Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Innere Kolonisation

ungünstiges Zeugnis ausstellt wie der Kolonie Pinschin. Erfolgreicher, glaubt
er, werde sich in Zukunft die Thätigkeit der "Rettungsbank," wie sie allge¬
mein genannt wird, gestalten, nachdem sie auf Grund des Rentengutsgesetzes
mit der Generalkommission zu Bromberg in Verbindung getreten ist. Die
Thätigkeit der Generalkommissionen bedürfe der privaten Ergänzung nach der
technischen wie nach der finanziellen Seite. Denn einmal verfügten sie nicht
über so viel technisch geschultes Personal, um alle Verkaufsanträge bewältigen
zu können, und die Herbeiziehung geeigneter Ansiedler sei überhaupt nicht ihre
Sache, andrerseits sei gerade dort, wo die Vermögenslage des Besitzers die
Parzellirung am dringendsten fordre, die Mitwirkung geeigneter Finanzinstitute
gar nicht zu entbehren.

So ergiebt sich denn der sonderbare Zustand, daß die Generalkommission
der Ansiedlungskommission nicht allein Konkurrenz macht, sondern den politischen
Zwecken dieser geradezu entgegenwirkt, denn da ihre Aufgabe rein wirtschaft¬
licher Art ist, so kauft und verkauft sie Land ohne Rücksicht auf die Natio¬
nalität der Verkäufer und der Käufer. Das sei, meint Gering, und wir
stimmen ihm bei, ein unerträglicher Zustand; es müsse daher eine angemessene
Arbeitsteilung für beide Behörden ausfindig gemacht werden.

"Dabei wird mau nicht den heftigen Widerstand außer Acht lassen dürfen,
den das Werk der Ansiedlungskonunisston bei der polnischen Bevölkerung ge¬
funden hat. Stellt man sich ans den Standpunkt, daß die polnisch redenden
Preußen als vollkommen gleichberechtigte Landsleute anzuerkennen sind, so wird
man in der That nicht umhin können, das verletzende nachzuempfinden, das
die heutige Form des der Ansiedlungskommission übertragnen Werkes besitzt.
Das Kränkende liegt aber mehr in der Form als in der Sache selbst. Die
deutsche Kolonisation tritt auf in der Form eines Kampfes gegen das Polen-
tum, während sie thatsächlich geeignet ist, den Wohlstand und die Kultur der
polnischen Landesteile, und namentlich auch der polnischem Bauern, in der
wirksamsten Weise zu heben. Noch steht deren wirtschaftliche Verfassung auf
einer sehr tiefen Stufe. Hier kann nur die Belehrung Wandel schaffen,
aber nicht die Belehrung durch Wort und Schrift, die bei den Bauern meist
wenig verschlägt, sondern durch das Beispiel, durch Errichtung von Muster¬
stätten des modernen bäuerlichen intensiven Betriebes." ")

"Macht man die Errichtung von solchen Kulturzentren zur eigentlichen
Aufgabe der Ansiedlungskommission, so ergiebt sich die Lösung der angedeuteten
Schwierigkeiten. Die Ansiedlungskommission gewinnt den Charakter einer



Überhaupt schuldet das Polentum der Regierung großen Dank für die "Verfolgung."
Adliche, Bauern und Bürger sind im Verteidigungskampfe ernsthaft, nüchtern und fleißig ge¬
worden und strengen alle Kräfte an, durch genossenschaftliche Selbsthilfe und gesteigerte Bil¬
dung ihren materiellen und nationalen Besitzstand zu behaupten; so wenigstens berichten die
von diesem Erfolge wenig erbauten dentschnationalen Eiferer von Zeit zu Zeit aus Posen.
Innere Kolonisation

ungünstiges Zeugnis ausstellt wie der Kolonie Pinschin. Erfolgreicher, glaubt
er, werde sich in Zukunft die Thätigkeit der „Rettungsbank," wie sie allge¬
mein genannt wird, gestalten, nachdem sie auf Grund des Rentengutsgesetzes
mit der Generalkommission zu Bromberg in Verbindung getreten ist. Die
Thätigkeit der Generalkommissionen bedürfe der privaten Ergänzung nach der
technischen wie nach der finanziellen Seite. Denn einmal verfügten sie nicht
über so viel technisch geschultes Personal, um alle Verkaufsanträge bewältigen
zu können, und die Herbeiziehung geeigneter Ansiedler sei überhaupt nicht ihre
Sache, andrerseits sei gerade dort, wo die Vermögenslage des Besitzers die
Parzellirung am dringendsten fordre, die Mitwirkung geeigneter Finanzinstitute
gar nicht zu entbehren.

So ergiebt sich denn der sonderbare Zustand, daß die Generalkommission
der Ansiedlungskommission nicht allein Konkurrenz macht, sondern den politischen
Zwecken dieser geradezu entgegenwirkt, denn da ihre Aufgabe rein wirtschaft¬
licher Art ist, so kauft und verkauft sie Land ohne Rücksicht auf die Natio¬
nalität der Verkäufer und der Käufer. Das sei, meint Gering, und wir
stimmen ihm bei, ein unerträglicher Zustand; es müsse daher eine angemessene
Arbeitsteilung für beide Behörden ausfindig gemacht werden.

