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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leila die Katzeiiprin^essin

waren, in einen Ärmel meines Gewandes. In der Frühe des nächsten Morgens
brachen wir auf. Zwei prächtig geschmückte Lastkamele trugen die Sänfte, die
ich besteigen sollte, und ans weitern zwanzig Kamelen und einigen Maultieren
folgten meine Sklavinnen und die Geschenke, die ich meinem zukünftigen Ge¬
mahl überbringen sollte. Mein Vater, der Großwesir und fünfhundert Be¬
waffnete gaben uns zu Roß das Geleit bis zum Meere. In Jaffa kehrten
sie um, und ich bestieg mit meiner Umgebung das türkische Schiff, das uns
nach Tunis bringen sollte.

Daß ich bei den tausend neuen Eindrücken den Schmerz der Trennung
von den Meinigen kaum empfand, brauche ich dir wohl nicht zu sagen. Wenn
mir schon die Landreise durch mancherlei Städte, Dörfer und Wüsten höchst
merkwürdig erschienen war, wie wunderbar war mir erst das Leben im Hafen
und auf dem Meere selbst! Mein Vater hatte auf dem Vorderdeck des Schiffs
für mich ein Zelt aus kostbaren Stoffen erbauen lassen, das mich den übrigen
Reisegefährten verbarg, mir selbst jedoch den Ausblick aus das unermeßliche
Meer gestattete. Den ganzen Tag über war es windstill gewesen. Am Abend
aber, kurz nach Sonnenuntergang, da alle, die an Bord waren, ihr Gebet
verrichteten, erhob sich ein frischer Segelwind. Der Kapitän ließ die Anker
lichten, und langsam rauschte unser Schiff aus dem Gewirr der Museen und
Segel in das offne Meer hinaus. Wir hatten das günstigste Wetter zu unsrer
Fahrt, und bald war der letzte Streif der Küste unsern Augen entschwunden.

Ich verbrachte die Nächte ans Deck und ergötzte mich in meinem Zelte
an den Gesängen und Märchen, mit denen sich das Schiffsvolk unterhielt.
Erst gegen Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, wo es stets kühl zu werden
begann, zog ich mich in meine Kajüte zurück. Damals lernte ich die Bedeu¬
tung meines Namens kennen. Weißt dn, was Leila heißt? Es bedeutet "stern¬
helle Nacht" und ist der schönste Kosename, den die Dichter des glücklichen
Arabiens in ihren Liedern zu gebrauchen wissen.

Sie sah einen Augenblick schweigend zu Boden. Ja, fuhr sie fort, Leila,
die sternhelle Nacht! Dann blickte sie Justus um und schüttelte traurig ihr
schönes Haupt.

Du verstehst das nicht, sagte sie, dn weißt nicht, was eine sternhelle
Nacht ist. Hier bei euch scheinen die Sterne so kalt, so bleich; mich fröstelt,
wenn ich dran denke!

Wir mochten wohl zehn oder zwölf Tage gefahren sein, als mir einer
meiner Sklaven im Vertrauen mitteilte, er habe Gelegenheit gehabt, die Ge¬
spräche der Steuerleute zu belauschen, und habe dabei erfahren, daß wir uns
in den Händen eines Korsaren befänden. Das Schiff habe unter falscher
Flagge im Hafen von Jaffa gelegen, und der Führer, ein gefürchteter Pirat,
beabsichtige, mich gefangen zu halten und von dem Bey von Tunis ein be¬
deutendes Lösegeld zu erpressen. Mein Schrecken war unbeschreiblich, allein


Leila die Katzeiiprin^essin

waren, in einen Ärmel meines Gewandes. In der Frühe des nächsten Morgens
brachen wir auf. Zwei prächtig geschmückte Lastkamele trugen die Sänfte, die
ich besteigen sollte, und ans weitern zwanzig Kamelen und einigen Maultieren
folgten meine Sklavinnen und die Geschenke, die ich meinem zukünftigen Ge¬
mahl überbringen sollte. Mein Vater, der Großwesir und fünfhundert Be¬
waffnete gaben uns zu Roß das Geleit bis zum Meere. In Jaffa kehrten
sie um, und ich bestieg mit meiner Umgebung das türkische Schiff, das uns
nach Tunis bringen sollte.

Daß ich bei den tausend neuen Eindrücken den Schmerz der Trennung
von den Meinigen kaum empfand, brauche ich dir wohl nicht zu sagen. Wenn
mir schon die Landreise durch mancherlei Städte, Dörfer und Wüsten höchst
merkwürdig erschienen war, wie wunderbar war mir erst das Leben im Hafen
und auf dem Meere selbst! Mein Vater hatte auf dem Vorderdeck des Schiffs
für mich ein Zelt aus kostbaren Stoffen erbauen lassen, das mich den übrigen
Reisegefährten verbarg, mir selbst jedoch den Ausblick aus das unermeßliche
Meer gestattete. Den ganzen Tag über war es windstill gewesen. Am Abend
aber, kurz nach Sonnenuntergang, da alle, die an Bord waren, ihr Gebet
verrichteten, erhob sich ein frischer Segelwind. Der Kapitän ließ die Anker
lichten, und langsam rauschte unser Schiff aus dem Gewirr der Museen und
Segel in das offne Meer hinaus. Wir hatten das günstigste Wetter zu unsrer
Fahrt, und bald war der letzte Streif der Küste unsern Augen entschwunden.

Ich verbrachte die Nächte ans Deck und ergötzte mich in meinem Zelte
an den Gesängen und Märchen, mit denen sich das Schiffsvolk unterhielt.
Erst gegen Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, wo es stets kühl zu werden
begann, zog ich mich in meine Kajüte zurück. Damals lernte ich die Bedeu¬
tung meines Namens kennen. Weißt dn, was Leila heißt? Es bedeutet „stern¬
helle Nacht" und ist der schönste Kosename, den die Dichter des glücklichen
Arabiens in ihren Liedern zu gebrauchen wissen.

Sie sah einen Augenblick schweigend zu Boden. Ja, fuhr sie fort, Leila,
die sternhelle Nacht! Dann blickte sie Justus um und schüttelte traurig ihr
schönes Haupt.

Du verstehst das nicht, sagte sie, dn weißt nicht, was eine sternhelle
Nacht ist. Hier bei euch scheinen die Sterne so kalt, so bleich; mich fröstelt,
wenn ich dran denke!

Wir mochten wohl zehn oder zwölf Tage gefahren sein, als mir einer
meiner Sklaven im Vertrauen mitteilte, er habe Gelegenheit gehabt, die Ge¬
spräche der Steuerleute zu belauschen, und habe dabei erfahren, daß wir uns
in den Händen eines Korsaren befänden. Das Schiff habe unter falscher
Flagge im Hafen von Jaffa gelegen, und der Führer, ein gefürchteter Pirat,
beabsichtige, mich gefangen zu halten und von dem Bey von Tunis ein be¬
deutendes Lösegeld zu erpressen. Mein Schrecken war unbeschreiblich, allein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/334>, abgerufen am 27.08.2024.