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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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warf einen verzweifelten Blick mich der Kammerthür, und zu seinem Schrecken
bemerkte er, daß die eilte Suse, die sich an ihm vorbeigedrängt hatte, sich mit
verdächtig forschenden Blick der Thür zuwandte. Er packte die Alte am Arm
und drängte sie zum Zimmer hinaus. Dabei rief er: Gleich, gleich, Herr Pro¬
fessor, nur noch die Halskrause! So -- nun bin ich fertig, nun wollen wir gehn!

Er schloß die Thüre hinter sich ab und bedeutete die Alte, die mit
Besen und Eimer bereit stund, einzudringen, für hente sei es zu spät, und
stürmte dem Professor voraus die Treppe hinab.

Bald war er inmitten der Festgesellschaft. Der Ungarwein suchte seines¬
gleichen, aber die Unterhaltung ließ manches zu wünschen übrig. Der junge
Gelehrte war von der ganzen Tafelrunde der schweigsamste.

Das Gespräch, das sich meist um Kriegsabenteuer und Hofgeschichten
drehte, sagte ihm wenig zu, auch fand er größeres Vergnügen daran, die
immer lebhafter werdenden Kollegen und namentlich den Fürsten zu beobachten
und im Stillen seine Betrachtungen über die Wirkung des Weins auf die
verschiednen Temperamente anzustellen. Dabei dachte er immer an Leila und
konnte den Augenblick nicht erwarten, bis er wieder frei sein und endlich
wieder in ihre lieblichen Züge würde blicken können.

Meine Herren Doktvres, ließ sich jetzt der Pole vernehmen, lassen
Sie uns das erste Glas dieses unvergleichlichen Weines auf das Wohl der
Gräfin Potocka leeren, ans das Wohl des schönsten Weibes dieser Erde! Ja,
meine Herren, mit Vergunst -- was sind alle Frauen der Welt gegen meine
Polinnen und insbesondre gegen die Potocka! Kommen Sie nach Warschau,
oder uach Krakau, oder --

Verzeihen Euer Durchlaucht, wagte Justus zu entgegnen, man liest
allerdings in mancherlei Reisebeschreibungen, die Polinnen seien von hervor¬
ragender Schönheit, aber ich behaupte, daß sie von den Araberinnen an Lieb¬
reiz übertroffen werden!

Der Fürst lachte ans vollem Halse und warf in wohlwollender Laune
eine Hand voll Mandeln nach dem jungen Zweifler. Womit wollen Sie das
beweisen, lieber Freund? rief er, haben Sie überhaupt schon einmal eine
Araberin gesehen?

Durchlaucht, Kollege Hochstedt kennt sie aus seinen Büchern, scherzte der
alte Mathematiker.

Justus fühlte, wie sich sein Antlitz mit purpurnem Not überzog. Der
feurige Wein pochte in seinen Adern.

Allerdings, meine Herren, rief er, bin ich in der Lage, über die Schönheit
der Araberinnen zu urteilen, und wenn Sie sich der Mühe unterziehen wollten,
wich zu begleiten, so würde ich Ihnen ein Mädchen arabischen Stammes zeigen
können, das an Schönheit und Anmut alle Frauen des Westens, einschließlich
der Polinnen -- er warf dem Fürsten einen vielsagende" Blick zu -- übertrifft.


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warf einen verzweifelten Blick mich der Kammerthür, und zu seinem Schrecken
bemerkte er, daß die eilte Suse, die sich an ihm vorbeigedrängt hatte, sich mit
verdächtig forschenden Blick der Thür zuwandte. Er packte die Alte am Arm
und drängte sie zum Zimmer hinaus. Dabei rief er: Gleich, gleich, Herr Pro¬
fessor, nur noch die Halskrause! So — nun bin ich fertig, nun wollen wir gehn!

Er schloß die Thüre hinter sich ab und bedeutete die Alte, die mit
Besen und Eimer bereit stund, einzudringen, für hente sei es zu spät, und
stürmte dem Professor voraus die Treppe hinab.

Bald war er inmitten der Festgesellschaft. Der Ungarwein suchte seines¬
gleichen, aber die Unterhaltung ließ manches zu wünschen übrig. Der junge
Gelehrte war von der ganzen Tafelrunde der schweigsamste.

Das Gespräch, das sich meist um Kriegsabenteuer und Hofgeschichten
drehte, sagte ihm wenig zu, auch fand er größeres Vergnügen daran, die
immer lebhafter werdenden Kollegen und namentlich den Fürsten zu beobachten
und im Stillen seine Betrachtungen über die Wirkung des Weins auf die
verschiednen Temperamente anzustellen. Dabei dachte er immer an Leila und
konnte den Augenblick nicht erwarten, bis er wieder frei sein und endlich
wieder in ihre lieblichen Züge würde blicken können.

