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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Die Militärvorlage und der Antrag Bennigsen

Will, die dem deutschen Volke aufgelegte neue Belastung. Wir Hütten geglaubt,
daß hierfür in erster Linie die vermehrte persönliche Belastung angeführt werden
würde. Es ist in der That nichts geringes, daß Tausende, die bisher vom
Militärdienst freiblieben, fortan dazu herangezogen werden sollen. Ans diesen
Punkt legt aber die Broschüre das wenigste Gewicht. Sie sagt: "Mag auch
diesen Leuten selbst das Freibleiben vom Dienst recht angenehm gewesen sein,
so kaun man doch vom staatswirtschaftlicheu Standpunkt aus -- auch in ihrem
eignen Interesse -- nur wünschen, daß sie den Heeresdienst ebenfalls durch¬
machen. Er ist doch zugleich eine treffliche Schule, sowohl für die körperlichen
Kräfte, wie für die staatsbürgerliche Erziehung! Gemeinsinn, Ordnungssinn,
mich Verwaltungssiun, und jedenfalls die Herrschaft über das eigne Ich wird
in dieser Schule erworben." Mau sieht hieraus, daß die persönliche Last doch
much ihre guten Seiten hat.

Dann bleibt also als die "unerschwingliche Last" nur das Geld übrig.
Die Broschüre berechnet, daß die jährlichen Kosten der Neubildung, alles in
allem gerechnet, 78 bis 80 Millionen betragen würden. Woher sollen diese
Kosten genommen werden?

Wir gestehen, daß diese Klage über die Kosten uus den schmerzlichsten
Eindruck gemacht hat. Wenn eine Partei, die sich vorzugsweise eine nationale
nennt, vor eine Frage dieser Art gestellt ist, dann, meinen wir, müßte sie
sagen: "Wo die Ehre und die Existenz unsers Vaterlandes in Frage steht,
kommt es auf die Kosten nicht an." Ist die Vermehrung unsers Heeres nicht
nötig, dann unterlasse man sie, weil sie eben nicht nötig ist. Aber zu sagen:
"Jawohl! sie wäre ganz gut, aber sie kostet zu viel!" -- das ist kläglich.

Bekanntlich hat die Reichsrcgierung zur Deckung der Kosten eine geringe
Erhöhung der Brau-, der Branntwein- und der Börsensteuer vorgeschlagen.
Da sagt nun die Broschüre: "Schon bei der ersten Lesung im Reichstage ist
klar geworden, daß die Brau- und Branntweinsteuer Aussicht auf Zustande¬
kommen uicht haben. Vorläufig bieten sich also nur die dreizehn Millionen
aus der Börsensteuer dar. Wo die übrigen Mittel herkommen sollen, ist noch
>n Dunkel gehüllt." Warum aber haben Brau- und Branntweinsteuer keine
Aussicht aus Erfolg? Stehen ihnen elementare Naturkräfte entgegen? Oder
sind etwa Bier und Schnaps das Nationalheiligtum der Deutschen, an das
nicht gerührt werden darf? Nein, die gedachten Gesetze haben keine Aussicht,
weil unsre Parlamentarier nicht den Mut habe", den kleinlichen Interessen
der Vier- und Schnapsinteressenten entgegenzutreten.

Aber die Broschüre ergeht sich noch in weitern erbaulichen Sätzen. Sie
tagt: "Es ist bei dieser Gelegenheit wieder scharf in Erscheinung getreten (!),
daß wir im Reiche angesichts der weit vorgeschritten landwirtschaftlichen,


genommene Berechnung schon deshalb als unrichtig, "'eil er davon ausgehe, daß 263000 Mann
Ehrlich eingestellt werden sollen.
Die Militärvorlage und der Antrag Bennigsen

Will, die dem deutschen Volke aufgelegte neue Belastung. Wir Hütten geglaubt,
daß hierfür in erster Linie die vermehrte persönliche Belastung angeführt werden
würde. Es ist in der That nichts geringes, daß Tausende, die bisher vom
Militärdienst freiblieben, fortan dazu herangezogen werden sollen. Ans diesen
Punkt legt aber die Broschüre das wenigste Gewicht. Sie sagt: „Mag auch
diesen Leuten selbst das Freibleiben vom Dienst recht angenehm gewesen sein,
so kaun man doch vom staatswirtschaftlicheu Standpunkt aus — auch in ihrem
eignen Interesse — nur wünschen, daß sie den Heeresdienst ebenfalls durch¬
machen. Er ist doch zugleich eine treffliche Schule, sowohl für die körperlichen
Kräfte, wie für die staatsbürgerliche Erziehung! Gemeinsinn, Ordnungssinn,
mich Verwaltungssiun, und jedenfalls die Herrschaft über das eigne Ich wird
in dieser Schule erworben." Mau sieht hieraus, daß die persönliche Last doch
much ihre guten Seiten hat.

Dann bleibt also als die „unerschwingliche Last" nur das Geld übrig.
Die Broschüre berechnet, daß die jährlichen Kosten der Neubildung, alles in
allem gerechnet, 78 bis 80 Millionen betragen würden. Woher sollen diese
Kosten genommen werden?

Wir gestehen, daß diese Klage über die Kosten uus den schmerzlichsten
Eindruck gemacht hat. Wenn eine Partei, die sich vorzugsweise eine nationale
nennt, vor eine Frage dieser Art gestellt ist, dann, meinen wir, müßte sie
sagen: „Wo die Ehre und die Existenz unsers Vaterlandes in Frage steht,
kommt es auf die Kosten nicht an." Ist die Vermehrung unsers Heeres nicht
nötig, dann unterlasse man sie, weil sie eben nicht nötig ist. Aber zu sagen:
„Jawohl! sie wäre ganz gut, aber sie kostet zu viel!" — das ist kläglich.

Bekanntlich hat die Reichsrcgierung zur Deckung der Kosten eine geringe
Erhöhung der Brau-, der Branntwein- und der Börsensteuer vorgeschlagen.
Da sagt nun die Broschüre: „Schon bei der ersten Lesung im Reichstage ist
klar geworden, daß die Brau- und Branntweinsteuer Aussicht auf Zustande¬
kommen uicht haben. Vorläufig bieten sich also nur die dreizehn Millionen
aus der Börsensteuer dar. Wo die übrigen Mittel herkommen sollen, ist noch
>n Dunkel gehüllt." Warum aber haben Brau- und Branntweinsteuer keine
Aussicht aus Erfolg? Stehen ihnen elementare Naturkräfte entgegen? Oder
sind etwa Bier und Schnaps das Nationalheiligtum der Deutschen, an das
nicht gerührt werden darf? Nein, die gedachten Gesetze haben keine Aussicht,
weil unsre Parlamentarier nicht den Mut habe», den kleinlichen Interessen
der Vier- und Schnapsinteressenten entgegenzutreten.

Aber die Broschüre ergeht sich noch in weitern erbaulichen Sätzen. Sie
tagt: „Es ist bei dieser Gelegenheit wieder scharf in Erscheinung getreten (!),
daß wir im Reiche angesichts der weit vorgeschritten landwirtschaftlichen,


genommene Berechnung schon deshalb als unrichtig, »'eil er davon ausgehe, daß 263000 Mann
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/181>, abgerufen am 24.07.2024.