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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Die lNilitLrvorlage und der Antrag Bennigsen

gewerblichen und Handclsentwicklnng eigentliche Objekte für ergiebigere Mittel-
beschaffung kaum mehr besitzen." Gleich darauf wird aber gesagt: Im Ver¬
gleich mit andern Staaten sind unsre "steuerlichen" (!) Verhältnisse noch leidlich
annehmbar. Es werden nämlich an direkten und indirekten Steuern auf den
Kopf der Bevölkerung gezahlt:

in Deutschland.............22 Mark,
in Frankreich.............58 "
in England..............43 "
in Italien..............34 "
in Österreich-Ungarn...........28 "
in Belgien..............27 " *
in Holland..............49 "

An ordentlichen Ausgaben für die Landesverteidigung werden gezahlt:

in Deutschland.............12 Mark,
in Frankreich.............32 "
in England..............26 "
in Italien..............22 "
in Österreich..............14 "

Angesichts dieser Thatsachen wagt uun die Broschüre in dem obigen Satze zu
sagen: Wir Deutschen sind bereits am Ende mit unsrer Steuerkraft! Wir
können nichts mehr zahlen!

Entschuldigend wird dann freilich noch gesagt, daß, wenn wir auch
nach jener Vergleichung am günstigsten gestellt seien, wir doch dafür sorgen
müßten, daß nicht eine Verschiebung dieses Verhältnisses zu unsern Ungunsten
eintrete. Nun würde die Neubildung, auch wenn man ihr die obige größte
Kostenberechnung zu Grunde legte, für den Kopf der deutscheu Bevölkerung eine
Mehrbelastung mit 1,60 Mark herbeiführen. In den obigen Tabellen würden
darnach für Deutschland an Stelle der Zahlen 22 und 12 die Zahlen 23,6
und 13,6 treten. Nun sehe man sich einmal die übrigen Zahlen an, und
dann fragen wir: Würde mit jener Änderung auch nur eine nennenswerte Ver¬
schiebung der Verhältnisse zu unsern Ungunsten eintreten?

Mit besonderen Nachdruck wird dann noch betont, daß um so mehr Spar¬
samkeit geboten sei, als im gegenwärtigen Augenblicke dem Reiche und dem
Staate für die Erfüllung aller Kulturzwecke "geradezu beschämende Ein¬
schränkungen" aufgezwungen seien. Nun kann man allerdings die Beschränkung
der Ausgaben für Knlturzwecke beschämend finden, wenn man bedenkt, daß das
deutsche Volk für Vier, Branntwein und Tabak mehr als zwei Milliarden
jährlich ausgiebt. Aber noch weit beschämender ist es doch, wenn ein Volk
da knausert, wo seine Ehre und seine Existenz auf dem Spiele steht. Würden
wir in einem Kriege besiegt, so würden wir uns für Kulturzwecke noch ganz
andre Beschränkungen auferlegen müssen.

Also weg mit der Geldfrage! Sie kommt bei der Frage einer Heeres¬
reform gar nicht in Betracht. Ist diese notwendig, so müssen sich die Mittel


Die lNilitLrvorlage und der Antrag Bennigsen

gewerblichen und Handclsentwicklnng eigentliche Objekte für ergiebigere Mittel-
beschaffung kaum mehr besitzen." Gleich darauf wird aber gesagt: Im Ver¬
gleich mit andern Staaten sind unsre „steuerlichen" (!) Verhältnisse noch leidlich
annehmbar. Es werden nämlich an direkten und indirekten Steuern auf den
Kopf der Bevölkerung gezahlt:

in Deutschland.............22 Mark,
in Frankreich.............58 „
in England..............43 „
in Italien..............34 „
in Österreich-Ungarn...........28 „
in Belgien..............27 „ *
in Holland..............49 „

An ordentlichen Ausgaben für die Landesverteidigung werden gezahlt:

in Deutschland.............12 Mark,
in Frankreich.............32 „
in England..............26 „
in Italien..............22 „
in Österreich..............14 „

Angesichts dieser Thatsachen wagt uun die Broschüre in dem obigen Satze zu
sagen: Wir Deutschen sind bereits am Ende mit unsrer Steuerkraft! Wir
können nichts mehr zahlen!

