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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Freund, wie wir das Geschäft zum Abschluß bringen? Ihr gebt mir die An-
gorakatze zu, und ich bezahle euch die fünfhundert Zechinen, die ihr fordert!
Mein Herr willigte ein, der Kaufmann steckte mich in einen Korb und zog
mit mir von dannen. Nach einer langen und beschwerlichen Reise kam ich
endlich in diese Stadt, wo ich seitdem in Katzengestalt ein so bejammerns¬
wertes Leben geführt habe. Nun kennst dn meine Schicksale, sage mir nun,
was du mit mir zu thun gedenkst!

Was bleibt dir anders übrig, schöne Prinzessin, als mit der bescheidnen
Wohnung eines stillen Gelehrten vorlieb zu nehmen? entgegnete Justus. Nach
Hanse kannst du niemals zurückkehren, denn vor sechzig Jahren haben feind¬
liche Araberstämme die Stadt deines Vaters dem Erdboden gleich gemacht und
das Sultanat von Alkonda aufgehoben. Und was könnte dir daran liegen, in
einem Lande zu wohnen, in dem ein andres, dir völlig fremdes Geschlecht
herangewachsen ist, von dessen Gedanken dich ein ganzes Jahrhundert trennt?
Bleibe bei mir! Sei die Sonne, die meine Tage fröhlich macht, und der Stern,
der meine Nächte erhellt, sei der Palmbaum, unter dem ich Schatten suche,
und die Lilie, die mein Auge erfreut, sei der Fels, auf den ich meine Zukunft
gründe, und der Krystall, durch den ich die Welt in den Farben des Regen¬
bogens schaue! Du sollst glücklich werden, ich will alles thun, dein Herz zu
erfreuen. In drei Jahren kann ich Professor sein, dann kann ich dir Perlen
und Diamanten kaufen, deine weiße Stirn und deinen marmornen Hals zu
schmücken, und wem: erst meine arabische Grammatik erschienen sein wird,
dann will ich dir Gewänder schenken aus Sammet und Seide und einen Divan
aus himmelblauem Damast und Tabourets aus Ebenholz und Perlmutter!
Bleibe bei mir, wunderbare Leila!

Das Mädchen willigte ein, und den jungen Gelehrten überkam eine un¬
geahnte Glückseligkeit. Aber in diesen Rausch des Entzückens mischte sich die Be¬
sorgnis, ob es ihm auch gelingen würde, die Prinzessin vor der lästigen Neu¬
gierde der Außenwelt zu sichern und ihr alles das zu bieten, was zu ihrem
Wohlbefinden notwendig sein würde.

Verbirg dich jetzt, sagte er zu ihr, indem er ihr die Thür zu seiner
Kammer öffnete, und laß mich gehen, für alles zu sorgen, dessen du bedarfst.
Ruhe inzwischen aus, ich eile und bin in wenigen Stunden wieder bei dir.

Es war ihm, als träumte er, als die Schöne das Zimmer verlassen hatte,
und er um sann, was er zunächst thun solle, um in aller Heimlichkeit seinem
Gast einen würdigen Aufenthalt zu schaffen. Kein Mensch durfte ja erfahren,
daß im vierten Stock von "Küchenmeisters Hof" eine Prinzessin von Alkonda
wohnte!

Als er sich zum Ausgehen bereiten wollte, fiel sein Blick zufällig in den
alten halberblindeten Spiegel. Er blieb stehen und betrachtete sich genauer.
In der That: wenn er bedachte, welch vornehmes Wesen er in seinen Ränm-


Grenzbvten II 189Z 42

Freund, wie wir das Geschäft zum Abschluß bringen? Ihr gebt mir die An-
gorakatze zu, und ich bezahle euch die fünfhundert Zechinen, die ihr fordert!
Mein Herr willigte ein, der Kaufmann steckte mich in einen Korb und zog
mit mir von dannen. Nach einer langen und beschwerlichen Reise kam ich
endlich in diese Stadt, wo ich seitdem in Katzengestalt ein so bejammerns¬
wertes Leben geführt habe. Nun kennst dn meine Schicksale, sage mir nun,
was du mit mir zu thun gedenkst!

Was bleibt dir anders übrig, schöne Prinzessin, als mit der bescheidnen
Wohnung eines stillen Gelehrten vorlieb zu nehmen? entgegnete Justus. Nach
Hanse kannst du niemals zurückkehren, denn vor sechzig Jahren haben feind¬
liche Araberstämme die Stadt deines Vaters dem Erdboden gleich gemacht und
das Sultanat von Alkonda aufgehoben. Und was könnte dir daran liegen, in
einem Lande zu wohnen, in dem ein andres, dir völlig fremdes Geschlecht
herangewachsen ist, von dessen Gedanken dich ein ganzes Jahrhundert trennt?
Bleibe bei mir! Sei die Sonne, die meine Tage fröhlich macht, und der Stern,
der meine Nächte erhellt, sei der Palmbaum, unter dem ich Schatten suche,
und die Lilie, die mein Auge erfreut, sei der Fels, auf den ich meine Zukunft
gründe, und der Krystall, durch den ich die Welt in den Farben des Regen¬
bogens schaue! Du sollst glücklich werden, ich will alles thun, dein Herz zu
erfreuen. In drei Jahren kann ich Professor sein, dann kann ich dir Perlen
und Diamanten kaufen, deine weiße Stirn und deinen marmornen Hals zu
schmücken, und wem: erst meine arabische Grammatik erschienen sein wird,
dann will ich dir Gewänder schenken aus Sammet und Seide und einen Divan
aus himmelblauem Damast und Tabourets aus Ebenholz und Perlmutter!
Bleibe bei mir, wunderbare Leila!

