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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leila die Uatzenprinzessiii

unzufrieden waren. Auch hatte es ihren Unwillen erregt, daß man die Bente
aus dem Korsarenschiff nicht verteilt hatte. Sie wiegelten daher die ganze
Schiffsmannschaft ans und scheuten sich nicht, ihre Mißstimmung offen an den
Tag zu legen. Der Admiral gab sich den Anschein, als beachtete er alle
diese Vorgänge nicht, und war entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. Den
zweiten Steuermann, der sich weigerte, seinen Befehlen Folge zu leisten, ließ
er im untersten Schiffsraum anketten, und einen Ruderknecht, der sich anschickte,
den Gefesseltei? zu befreien, schleuderte er mit eigner Hand ins Meer. Die
Erbitterung der Mannschaft wuchs von Stunde zu Stunde. Zweimal drang
eine Anzahl der Verwegensten bis zu seiner Kajüte vor und verlangte augen¬
blickliche Umkehr. Auch gegen mich wurden Schmähungen laut, da man mich
für die Ursache alles Unglücks hielt. Der Admiral fürchtete das schlimmste;
er betrat niemals das Deck ohne Degen und geladne Pistolen.

Da gedachte ich des Zaubermittels, das mir meine alte Dienerin bei
meiner Abreise zugesteckt hatte. Ich gab deu Zettel, auf dem die Löseformel
geschrieben stand, dem Admiral, las deu Zauberspruch und zerriß das Papier.
In wenigen Minuten war die Verwandlung vor sich gegangen. Ich war
eine Katze geworden! Mit drei Sprüngen erreichte ich die Treppe und ver¬
barg mich im untersten Schiffsraum zwischen den Ballen und Kisten, wo ich
mein Leben mit kümmerlicher Speise fristete.

In einer Nacht hatte ich mich unbemerkt auf Deck gewagt und erriet aus
dem Gespräche einiger Matrosen, daß man etwas schlimmes gegen den Ad¬
miral vorhatte. Ich wollte ihn warnen, fand aber die Thür seines Gelasses
verschlossen. Nach einigen Stunden bemerkte ich, wie die Meuterer bewaffnet
das Zwischendeck beträte", und sah den Schiffszimmermann die Kajütenthür
mit seinem schweren Hammer zertrümmern. Der Admiral wehrte sich ver¬
zweifelt, drei der Angreifer erlagen seiner Klinge. Aber schließlich ermattete
er. Man schleppte ihn auf Deck, fesselte ihn und warf den Hilflosen über
Bord. Mit ihm versank für mich die Möglichkeit, in menschliche Gestalt
zurückzukehren!

Die Meuterer kehrten nach Venedig zurück und berichteten dem Dogen,
daß der Admiral -- er hieß Alessandro Giustiniani -- im Kampfe mit den
Korsaren seinen Tod gefunden habe. Beim Ausschiffen der Ladung kam auch
ich ans Tageslicht. Ich erreichte in einer Gondel das Ufer und trieb mich
einige Tage lang auf einem großen, schöngepflasterten Platze umher, an dem
eine überaus prächtige Moschee stand, die von außen mit bunten Bildern ge¬
schmückt war, und vor der an hohen Masten Fahnen flatterten. Dort fand
mich ein Seidenhändler, der mich an sich lockte und mit nach Hause nahm.

Lange Zeit hatte ich bei diesem gelebt, als ihn eines Tages ein fremder
Kaufmann besuchte, mit dem er Geschäfte machte. Sie konnten wegen eines
Ballens Seide nicht handelseinig werden, da sagte der Fremde: Wißt ihr,


Leila die Uatzenprinzessiii

unzufrieden waren. Auch hatte es ihren Unwillen erregt, daß man die Bente
aus dem Korsarenschiff nicht verteilt hatte. Sie wiegelten daher die ganze
Schiffsmannschaft ans und scheuten sich nicht, ihre Mißstimmung offen an den
Tag zu legen. Der Admiral gab sich den Anschein, als beachtete er alle
diese Vorgänge nicht, und war entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. Den
zweiten Steuermann, der sich weigerte, seinen Befehlen Folge zu leisten, ließ
er im untersten Schiffsraum anketten, und einen Ruderknecht, der sich anschickte,
den Gefesseltei? zu befreien, schleuderte er mit eigner Hand ins Meer. Die
Erbitterung der Mannschaft wuchs von Stunde zu Stunde. Zweimal drang
eine Anzahl der Verwegensten bis zu seiner Kajüte vor und verlangte augen¬
blickliche Umkehr. Auch gegen mich wurden Schmähungen laut, da man mich
für die Ursache alles Unglücks hielt. Der Admiral fürchtete das schlimmste;
er betrat niemals das Deck ohne Degen und geladne Pistolen.

Da gedachte ich des Zaubermittels, das mir meine alte Dienerin bei
meiner Abreise zugesteckt hatte. Ich gab deu Zettel, auf dem die Löseformel
geschrieben stand, dem Admiral, las deu Zauberspruch und zerriß das Papier.
In wenigen Minuten war die Verwandlung vor sich gegangen. Ich war
eine Katze geworden! Mit drei Sprüngen erreichte ich die Treppe und ver¬
barg mich im untersten Schiffsraum zwischen den Ballen und Kisten, wo ich
mein Leben mit kümmerlicher Speise fristete.

