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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leila die Ratzenprinzessi"

was blieb nur, einem hilflosen Mädchen, weiter übrig, als mich in mein
Schicksal zu ergeben und ruhigen Sinnes den Fügungen Allahs entgegenzu¬
sehen? Als der Kapitän, ein stattlicher Greis, bemerkt hatte, daß ich über
seine Absichten unterrichtet war, ließ er sich bei mir melden und bat mich,
guter Dinge zu sein, da mir kein Leid widerfahren würde. Wir wissen, sagte
er, daß dn die Prinzessin Leila bist, die Tochter des Sultans, den Allah
segnen möge! Deshalb wollen wir dich schonen. Ich werde einige von meinen
Leuten wegen des' Lösegeldes an den Bey von Tunis senden, denn es wäre
unbillig, wenn wir von deinem Vater auch noch eine Summe Geldes ver¬
langen wollten, nachdem doch alle die kostbaren Geschenke, die du mit dir
führtest, in unsre Hände gefallen sind. Ich dankte dem wackern Greise für
seinen Edelmut und wartete auf die Rückkehr der Abgesandten, die in dem
größten unsrer Boote nach der Küste von Tunis hinübergerudert waren.

Am vierten oder fünften Tage kehrten sie mit der Antwort des Beys
zurück. Anfangs, so erzählte der Führer der Gesandtschaft, sei der Herrscher
sehr erfreut gewesen, als er die Kunde von meiner Ankunft vernommen, als
er aber von dem Lösegelde gehört habe, sei er aufs höchste erschrocken. Er lasse
mir daher sagen, er schätze sich glücklich, daß die Prinzessin von Alkonda ihn,
den niedrigsten aller Sterblichen, ihres Vertrauens gewürdigt habe, aber er
sehe in der überaus beklagenswerten Schicksalsfügung einen Wink Allahs, daß
er nicht wert sei, die Rose aus dem Lande der Zwillingsströme zu heiraten.
Er wünsche mir daher eine glückliche Heimreise und werde mich an jedem
Abend in sein Gebet einschließen.

So sahen sich die Korsaren doch genötigt, meinen Vater mit der Bitte
um Auslösung zu belästigen, und beschlossen den nächsten Westwind zur Rück¬
fahrt zu benutzen. Aber es kam ganz anders. Kaum hatten wir die Höhe
von Malta erreicht, als der Matrose, der im Mastkorbe Wache hielt, ein
Schiff bemerkte, das mit vollen Segeln pfeilschnell auf uns zusteuerte. Unser
Kapitän erschien auf Deck und betrachtete das fremde Fahrzeug mit besorgten
Blicken. Dann rief er die Matrosen zusammen und eröffnete ihnen, sie möchten
sich auf das schlimmste gefaßt machen, da das fremde Fahrzeug eine Staats¬
galeere der Republik Venedig sei, die in den tunesischen Gewässern Jagd auf
Korsaren mache. Er bewaffnete die ganze Mannschaft, ließ die Mörser laden
und befahl mir und den Meinigen, in den untersten Raum hinabzusteigen.
Kurze Zeit darauf hörten wir in unserm finstern Versteck das dumpfe Dröhnen
der Geschütze und das Pfeifen der Musketenkugeln, die in das Holzwerk ein¬
schlugen. Dazwischen konnten wir die Kommandorufe des Kapitäns und das
Hin- und Hereilen der Mannschaft über uns deutlich vernehmen. Dann blieb
es eine Weile still.

Ich war die Treppe hinaufgestiegen und spähte durch eine kleine Seitenluke,
da mir die Ungewißheit über mein Schicksal unerträglich war. Da sah ich den


Leila die Ratzenprinzessi»

was blieb nur, einem hilflosen Mädchen, weiter übrig, als mich in mein
Schicksal zu ergeben und ruhigen Sinnes den Fügungen Allahs entgegenzu¬
sehen? Als der Kapitän, ein stattlicher Greis, bemerkt hatte, daß ich über
seine Absichten unterrichtet war, ließ er sich bei mir melden und bat mich,
guter Dinge zu sein, da mir kein Leid widerfahren würde. Wir wissen, sagte
er, daß dn die Prinzessin Leila bist, die Tochter des Sultans, den Allah
segnen möge! Deshalb wollen wir dich schonen. Ich werde einige von meinen
Leuten wegen des' Lösegeldes an den Bey von Tunis senden, denn es wäre
unbillig, wenn wir von deinem Vater auch noch eine Summe Geldes ver¬
langen wollten, nachdem doch alle die kostbaren Geschenke, die du mit dir
führtest, in unsre Hände gefallen sind. Ich dankte dem wackern Greise für
seinen Edelmut und wartete auf die Rückkehr der Abgesandten, die in dem
größten unsrer Boote nach der Küste von Tunis hinübergerudert waren.

Am vierten oder fünften Tage kehrten sie mit der Antwort des Beys
zurück. Anfangs, so erzählte der Führer der Gesandtschaft, sei der Herrscher
sehr erfreut gewesen, als er die Kunde von meiner Ankunft vernommen, als
er aber von dem Lösegelde gehört habe, sei er aufs höchste erschrocken. Er lasse
mir daher sagen, er schätze sich glücklich, daß die Prinzessin von Alkonda ihn,
den niedrigsten aller Sterblichen, ihres Vertrauens gewürdigt habe, aber er
sehe in der überaus beklagenswerten Schicksalsfügung einen Wink Allahs, daß
er nicht wert sei, die Rose aus dem Lande der Zwillingsströme zu heiraten.
Er wünsche mir daher eine glückliche Heimreise und werde mich an jedem
Abend in sein Gebet einschließen.