Das Mädchen willigte ein, und den jungen Gelehrten überkam eine un¬
geahnte Glückseligkeit. Aber in diesen Rausch des Entzückens mischte sich die Be¬
sorgnis, ob es ihm auch gelingen würde, die Prinzessin vor der lästigen Neu¬
gierde der Außenwelt zu sichern und ihr alles das zu bieten, was zu ihrem
Wohlbefinden notwendig sein würde.

Verbirg dich jetzt, sagte er zu ihr, indem er ihr die Thür zu seiner
Kammer öffnete, und laß mich gehen, für alles zu sorgen, dessen du bedarfst.
Ruhe inzwischen aus, ich eile und bin in wenigen Stunden wieder bei dir.

Es war ihm, als träumte er, als die Schöne das Zimmer verlassen hatte,
und er um sann, was er zunächst thun solle, um in aller Heimlichkeit seinem
Gast einen würdigen Aufenthalt zu schaffen. Kein Mensch durfte ja erfahren,
daß im vierten Stock von „Küchenmeisters Hof" eine Prinzessin von Alkonda
wohnte!

Als er sich zum Ausgehen bereiten wollte, fiel sein Blick zufällig in den
alten halberblindeten Spiegel. Er blieb stehen und betrachtete sich genauer.
In der That: wenn er bedachte, welch vornehmes Wesen er in seinen Ränm-


Grenzbvten II 189Z 42
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[0338] Freund, wie wir das Geschäft zum Abschluß bringen? Ihr gebt mir die An- gorakatze zu, und ich bezahle euch die fünfhundert Zechinen, die ihr fordert! Mein Herr willigte ein, der Kaufmann steckte mich in einen Korb und zog mit mir von dannen. Nach einer langen und beschwerlichen Reise kam ich endlich in diese Stadt, wo ich seitdem in Katzengestalt ein so bejammerns¬ wertes Leben geführt habe. Nun kennst dn meine Schicksale, sage mir nun, was du mit mir zu thun gedenkst! Was bleibt dir anders übrig, schöne Prinzessin, als mit der bescheidnen Wohnung eines stillen Gelehrten vorlieb zu nehmen? entgegnete Justus. Nach Hanse kannst du niemals zurückkehren, denn vor sechzig Jahren haben feind¬ liche Araberstämme die Stadt deines Vaters dem Erdboden gleich gemacht und das Sultanat von Alkonda aufgehoben. Und was könnte dir daran liegen, in einem Lande zu wohnen, in dem ein andres, dir völlig fremdes Geschlecht herangewachsen ist, von dessen Gedanken dich ein ganzes Jahrhundert trennt? Bleibe bei mir! Sei die Sonne, die meine Tage fröhlich macht, und der Stern, der meine Nächte erhellt, sei der Palmbaum, unter dem ich Schatten suche, und die Lilie, die mein Auge erfreut, sei der Fels, auf den ich meine Zukunft gründe, und der Krystall, durch den ich die Welt in den Farben des Regen¬ bogens schaue! Du sollst glücklich werden, ich will alles thun, dein Herz zu erfreuen. In drei Jahren kann ich Professor sein, dann kann ich dir Perlen und Diamanten kaufen, deine weiße Stirn und deinen marmornen Hals zu schmücken, und wem: erst meine arabische Grammatik erschienen sein wird, dann will ich dir Gewänder schenken aus Sammet und Seide und einen Divan aus himmelblauem Damast und Tabourets aus Ebenholz und Perlmutter! Bleibe bei mir, wunderbare Leila! Das Mädchen willigte ein, und den jungen Gelehrten überkam eine un¬ geahnte Glückseligkeit. Aber in diesen Rausch des Entzückens mischte sich die Be¬ sorgnis, ob es ihm auch gelingen würde, die Prinzessin vor der lästigen Neu¬ gierde der Außenwelt zu sichern und ihr alles das zu bieten, was zu ihrem Wohlbefinden notwendig sein würde. Verbirg dich jetzt, sagte er zu ihr, indem er ihr die Thür zu seiner Kammer öffnete, und laß mich gehen, für alles zu sorgen, dessen du bedarfst. Ruhe inzwischen aus, ich eile und bin in wenigen Stunden wieder bei dir. Es war ihm, als träumte er, als die Schöne das Zimmer verlassen hatte, und er um sann, was er zunächst thun solle, um in aller Heimlichkeit seinem Gast einen würdigen Aufenthalt zu schaffen. Kein Mensch durfte ja erfahren, daß im vierten Stock von „Küchenmeisters Hof" eine Prinzessin von Alkonda wohnte! Als er sich zum Ausgehen bereiten wollte, fiel sein Blick zufällig in den alten halberblindeten Spiegel. Er blieb stehen und betrachtete sich genauer. In der That: wenn er bedachte, welch vornehmes Wesen er in seinen Ränm- Grenzbvten II 189Z 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/338>, abgerufen am 26.06.2024.