In einer Nacht hatte ich mich unbemerkt auf Deck gewagt und erriet aus
dem Gespräche einiger Matrosen, daß man etwas schlimmes gegen den Ad¬
miral vorhatte. Ich wollte ihn warnen, fand aber die Thür seines Gelasses
verschlossen. Nach einigen Stunden bemerkte ich, wie die Meuterer bewaffnet
das Zwischendeck beträte», und sah den Schiffszimmermann die Kajütenthür
mit seinem schweren Hammer zertrümmern. Der Admiral wehrte sich ver¬
zweifelt, drei der Angreifer erlagen seiner Klinge. Aber schließlich ermattete
er. Man schleppte ihn auf Deck, fesselte ihn und warf den Hilflosen über
Bord. Mit ihm versank für mich die Möglichkeit, in menschliche Gestalt
zurückzukehren!

Die Meuterer kehrten nach Venedig zurück und berichteten dem Dogen,
daß der Admiral — er hieß Alessandro Giustiniani — im Kampfe mit den
Korsaren seinen Tod gefunden habe. Beim Ausschiffen der Ladung kam auch
ich ans Tageslicht. Ich erreichte in einer Gondel das Ufer und trieb mich
einige Tage lang auf einem großen, schöngepflasterten Platze umher, an dem
eine überaus prächtige Moschee stand, die von außen mit bunten Bildern ge¬
schmückt war, und vor der an hohen Masten Fahnen flatterten. Dort fand
mich ein Seidenhändler, der mich an sich lockte und mit nach Hause nahm.

Lange Zeit hatte ich bei diesem gelebt, als ihn eines Tages ein fremder
Kaufmann besuchte, mit dem er Geschäfte machte. Sie konnten wegen eines
Ballens Seide nicht handelseinig werden, da sagte der Fremde: Wißt ihr,


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[0337] Leila die Uatzenprinzessiii unzufrieden waren. Auch hatte es ihren Unwillen erregt, daß man die Bente aus dem Korsarenschiff nicht verteilt hatte. Sie wiegelten daher die ganze Schiffsmannschaft ans und scheuten sich nicht, ihre Mißstimmung offen an den Tag zu legen. Der Admiral gab sich den Anschein, als beachtete er alle diese Vorgänge nicht, und war entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. Den zweiten Steuermann, der sich weigerte, seinen Befehlen Folge zu leisten, ließ er im untersten Schiffsraum anketten, und einen Ruderknecht, der sich anschickte, den Gefesseltei? zu befreien, schleuderte er mit eigner Hand ins Meer. Die Erbitterung der Mannschaft wuchs von Stunde zu Stunde. Zweimal drang eine Anzahl der Verwegensten bis zu seiner Kajüte vor und verlangte augen¬ blickliche Umkehr. Auch gegen mich wurden Schmähungen laut, da man mich für die Ursache alles Unglücks hielt. Der Admiral fürchtete das schlimmste; er betrat niemals das Deck ohne Degen und geladne Pistolen. Da gedachte ich des Zaubermittels, das mir meine alte Dienerin bei meiner Abreise zugesteckt hatte. Ich gab deu Zettel, auf dem die Löseformel geschrieben stand, dem Admiral, las deu Zauberspruch und zerriß das Papier. In wenigen Minuten war die Verwandlung vor sich gegangen. Ich war eine Katze geworden! Mit drei Sprüngen erreichte ich die Treppe und ver¬ barg mich im untersten Schiffsraum zwischen den Ballen und Kisten, wo ich mein Leben mit kümmerlicher Speise fristete. In einer Nacht hatte ich mich unbemerkt auf Deck gewagt und erriet aus dem Gespräche einiger Matrosen, daß man etwas schlimmes gegen den Ad¬ miral vorhatte. Ich wollte ihn warnen, fand aber die Thür seines Gelasses verschlossen. Nach einigen Stunden bemerkte ich, wie die Meuterer bewaffnet das Zwischendeck beträte», und sah den Schiffszimmermann die Kajütenthür mit seinem schweren Hammer zertrümmern. Der Admiral wehrte sich ver¬ zweifelt, drei der Angreifer erlagen seiner Klinge. Aber schließlich ermattete er. Man schleppte ihn auf Deck, fesselte ihn und warf den Hilflosen über Bord. Mit ihm versank für mich die Möglichkeit, in menschliche Gestalt zurückzukehren! Die Meuterer kehrten nach Venedig zurück und berichteten dem Dogen, daß der Admiral — er hieß Alessandro Giustiniani — im Kampfe mit den Korsaren seinen Tod gefunden habe. Beim Ausschiffen der Ladung kam auch ich ans Tageslicht. Ich erreichte in einer Gondel das Ufer und trieb mich einige Tage lang auf einem großen, schöngepflasterten Platze umher, an dem eine überaus prächtige Moschee stand, die von außen mit bunten Bildern ge¬ schmückt war, und vor der an hohen Masten Fahnen flatterten. Dort fand mich ein Seidenhändler, der mich an sich lockte und mit nach Hause nahm. Lange Zeit hatte ich bei diesem gelebt, als ihn eines Tages ein fremder Kaufmann besuchte, mit dem er Geschäfte machte. Sie konnten wegen eines Ballens Seide nicht handelseinig werden, da sagte der Fremde: Wißt ihr,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/337>, abgerufen am 28.09.2024.