So sahen sich die Korsaren doch genötigt, meinen Vater mit der Bitte
um Auslösung zu belästigen, und beschlossen den nächsten Westwind zur Rück¬
fahrt zu benutzen. Aber es kam ganz anders. Kaum hatten wir die Höhe
von Malta erreicht, als der Matrose, der im Mastkorbe Wache hielt, ein
Schiff bemerkte, das mit vollen Segeln pfeilschnell auf uns zusteuerte. Unser
Kapitän erschien auf Deck und betrachtete das fremde Fahrzeug mit besorgten
Blicken. Dann rief er die Matrosen zusammen und eröffnete ihnen, sie möchten
sich auf das schlimmste gefaßt machen, da das fremde Fahrzeug eine Staats¬
galeere der Republik Venedig sei, die in den tunesischen Gewässern Jagd auf
Korsaren mache. Er bewaffnete die ganze Mannschaft, ließ die Mörser laden
und befahl mir und den Meinigen, in den untersten Raum hinabzusteigen.
Kurze Zeit darauf hörten wir in unserm finstern Versteck das dumpfe Dröhnen
der Geschütze und das Pfeifen der Musketenkugeln, die in das Holzwerk ein¬
schlugen. Dazwischen konnten wir die Kommandorufe des Kapitäns und das
Hin- und Hereilen der Mannschaft über uns deutlich vernehmen. Dann blieb
es eine Weile still.

Ich war die Treppe hinaufgestiegen und spähte durch eine kleine Seitenluke,
da mir die Ungewißheit über mein Schicksal unerträglich war. Da sah ich den


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[0335] Leila die Ratzenprinzessi» was blieb nur, einem hilflosen Mädchen, weiter übrig, als mich in mein Schicksal zu ergeben und ruhigen Sinnes den Fügungen Allahs entgegenzu¬ sehen? Als der Kapitän, ein stattlicher Greis, bemerkt hatte, daß ich über seine Absichten unterrichtet war, ließ er sich bei mir melden und bat mich, guter Dinge zu sein, da mir kein Leid widerfahren würde. Wir wissen, sagte er, daß dn die Prinzessin Leila bist, die Tochter des Sultans, den Allah segnen möge! Deshalb wollen wir dich schonen. Ich werde einige von meinen Leuten wegen des' Lösegeldes an den Bey von Tunis senden, denn es wäre unbillig, wenn wir von deinem Vater auch noch eine Summe Geldes ver¬ langen wollten, nachdem doch alle die kostbaren Geschenke, die du mit dir führtest, in unsre Hände gefallen sind. Ich dankte dem wackern Greise für seinen Edelmut und wartete auf die Rückkehr der Abgesandten, die in dem größten unsrer Boote nach der Küste von Tunis hinübergerudert waren. Am vierten oder fünften Tage kehrten sie mit der Antwort des Beys zurück. Anfangs, so erzählte der Führer der Gesandtschaft, sei der Herrscher sehr erfreut gewesen, als er die Kunde von meiner Ankunft vernommen, als er aber von dem Lösegelde gehört habe, sei er aufs höchste erschrocken. Er lasse mir daher sagen, er schätze sich glücklich, daß die Prinzessin von Alkonda ihn, den niedrigsten aller Sterblichen, ihres Vertrauens gewürdigt habe, aber er sehe in der überaus beklagenswerten Schicksalsfügung einen Wink Allahs, daß er nicht wert sei, die Rose aus dem Lande der Zwillingsströme zu heiraten. Er wünsche mir daher eine glückliche Heimreise und werde mich an jedem Abend in sein Gebet einschließen. So sahen sich die Korsaren doch genötigt, meinen Vater mit der Bitte um Auslösung zu belästigen, und beschlossen den nächsten Westwind zur Rück¬ fahrt zu benutzen. Aber es kam ganz anders. Kaum hatten wir die Höhe von Malta erreicht, als der Matrose, der im Mastkorbe Wache hielt, ein Schiff bemerkte, das mit vollen Segeln pfeilschnell auf uns zusteuerte. Unser Kapitän erschien auf Deck und betrachtete das fremde Fahrzeug mit besorgten Blicken. Dann rief er die Matrosen zusammen und eröffnete ihnen, sie möchten sich auf das schlimmste gefaßt machen, da das fremde Fahrzeug eine Staats¬ galeere der Republik Venedig sei, die in den tunesischen Gewässern Jagd auf Korsaren mache. Er bewaffnete die ganze Mannschaft, ließ die Mörser laden und befahl mir und den Meinigen, in den untersten Raum hinabzusteigen. Kurze Zeit darauf hörten wir in unserm finstern Versteck das dumpfe Dröhnen der Geschütze und das Pfeifen der Musketenkugeln, die in das Holzwerk ein¬ schlugen. Dazwischen konnten wir die Kommandorufe des Kapitäns und das Hin- und Hereilen der Mannschaft über uns deutlich vernehmen. Dann blieb es eine Weile still. Ich war die Treppe hinaufgestiegen und spähte durch eine kleine Seitenluke, da mir die Ungewißheit über mein Schicksal unerträglich war. Da sah ich den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/335>, abgerufen am 27.08.2024.