich saß nachher noch lange mit Treskow — der mein Stubennachbar ist —
und Samwer zusammen und mußte ihnen von russischen Zuständen und dem
Kaiser Nikolaus erzählen, was sie außerordentlich interessirte.

9. August. Um sieben Uhr früh Thee in meinem Zimmer. Entschiednes
Regenwetter. Man kann heute nicht auf die Jagd gehen; ich muß den Tag
nützen, die Zwecke zu fördern, die mich eigentlich hergeführt haben.

Um zehn Uhr zweites gemeinschaftliches Frühstück im Speisesaal.

Ich benutze, ehe mau sich zu Tisch setzt, eiuen Augenblick, wo ich mit
dem Herzog in einer Fenstervertiefung alleinstehe, unsre Wahlen und über¬
haupt ernste Anliegen zu berühren. Er sagt, ich solle nach dem Frühstück zu
ihm kommen in sein Kabinett. So habe ich denn auch ein töte-^-tßw von
mehr als zwei Stunden mit ihm.

Ich spreche zuerst von unsern Wahlen und setze auseinander, daß wir
zwar das mögliche thun, daß aber ein vollständiger Erfolg doch kaum zu hoffen
ist für diesmal. Die Junkerpartei hat sich in solcher Weise eingenistet, in


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[0513] Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts gegen Rußland hing von dem Erfolg dieser Zusammenkunft ab. Mißfiel dem Kaiser irgend etwas in dem Wesen des Prinzen-Gemahls, erregte irgend etwas seineu Argwohn, so war an ein Bündnis nicht zu denken. Doch wollte der Herzog seinen Bruder nicht warnen, um nicht ebeu eine Befangenheit zu ver¬ anlassen, die schädlich werden konnte. Die Sache lief aber sehr gut ab; Prinz Albert traf den richtigen Ton. Die Kriecherei der Russen dagegen, der überschwengliche Weihrauch, den sie ihm streuten nach dem Kriege in der Krim, hat Napoleon III. „degou- tirt," und darum ist aus der Annäherung zwischen Nußland und Frankreich auch nicht das geworden, was man vielfach wünschte. Wir werden zum Thee in den Salon der Herzogin beschieden. Das Ge¬ spräch war eben wieder auf österreichische Verhältnisse gekommen. Ich sagte, indem wir in der Dunkelheit über den Schloßhof schritten: „Ich habe es aus dem Munde des Marschalls Oudinot (i. e. durch meinen Stiefvater), daß der Erzherzog Karl 1809 nach den unglücklichen Schlachten in Vaiern bei Napoleon Schritte gethan hat, um Rheiubundkönig von Böhmen zu werden; ich möchte wissen, ob das wahr ist?" Der Herzog: „Ja freilich ist es wahr! Und der Erzherzog Johann wollte König von Ungarn werden; darum kam er feinem Bruder bei Wagram nicht zu Hilfe." Im Salon Whistpartie des Herzogs, en trois mit einem mort: der Herzog, Alvensleben und ich. Um wenige Silbergroschen, es wird dabei geplaudert und das ganze nicht übermäßig wichtig genommen. Ich kündige gleich an, daß ich schlecht spiele, aber der Herzog kauu es nicht um ein Haar besser. Die Damen machen samt den übrigen Herren am andern Ende osrols um die Herzogin. Ich saß nachher noch lange mit Treskow — der mein Stubennachbar ist — und Samwer zusammen und mußte ihnen von russischen Zuständen und dem Kaiser Nikolaus erzählen, was sie außerordentlich interessirte. 9. August. Um sieben Uhr früh Thee in meinem Zimmer. Entschiednes Regenwetter. Man kann heute nicht auf die Jagd gehen; ich muß den Tag nützen, die Zwecke zu fördern, die mich eigentlich hergeführt haben. Um zehn Uhr zweites gemeinschaftliches Frühstück im Speisesaal. Ich benutze, ehe mau sich zu Tisch setzt, eiuen Augenblick, wo ich mit dem Herzog in einer Fenstervertiefung alleinstehe, unsre Wahlen und über¬ haupt ernste Anliegen zu berühren. Er sagt, ich solle nach dem Frühstück zu ihm kommen in sein Kabinett. So habe ich denn auch ein töte-^-tßw von mehr als zwei Stunden mit ihm. Ich spreche zuerst von unsern Wahlen und setze auseinander, daß wir zwar das mögliche thun, daß aber ein vollständiger Erfolg doch kaum zu hoffen ist für diesmal. Die Junkerpartei hat sich in solcher Weise eingenistet, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/513>, abgerufen am 23.07.2024.