„Dabei wird mau nicht den heftigen Widerstand außer Acht lassen dürfen,
den das Werk der Ansiedlungskonunisston bei der polnischen Bevölkerung ge¬
funden hat. Stellt man sich ans den Standpunkt, daß die polnisch redenden
Preußen als vollkommen gleichberechtigte Landsleute anzuerkennen sind, so wird
man in der That nicht umhin können, das verletzende nachzuempfinden, das
die heutige Form des der Ansiedlungskommission übertragnen Werkes besitzt.
Das Kränkende liegt aber mehr in der Form als in der Sache selbst. Die
deutsche Kolonisation tritt auf in der Form eines Kampfes gegen das Polen-
tum, während sie thatsächlich geeignet ist, den Wohlstand und die Kultur der
polnischen Landesteile, und namentlich auch der polnischem Bauern, in der
wirksamsten Weise zu heben. Noch steht deren wirtschaftliche Verfassung auf
einer sehr tiefen Stufe. Hier kann nur die Belehrung Wandel schaffen,
aber nicht die Belehrung durch Wort und Schrift, die bei den Bauern meist
wenig verschlägt, sondern durch das Beispiel, durch Errichtung von Muster¬
stätten des modernen bäuerlichen intensiven Betriebes." ")

„Macht man die Errichtung von solchen Kulturzentren zur eigentlichen
Aufgabe der Ansiedlungskommission, so ergiebt sich die Lösung der angedeuteten
Schwierigkeiten. Die Ansiedlungskommission gewinnt den Charakter einer



