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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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könnte sie Ihnen doch binnen kurzen? erwünscht sein, wenn der deutsche Pastor
seine medizinischen Studien beendet haben und sich als Ihr Konkurrent hier
niederlassen wird.

Dr. Brand lachte und fragte ungläubig: Der Pastor Fischer?

Natürlich, wer sonst? Er hat sich vor drei Semestern unter der Hand
zum medizinischen Studium gemeldet und ist jetzt so gut wie fertig damit.

Grüßen Sie ihn, und ich wünsche ihm gute Verrichtung! rief Dr. Brand
dem Abgehenden nach.

Der kam wie gerufen, sagte der Kollege, als der Agent zur Thür hinaus
war, Sie hatten kein besseres Beispiel dafür sehen können, wie es in der
dritten Kategorie gemacht wird.

Nun, und was blieb Ihnen denn für die ersten zwei Jahre übrig, um
sich durchzuhelfen, wenn ich so geradezu fragen darf?

Was so nebenbei abfüllt, erwiderte er.

Aber da waren doch in Newhork, wenigstens vor zwanzig Jahren, für
den Arzt die Verhältnisse günstiger, und so dachte ich mir es auch hier im
Westen. Die zahlreichen deutschen Ärzte hatten dort eine Vereinigung zu
geistiger Anregung und gegenseitiger Aushilfe. Die wissenschaftlichen Abende
dort werden mir unvergeßlich bleiben, dazu die Hilfe, die die Apotheke und
das Hospital der Deutschen dem Praktiker gewährte, und der Rat, der einem
sosort bei jeder sich zeigenden Vakanz zu teil wurde.

Davon haben Sie hier das Gegenteil, erwiderte Dr. Brand: Kollegialität,
die über Brotneid erhaben wäre, und wissenschaftliches Interesse, das über die
Konkurrenzinteressen hinaushöbe, sind hier nicht zu finden, denn der Kampf
ums Dasein ist hier im Westen verschärft, auf die Spitze getrieben. Übrigens
fällt für den, der sich mit der nötigen Geduld zu- wappnen weiß und den
Liebhabereien seiner Landsleute etwas entgegenkommt, immer etwas ab. Der
Deutsche singt, turnt, tanzt, trinkt, schießt, legete und bildet für das alles
Vereine, und solchen Vereinen anzugehören, hat mich nicht so viel Selbstver¬
leugnung gekostet, als die geheime Ordenswirtschaft, mit der sie einen hier
sofort umgarnen, wenn sie merken, daß man noch frei ist. Wie oft wurde ich
gefragt: Gehören Sie denn nicht zu den Laien-Mris? zu den Druidenpriesteru?
zu den Pythiasrittern? Da müssen Sie beitreten. Doktor, wenn Sie Praxis
haben wollen, mindestens zu den Ott-Fellows und Massons. Dann erwiderte
ich: Da müßte ich sehr viel überflüssiges Geld haben, und wer wechselt denn
sein Ich wie einen Schlangenbalg? Ich bleibe deutscher Arzt, deutscher Aka¬
demiker, die Philister sollen mich nicht unterkriegen; höchstens trete ich einem
unsrer deutschen Vereine bei. Und dabei blieb es.

Und damit ging es auch? fragte ich einigermaßen gespannt.

Wie Sie sehen und sich selbst überzengen tonnen, wenigstens nach und
nach so ganz erträglich.


könnte sie Ihnen doch binnen kurzen? erwünscht sein, wenn der deutsche Pastor
seine medizinischen Studien beendet haben und sich als Ihr Konkurrent hier
niederlassen wird.

Dr. Brand lachte und fragte ungläubig: Der Pastor Fischer?

Natürlich, wer sonst? Er hat sich vor drei Semestern unter der Hand
zum medizinischen Studium gemeldet und ist jetzt so gut wie fertig damit.

Grüßen Sie ihn, und ich wünsche ihm gute Verrichtung! rief Dr. Brand
dem Abgehenden nach.

Der kam wie gerufen, sagte der Kollege, als der Agent zur Thür hinaus
war, Sie hatten kein besseres Beispiel dafür sehen können, wie es in der
dritten Kategorie gemacht wird.

Nun, und was blieb Ihnen denn für die ersten zwei Jahre übrig, um
sich durchzuhelfen, wenn ich so geradezu fragen darf?

Was so nebenbei abfüllt, erwiderte er.

Aber da waren doch in Newhork, wenigstens vor zwanzig Jahren, für
den Arzt die Verhältnisse günstiger, und so dachte ich mir es auch hier im
Westen. Die zahlreichen deutschen Ärzte hatten dort eine Vereinigung zu
geistiger Anregung und gegenseitiger Aushilfe. Die wissenschaftlichen Abende
dort werden mir unvergeßlich bleiben, dazu die Hilfe, die die Apotheke und
das Hospital der Deutschen dem Praktiker gewährte, und der Rat, der einem
sosort bei jeder sich zeigenden Vakanz zu teil wurde.

Davon haben Sie hier das Gegenteil, erwiderte Dr. Brand: Kollegialität,
die über Brotneid erhaben wäre, und wissenschaftliches Interesse, das über die
Konkurrenzinteressen hinaushöbe, sind hier nicht zu finden, denn der Kampf
ums Dasein ist hier im Westen verschärft, auf die Spitze getrieben. Übrigens
fällt für den, der sich mit der nötigen Geduld zu- wappnen weiß und den
Liebhabereien seiner Landsleute etwas entgegenkommt, immer etwas ab. Der
Deutsche singt, turnt, tanzt, trinkt, schießt, legete und bildet für das alles
Vereine, und solchen Vereinen anzugehören, hat mich nicht so viel Selbstver¬
leugnung gekostet, als die geheime Ordenswirtschaft, mit der sie einen hier
sofort umgarnen, wenn sie merken, daß man noch frei ist. Wie oft wurde ich
gefragt: Gehören Sie denn nicht zu den Laien-Mris? zu den Druidenpriesteru?
zu den Pythiasrittern? Da müssen Sie beitreten. Doktor, wenn Sie Praxis
haben wollen, mindestens zu den Ott-Fellows und Massons. Dann erwiderte
ich: Da müßte ich sehr viel überflüssiges Geld haben, und wer wechselt denn
sein Ich wie einen Schlangenbalg? Ich bleibe deutscher Arzt, deutscher Aka¬
demiker, die Philister sollen mich nicht unterkriegen; höchstens trete ich einem
unsrer deutschen Vereine bei. Und dabei blieb es.

Und damit ging es auch? fragte ich einigermaßen gespannt.

Wie Sie sehen und sich selbst überzengen tonnen, wenigstens nach und
nach so ganz erträglich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/318>, abgerufen am 26.08.2024.