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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Innere Kolonisation

Landeskulturbehörde, anstatt einer Germanisirungsinstanz. und überläßt einen
wesentlichen Teil ihrer bisherigen Funktionen der Generalkommission. Mit
andern Worten: man beschränke die Ansiedlungskommission auf den Teil ihrer
Aufgabe, dem sie ohnehin ihre ganze Neigung zugewandt hat und ihren Er¬
folg verdankt. Ihre Kolonisation möge in demselben Sinne gehandhabt werden,
wie der Große Kurfürst und seine Nachfolger Franzosen. Niederländer. Schweizer.
Pfälzer in ihre Länder herangezogen haben/") .... Man nehme ihr ab. was
ihr in der Hauptsache mißglückt ist: die Aufgabe, ostdeutschen Arbeitern und
.Kleinbauern Gelegenheit zur Versclbstündigung und zum billigen Landerwerb
zu gewähren. Seitdem die Generalkommissivn die Parzellirungen mit staat¬
lichen Mitteln befördert, ist jede Notwendigkeit weggefallen, jene Thätigkeit
fortzusetzen. Es bedarf weder des großen Apparats der Ansiedlungskommission,
noch auch beträchtlicher Opfer des Staates, um ein Werk der eigentlichen
innern Kolonisation zu vollbringen. Aus dieser Auffassung ergeben sich zwei
Praktische Forderungen. Man unterlasse es, fernerhin Kolonisten anzusetzen,
die nicht viel mehr für sich haben, als daß sie ordentliche Leute und Deutsche
siud. Es dürfen nur solche Ansiedler zugelassen werden, die sähig sind, ihre
neue Heimat durch ihre Ersparnisse und ihre Intelligenz zu befruchten.....
Ferner lasse man die Borschrift fallen, bei den Ankäufen nach nntionalpolitischen
Rücksichten zu verfahren, d. h. im wesentlichen nur von Polen zu laufen. Man
lasse jedes Gut zum Erwerbe zu, das sich zur Besiedlung eignet."

So hätte denn die Regierung den Weg beschritten, auf dem auch nach
unsrer Überzeugung allein nicht bloß die Landarbeiter- und die sonstigen
Agrarfragen, sondern überhaupt die sozialen Fragen gelöst werden können.
Wir haben früher einmal behauptet, große Landgüter seien nur dort möglich,
wo es entweder Hörige oder heimatloses proletarisches Tagelöhnergesindel giebt.
Das ist uns zwar sehr übel genommen, aber nicht widerlegt worden, kann
auch unter den Verhältnissen, wie sie jetzt vorherrschen, gar nicht widerlegt
werden. Erst der großartige Kolonisationsplan, den Gering entwickelt, er¬
öffnet die Aussicht auf einen Ausweg aus dem Dilemma. Die Arbeit auf
dem Rittergute soll mir Durchgangsstation zum Landcrwerb für strebsame
junge Leute sein. Das setzt jedoch -- und darin liegt die Schwierigkeit der
Ausführung -- erstens hohe Arbeitslöhne voraus, bei denen der Arbeiter
etwas sparen kann, und sodann Land in Fülle, wo immer neue kleine



Friedrich der Große hat einmal gesagt: "Es muß die faule und schläfrige Haus¬
haltung des Lnndmauns durch neues Blut korrigirt und dem Lande ein Exempel besserer
Wirtschaft gegeben werden." Vergl. Innere Kolonisation im Nordweste" Deutschlands
von Alfred Hugenberg. Straßburg, Karl Trübner, 1891. S. 448. Das sehr gründliche
Buch, das achte Heft der von Professor Knapp herausgegebnen Abhandlungen des staats-
wisseuschaftlicheu Seminars zu Straßbnrg, behandelt die Moorkolonien und giebt eine
genaue Beschreibung der Technik der Movrkultur.
Innere Kolonisation

Landeskulturbehörde, anstatt einer Germanisirungsinstanz. und überläßt einen
wesentlichen Teil ihrer bisherigen Funktionen der Generalkommission. Mit
andern Worten: man beschränke die Ansiedlungskommission auf den Teil ihrer
Aufgabe, dem sie ohnehin ihre ganze Neigung zugewandt hat und ihren Er¬
folg verdankt. Ihre Kolonisation möge in demselben Sinne gehandhabt werden,
wie der Große Kurfürst und seine Nachfolger Franzosen. Niederländer. Schweizer.
Pfälzer in ihre Länder herangezogen haben/") .... Man nehme ihr ab. was
ihr in der Hauptsache mißglückt ist: die Aufgabe, ostdeutschen Arbeitern und
.Kleinbauern Gelegenheit zur Versclbstündigung und zum billigen Landerwerb
zu gewähren. Seitdem die Generalkommissivn die Parzellirungen mit staat¬
lichen Mitteln befördert, ist jede Notwendigkeit weggefallen, jene Thätigkeit
fortzusetzen. Es bedarf weder des großen Apparats der Ansiedlungskommission,
noch auch beträchtlicher Opfer des Staates, um ein Werk der eigentlichen
innern Kolonisation zu vollbringen. Aus dieser Auffassung ergeben sich zwei
Praktische Forderungen. Man unterlasse es, fernerhin Kolonisten anzusetzen,
die nicht viel mehr für sich haben, als daß sie ordentliche Leute und Deutsche
siud. Es dürfen nur solche Ansiedler zugelassen werden, die sähig sind, ihre
neue Heimat durch ihre Ersparnisse und ihre Intelligenz zu befruchten.....
Ferner lasse man die Borschrift fallen, bei den Ankäufen nach nntionalpolitischen
Rücksichten zu verfahren, d. h. im wesentlichen nur von Polen zu laufen. Man
lasse jedes Gut zum Erwerbe zu, das sich zur Besiedlung eignet."