Entschuldigend wird dann freilich noch gesagt, daß, wenn wir auch
nach jener Vergleichung am günstigsten gestellt seien, wir doch dafür sorgen
müßten, daß nicht eine Verschiebung dieses Verhältnisses zu unsern Ungunsten
eintrete. Nun würde die Neubildung, auch wenn man ihr die obige größte
Kostenberechnung zu Grunde legte, für den Kopf der deutscheu Bevölkerung eine
Mehrbelastung mit 1,60 Mark herbeiführen. In den obigen Tabellen würden
darnach für Deutschland an Stelle der Zahlen 22 und 12 die Zahlen 23,6
und 13,6 treten. Nun sehe man sich einmal die übrigen Zahlen an, und
dann fragen wir: Würde mit jener Änderung auch nur eine nennenswerte Ver¬
schiebung der Verhältnisse zu unsern Ungunsten eintreten?

Mit besonderen Nachdruck wird dann noch betont, daß um so mehr Spar¬
samkeit geboten sei, als im gegenwärtigen Augenblicke dem Reiche und dem
Staate für die Erfüllung aller Kulturzwecke „geradezu beschämende Ein¬
schränkungen" aufgezwungen seien. Nun kann man allerdings die Beschränkung
der Ausgaben für Knlturzwecke beschämend finden, wenn man bedenkt, daß das
deutsche Volk für Vier, Branntwein und Tabak mehr als zwei Milliarden
jährlich ausgiebt. Aber noch weit beschämender ist es doch, wenn ein Volk
da knausert, wo seine Ehre und seine Existenz auf dem Spiele steht. Würden
wir in einem Kriege besiegt, so würden wir uns für Kulturzwecke noch ganz
andre Beschränkungen auferlegen müssen.

Also weg mit der Geldfrage! Sie kommt bei der Frage einer Heeres¬
reform gar nicht in Betracht. Ist diese notwendig, so müssen sich die Mittel


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[0182] Die lNilitLrvorlage und der Antrag Bennigsen gewerblichen und Handclsentwicklnng eigentliche Objekte für ergiebigere Mittel- beschaffung kaum mehr besitzen." Gleich darauf wird aber gesagt: Im Ver¬ gleich mit andern Staaten sind unsre „steuerlichen" (!) Verhältnisse noch leidlich annehmbar. Es werden nämlich an direkten und indirekten Steuern auf den Kopf der Bevölkerung gezahlt: in Deutschland.............22 Mark, in Frankreich.............58 „ in England..............43 „ in Italien..............34 „ in Österreich-Ungarn...........28 „ in Belgien..............27 „ * in Holland..............49 „ An ordentlichen Ausgaben für die Landesverteidigung werden gezahlt: in Deutschland.............12 Mark, in Frankreich.............32 „ in England..............26 „ in Italien..............22 „ in Österreich..............14 „ Angesichts dieser Thatsachen wagt uun die Broschüre in dem obigen Satze zu sagen: Wir Deutschen sind bereits am Ende mit unsrer Steuerkraft! Wir können nichts mehr zahlen! Entschuldigend wird dann freilich noch gesagt, daß, wenn wir auch nach jener Vergleichung am günstigsten gestellt seien, wir doch dafür sorgen müßten, daß nicht eine Verschiebung dieses Verhältnisses zu unsern Ungunsten eintrete. Nun würde die Neubildung, auch wenn man ihr die obige größte Kostenberechnung zu Grunde legte, für den Kopf der deutscheu Bevölkerung eine Mehrbelastung mit 1,60 Mark herbeiführen. In den obigen Tabellen würden darnach für Deutschland an Stelle der Zahlen 22 und 12 die Zahlen 23,6 und 13,6 treten. Nun sehe man sich einmal die übrigen Zahlen an, und dann fragen wir: Würde mit jener Änderung auch nur eine nennenswerte Ver¬ schiebung der Verhältnisse zu unsern Ungunsten eintreten? Mit besonderen Nachdruck wird dann noch betont, daß um so mehr Spar¬ samkeit geboten sei, als im gegenwärtigen Augenblicke dem Reiche und dem Staate für die Erfüllung aller Kulturzwecke „geradezu beschämende Ein¬ schränkungen" aufgezwungen seien. Nun kann man allerdings die Beschränkung der Ausgaben für Knlturzwecke beschämend finden, wenn man bedenkt, daß das deutsche Volk für Vier, Branntwein und Tabak mehr als zwei Milliarden jährlich ausgiebt. Aber noch weit beschämender ist es doch, wenn ein Volk da knausert, wo seine Ehre und seine Existenz auf dem Spiele steht. Würden wir in einem Kriege besiegt, so würden wir uns für Kulturzwecke noch ganz andre Beschränkungen auferlegen müssen. Also weg mit der Geldfrage! Sie kommt bei der Frage einer Heeres¬ reform gar nicht in Betracht. Ist diese notwendig, so müssen sich die Mittel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/182>, abgerufen am 23.07.2024.