Meine Herren Doktvres, ließ sich jetzt der Pole vernehmen, lassen
Sie uns das erste Glas dieses unvergleichlichen Weines auf das Wohl der
Gräfin Potocka leeren, ans das Wohl des schönsten Weibes dieser Erde! Ja,
meine Herren, mit Vergunst — was sind alle Frauen der Welt gegen meine
Polinnen und insbesondre gegen die Potocka! Kommen Sie nach Warschau,
oder uach Krakau, oder —

Verzeihen Euer Durchlaucht, wagte Justus zu entgegnen, man liest
allerdings in mancherlei Reisebeschreibungen, die Polinnen seien von hervor¬
ragender Schönheit, aber ich behaupte, daß sie von den Araberinnen an Lieb¬
reiz übertroffen werden!

Der Fürst lachte ans vollem Halse und warf in wohlwollender Laune
eine Hand voll Mandeln nach dem jungen Zweifler. Womit wollen Sie das
beweisen, lieber Freund? rief er, haben Sie überhaupt schon einmal eine
Araberin gesehen?

Durchlaucht, Kollege Hochstedt kennt sie aus seinen Büchern, scherzte der
alte Mathematiker.

Justus fühlte, wie sich sein Antlitz mit purpurnem Not überzog. Der
feurige Wein pochte in seinen Adern.

Allerdings, meine Herren, rief er, bin ich in der Lage, über die Schönheit
der Araberinnen zu urteilen, und wenn Sie sich der Mühe unterziehen wollten,
wich zu begleiten, so würde ich Ihnen ein Mädchen arabischen Stammes zeigen
können, das an Schönheit und Anmut alle Frauen des Westens, einschließlich
der Polinnen — er warf dem Fürsten einen vielsagende» Blick zu — übertrifft.


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[0386] warf einen verzweifelten Blick mich der Kammerthür, und zu seinem Schrecken bemerkte er, daß die eilte Suse, die sich an ihm vorbeigedrängt hatte, sich mit verdächtig forschenden Blick der Thür zuwandte. Er packte die Alte am Arm und drängte sie zum Zimmer hinaus. Dabei rief er: Gleich, gleich, Herr Pro¬ fessor, nur noch die Halskrause! So — nun bin ich fertig, nun wollen wir gehn! Er schloß die Thüre hinter sich ab und bedeutete die Alte, die mit Besen und Eimer bereit stund, einzudringen, für hente sei es zu spät, und stürmte dem Professor voraus die Treppe hinab. Bald war er inmitten der Festgesellschaft. Der Ungarwein suchte seines¬ gleichen, aber die Unterhaltung ließ manches zu wünschen übrig. Der junge Gelehrte war von der ganzen Tafelrunde der schweigsamste. Das Gespräch, das sich meist um Kriegsabenteuer und Hofgeschichten drehte, sagte ihm wenig zu, auch fand er größeres Vergnügen daran, die immer lebhafter werdenden Kollegen und namentlich den Fürsten zu beobachten und im Stillen seine Betrachtungen über die Wirkung des Weins auf die verschiednen Temperamente anzustellen. Dabei dachte er immer an Leila und konnte den Augenblick nicht erwarten, bis er wieder frei sein und endlich wieder in ihre lieblichen Züge würde blicken können. Meine Herren Doktvres, ließ sich jetzt der Pole vernehmen, lassen Sie uns das erste Glas dieses unvergleichlichen Weines auf das Wohl der Gräfin Potocka leeren, ans das Wohl des schönsten Weibes dieser Erde! Ja, meine Herren, mit Vergunst — was sind alle Frauen der Welt gegen meine Polinnen und insbesondre gegen die Potocka! Kommen Sie nach Warschau, oder uach Krakau, oder — Verzeihen Euer Durchlaucht, wagte Justus zu entgegnen, man liest allerdings in mancherlei Reisebeschreibungen, die Polinnen seien von hervor¬ ragender Schönheit, aber ich behaupte, daß sie von den Araberinnen an Lieb¬ reiz übertroffen werden! Der Fürst lachte ans vollem Halse und warf in wohlwollender Laune eine Hand voll Mandeln nach dem jungen Zweifler. Womit wollen Sie das beweisen, lieber Freund? rief er, haben Sie überhaupt schon einmal eine Araberin gesehen? Durchlaucht, Kollege Hochstedt kennt sie aus seinen Büchern, scherzte der alte Mathematiker. Justus fühlte, wie sich sein Antlitz mit purpurnem Not überzog. Der feurige Wein pochte in seinen Adern. Allerdings, meine Herren, rief er, bin ich in der Lage, über die Schönheit der Araberinnen zu urteilen, und wenn Sie sich der Mühe unterziehen wollten, wich zu begleiten, so würde ich Ihnen ein Mädchen arabischen Stammes zeigen können, das an Schönheit und Anmut alle Frauen des Westens, einschließlich der Polinnen — er warf dem Fürsten einen vielsagende» Blick zu — übertrifft. Grenzbole» N 1«W 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/386>, abgerufen am 23.07.2024.