So hätte denn die Regierung den Weg beschritten, auf dem auch nach
unsrer Überzeugung allein nicht bloß die Landarbeiter- und die sonstigen
Agrarfragen, sondern überhaupt die sozialen Fragen gelöst werden können.
Wir haben früher einmal behauptet, große Landgüter seien nur dort möglich,
wo es entweder Hörige oder heimatloses proletarisches Tagelöhnergesindel giebt.
Das ist uns zwar sehr übel genommen, aber nicht widerlegt worden, kann
auch unter den Verhältnissen, wie sie jetzt vorherrschen, gar nicht widerlegt
werden. Erst der großartige Kolonisationsplan, den Gering entwickelt, er¬
öffnet die Aussicht auf einen Ausweg aus dem Dilemma. Die Arbeit auf
dem Rittergute soll mir Durchgangsstation zum Landcrwerb für strebsame
junge Leute sein. Das setzt jedoch — und darin liegt die Schwierigkeit der
Ausführung — erstens hohe Arbeitslöhne voraus, bei denen der Arbeiter
etwas sparen kann, und sodann Land in Fülle, wo immer neue kleine



Friedrich der Große hat einmal gesagt: „Es muß die faule und schläfrige Haus¬
haltung des Lnndmauns durch neues Blut korrigirt und dem Lande ein Exempel besserer
Wirtschaft gegeben werden." Vergl. Innere Kolonisation im Nordweste» Deutschlands
von Alfred Hugenberg. Straßburg, Karl Trübner, 1891. S. 448. Das sehr gründliche
Buch, das achte Heft der von Professor Knapp herausgegebnen Abhandlungen des staats-
wisseuschaftlicheu Seminars zu Straßbnrg, behandelt die Moorkolonien und giebt eine
genaue Beschreibung der Technik der Movrkultur.
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[0312] Innere Kolonisation Landeskulturbehörde, anstatt einer Germanisirungsinstanz. und überläßt einen wesentlichen Teil ihrer bisherigen Funktionen der Generalkommission. Mit andern Worten: man beschränke die Ansiedlungskommission auf den Teil ihrer Aufgabe, dem sie ohnehin ihre ganze Neigung zugewandt hat und ihren Er¬ folg verdankt. Ihre Kolonisation möge in demselben Sinne gehandhabt werden, wie der Große Kurfürst und seine Nachfolger Franzosen. Niederländer. Schweizer. Pfälzer in ihre Länder herangezogen haben/") .... Man nehme ihr ab. was ihr in der Hauptsache mißglückt ist: die Aufgabe, ostdeutschen Arbeitern und .Kleinbauern Gelegenheit zur Versclbstündigung und zum billigen Landerwerb zu gewähren. Seitdem die Generalkommissivn die Parzellirungen mit staat¬ lichen Mitteln befördert, ist jede Notwendigkeit weggefallen, jene Thätigkeit fortzusetzen. Es bedarf weder des großen Apparats der Ansiedlungskommission, noch auch beträchtlicher Opfer des Staates, um ein Werk der eigentlichen innern Kolonisation zu vollbringen. Aus dieser Auffassung ergeben sich zwei Praktische Forderungen. Man unterlasse es, fernerhin Kolonisten anzusetzen, die nicht viel mehr für sich haben, als daß sie ordentliche Leute und Deutsche siud. Es dürfen nur solche Ansiedler zugelassen werden, die sähig sind, ihre neue Heimat durch ihre Ersparnisse und ihre Intelligenz zu befruchten..... Ferner lasse man die Borschrift fallen, bei den Ankäufen nach nntionalpolitischen Rücksichten zu verfahren, d. h. im wesentlichen nur von Polen zu laufen. Man lasse jedes Gut zum Erwerbe zu, das sich zur Besiedlung eignet." So hätte denn die Regierung den Weg beschritten, auf dem auch nach unsrer Überzeugung allein nicht bloß die Landarbeiter- und die sonstigen Agrarfragen, sondern überhaupt die sozialen Fragen gelöst werden können. Wir haben früher einmal behauptet, große Landgüter seien nur dort möglich, wo es entweder Hörige oder heimatloses proletarisches Tagelöhnergesindel giebt. Das ist uns zwar sehr übel genommen, aber nicht widerlegt worden, kann auch unter den Verhältnissen, wie sie jetzt vorherrschen, gar nicht widerlegt werden. Erst der großartige Kolonisationsplan, den Gering entwickelt, er¬ öffnet die Aussicht auf einen Ausweg aus dem Dilemma. Die Arbeit auf dem Rittergute soll mir Durchgangsstation zum Landcrwerb für strebsame junge Leute sein. Das setzt jedoch — und darin liegt die Schwierigkeit der Ausführung — erstens hohe Arbeitslöhne voraus, bei denen der Arbeiter etwas sparen kann, und sodann Land in Fülle, wo immer neue kleine Friedrich der Große hat einmal gesagt: „Es muß die faule und schläfrige Haus¬ haltung des Lnndmauns durch neues Blut korrigirt und dem Lande ein Exempel besserer Wirtschaft gegeben werden." Vergl. Innere Kolonisation im Nordweste» Deutschlands von Alfred Hugenberg. Straßburg, Karl Trübner, 1891. S. 448. Das sehr gründliche Buch, das achte Heft der von Professor Knapp herausgegebnen Abhandlungen des staats- wisseuschaftlicheu Seminars zu Straßbnrg, behandelt die Moorkolonien und giebt eine genaue Beschreibung der Technik der Movrkultur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/312>, abgerufen am 23.07.2024.