Überhaupt schuldet das Polentum der Regierung großen Dank für die „Verfolgung."
Adliche, Bauern und Bürger sind im Verteidigungskampfe ernsthaft, nüchtern und fleißig ge¬
worden und strengen alle Kräfte an, durch genossenschaftliche Selbsthilfe und gesteigerte Bil¬
dung ihren materiellen und nationalen Besitzstand zu behaupten; so wenigstens berichten die
von diesem Erfolge wenig erbauten dentschnationalen Eiferer von Zeit zu Zeit aus Posen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214766"/>
          <fw type="header" place="top"> Innere Kolonisation</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178"> ungünstiges Zeugnis ausstellt wie der Kolonie Pinschin. Erfolgreicher, glaubt<lb/>
er, werde sich in Zukunft die Thätigkeit der &#x201E;Rettungsbank," wie sie allge¬<lb/>
mein genannt wird, gestalten, nachdem sie auf Grund des Rentengutsgesetzes<lb/>
mit der Generalkommission zu Bromberg in Verbindung getreten ist. Die<lb/>
Thätigkeit der Generalkommissionen bedürfe der privaten Ergänzung nach der<lb/>
technischen wie nach der finanziellen Seite. Denn einmal verfügten sie nicht<lb/>
über so viel technisch geschultes Personal, um alle Verkaufsanträge bewältigen<lb/>
zu können, und die Herbeiziehung geeigneter Ansiedler sei überhaupt nicht ihre<lb/>
Sache, andrerseits sei gerade dort, wo die Vermögenslage des Besitzers die<lb/>
Parzellirung am dringendsten fordre, die Mitwirkung geeigneter Finanzinstitute<lb/>
gar nicht zu entbehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1180"> So ergiebt sich denn der sonderbare Zustand, daß die Generalkommission<lb/>
der Ansiedlungskommission nicht allein Konkurrenz macht, sondern den politischen<lb/>
Zwecken dieser geradezu entgegenwirkt, denn da ihre Aufgabe rein wirtschaft¬<lb/>
licher Art ist, so kauft und verkauft sie Land ohne Rücksicht auf die Natio¬<lb/>
nalität der Verkäufer und der Käufer. Das sei, meint Gering, und wir<lb/>
stimmen ihm bei, ein unerträglicher Zustand; es müsse daher eine angemessene<lb/>
Arbeitsteilung für beide Behörden ausfindig gemacht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1181"> &#x201E;Dabei wird mau nicht den heftigen Widerstand außer Acht lassen dürfen,<lb/>
den das Werk der Ansiedlungskonunisston bei der polnischen Bevölkerung ge¬<lb/>
funden hat. Stellt man sich ans den Standpunkt, daß die polnisch redenden<lb/>
Preußen als vollkommen gleichberechtigte Landsleute anzuerkennen sind, so wird<lb/>
man in der That nicht umhin können, das verletzende nachzuempfinden, das<lb/>
die heutige Form des der Ansiedlungskommission übertragnen Werkes besitzt.<lb/>
Das Kränkende liegt aber mehr in der Form als in der Sache selbst. Die<lb/>
deutsche Kolonisation tritt auf in der Form eines Kampfes gegen das Polen-<lb/>
tum, während sie thatsächlich geeignet ist, den Wohlstand und die Kultur der<lb/>
polnischen Landesteile, und namentlich auch der polnischem Bauern, in der<lb/>
wirksamsten Weise zu heben. Noch steht deren wirtschaftliche Verfassung auf<lb/>
einer sehr tiefen Stufe. Hier kann nur die Belehrung Wandel schaffen,<lb/>
aber nicht die Belehrung durch Wort und Schrift, die bei den Bauern meist<lb/>
wenig verschlägt, sondern durch das Beispiel, durch Errichtung von Muster¬<lb/>
stätten des modernen bäuerlichen intensiven Betriebes." ")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> &#x201E;Macht man die Errichtung von solchen Kulturzentren zur eigentlichen<lb/>
Aufgabe der Ansiedlungskommission, so ergiebt sich die Lösung der angedeuteten<lb/>
Schwierigkeiten.  Die Ansiedlungskommission gewinnt den Charakter einer</p><lb/>
          <note xml:id="FID_55" place="foot"> Überhaupt schuldet das Polentum der Regierung großen Dank für die &#x201E;Verfolgung."<lb/>
Adliche, Bauern und Bürger sind im Verteidigungskampfe ernsthaft, nüchtern und fleißig ge¬<lb/>
worden und strengen alle Kräfte an, durch genossenschaftliche Selbsthilfe und gesteigerte Bil¬<lb/>
dung ihren materiellen und nationalen Besitzstand zu behaupten; so wenigstens berichten die<lb/>
von diesem Erfolge wenig erbauten dentschnationalen Eiferer von Zeit zu Zeit aus Posen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] Innere Kolonisation ungünstiges Zeugnis ausstellt wie der Kolonie Pinschin. Erfolgreicher, glaubt er, werde sich in Zukunft die Thätigkeit der „Rettungsbank," wie sie allge¬ mein genannt wird, gestalten, nachdem sie auf Grund des Rentengutsgesetzes mit der Generalkommission zu Bromberg in Verbindung getreten ist. Die Thätigkeit der Generalkommissionen bedürfe der privaten Ergänzung nach der technischen wie nach der finanziellen Seite. Denn einmal verfügten sie nicht über so viel technisch geschultes Personal, um alle Verkaufsanträge bewältigen zu können, und die Herbeiziehung geeigneter Ansiedler sei überhaupt nicht ihre Sache, andrerseits sei gerade dort, wo die Vermögenslage des Besitzers die Parzellirung am dringendsten fordre, die Mitwirkung geeigneter Finanzinstitute gar nicht zu entbehren. So ergiebt sich denn der sonderbare Zustand, daß die Generalkommission der Ansiedlungskommission nicht allein Konkurrenz macht, sondern den politischen Zwecken dieser geradezu entgegenwirkt, denn da ihre Aufgabe rein wirtschaft¬ licher Art ist, so kauft und verkauft sie Land ohne Rücksicht auf die Natio¬ nalität der Verkäufer und der Käufer. Das sei, meint Gering, und wir stimmen ihm bei, ein unerträglicher Zustand; es müsse daher eine angemessene Arbeitsteilung für beide Behörden ausfindig gemacht werden. „Dabei wird mau nicht den heftigen Widerstand außer Acht lassen dürfen, den das Werk der Ansiedlungskonunisston bei der polnischen Bevölkerung ge¬ funden hat. Stellt man sich ans den Standpunkt, daß die polnisch redenden Preußen als vollkommen gleichberechtigte Landsleute anzuerkennen sind, so wird man in der That nicht umhin können, das verletzende nachzuempfinden, das die heutige Form des der Ansiedlungskommission übertragnen Werkes besitzt. Das Kränkende liegt aber mehr in der Form als in der Sache selbst. Die deutsche Kolonisation tritt auf in der Form eines Kampfes gegen das Polen- tum, während sie thatsächlich geeignet ist, den Wohlstand und die Kultur der polnischen Landesteile, und namentlich auch der polnischem Bauern, in der wirksamsten Weise zu heben. Noch steht deren wirtschaftliche Verfassung auf einer sehr tiefen Stufe. Hier kann nur die Belehrung Wandel schaffen, aber nicht die Belehrung durch Wort und Schrift, die bei den Bauern meist wenig verschlägt, sondern durch das Beispiel, durch Errichtung von Muster¬ stätten des modernen bäuerlichen intensiven Betriebes." ") „Macht man die Errichtung von solchen Kulturzentren zur eigentlichen Aufgabe der Ansiedlungskommission, so ergiebt sich die Lösung der angedeuteten Schwierigkeiten. Die Ansiedlungskommission gewinnt den Charakter einer Überhaupt schuldet das Polentum der Regierung großen Dank für die „Verfolgung." Adliche, Bauern und Bürger sind im Verteidigungskampfe ernsthaft, nüchtern und fleißig ge¬ worden und strengen alle Kräfte an, durch genossenschaftliche Selbsthilfe und gesteigerte Bil¬ dung ihren materiellen und nationalen Besitzstand zu behaupten; so wenigstens berichten die von diesem Erfolge wenig erbauten dentschnationalen Eiferer von Zeit zu Zeit aus Posen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/311>, abgerufen am 23.07.2024.