Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Benuigsens. Das, was bei dein Anlage Bennigsen auch für den Laien völlig
klar ist, besteht darin, daß er eine geringere Zahl von Truppen einstellen will.
Nun ist ja die Truppenzahl allein im Kriege nicht entscheidend. Der Ausgang
der Schlachten hängt noch von mannigfachen andern Umstünden ab. Aber
diese Umstände haben wir nicht in der Hand, und es ist unzweifelhaft, daß
bei sonst gleichen Umständen die größere Zahl ein Übergewicht giebt. Wes¬
halb hätten denn sonst die Franzosen die Zahl ihrer Truppen so ungeheuer
vermehrt? Veuuigsen sagt, sein Vorschlag gewähre eine Friedenspräsenz von
539000 Mau"; das sei genug, denn die Franzosen hätten nur 525000 Mann.*)
Aber müssen wir nicht schon deshalb daran denken, sie zu überragen, weil wir,
much wenn wir mit Frankreich allein Krieg führen sollten, eine erkleckliche
Trnppenmasse nötig Hütten, um unsre Ostgrenzeu zu schützen? Jede Zahl, die
eine bestimmte Grenze zieht, ist natürlich mit einer gewissen Willkür gegriffen.
Eben deshalb ist es aber auch sehr gewagt und schließt eine große Verant¬
wortung ein, wenn bei Fragen dieser Art, an die sich möglicherweise das ganze
Geschick einer Nation knüpft, ein Parlament der Negierung gegenübertreten
und sagen will: Das ist genug! Man sollte in solchen Fragen der Regierung
die Verantwortung überlassen.

Ein besondres Gewicht legt Herr von Bennigsen auf den Einwand, daß
der Reformplan gar nicht ausführbar sei, weil sich, wenigstens in den nächsten
Jahren, die dazu nötigen Offiziere, Unteroffiziere und diensttauglichen Mann¬
schaften uicht finden würden. Mit der Frage, wo diese herkommen sollen, habe
Herr von Bennigsen -- so sagt die Broschüre -- die Militärverwaltung in
eine "ziemlich peinliche" Verlegenheit gesetzt. Die Militärverwaltung sagt: sie
werden sich finden. Herr von Bennigsen sagt: sie werden sich nicht finden.
Keine von beide" Voraussagen wird zu beweisen sein. Auch hier entsteht zu¬
nächst die Frage: Wo hat denu Frankreich die nötigen Offiziere und Mann¬
schaften für seine verhältnismäßig noch viel größere Vermehrung der Truppen
hergenommen? Und sollte das, was in Frankreich möglich ist, nicht auch bei
uns möglich sein? Aber gesetzt, Herr von Bennigsen Hütte Recht, und die
nötigen Menschen fänden sich uicht. Dann würde sich damit die Sache von
selbst korrigiren- Denn Offiziere und Unteroffiziere, die man nicht hat, wird
man auch nicht anstellen. Und wenn man keine Lehrmeister für die Soldaten
hat. so wird man auch die Soldaten nicht einberufen. Das Schlimmste wäre
also, daß das dafür bestimmte Geld in den Kassen liegen bliebe. Ist hiernach
die von Herrn von Bennigsen gehegte Besorgnis wohl ein Grund, von vorn¬
herein der Sache entgegenzutreten?")

Natürlich bildet den positiven Grund, weshalb mau die Sache ablehnen




Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bemerkt, nach dem Antrage Bennigsen würde
die französische Rekrutenquote knapp erreicht werden.
") Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet die von Herrn von Bennigsen vor-

Benuigsens. Das, was bei dein Anlage Bennigsen auch für den Laien völlig
klar ist, besteht darin, daß er eine geringere Zahl von Truppen einstellen will.
Nun ist ja die Truppenzahl allein im Kriege nicht entscheidend. Der Ausgang
der Schlachten hängt noch von mannigfachen andern Umstünden ab. Aber
diese Umstände haben wir nicht in der Hand, und es ist unzweifelhaft, daß
bei sonst gleichen Umständen die größere Zahl ein Übergewicht giebt. Wes¬
halb hätten denn sonst die Franzosen die Zahl ihrer Truppen so ungeheuer
vermehrt? Veuuigsen sagt, sein Vorschlag gewähre eine Friedenspräsenz von
539000 Mau»; das sei genug, denn die Franzosen hätten nur 525000 Mann.*)
Aber müssen wir nicht schon deshalb daran denken, sie zu überragen, weil wir,
much wenn wir mit Frankreich allein Krieg führen sollten, eine erkleckliche
Trnppenmasse nötig Hütten, um unsre Ostgrenzeu zu schützen? Jede Zahl, die
eine bestimmte Grenze zieht, ist natürlich mit einer gewissen Willkür gegriffen.
Eben deshalb ist es aber auch sehr gewagt und schließt eine große Verant¬
wortung ein, wenn bei Fragen dieser Art, an die sich möglicherweise das ganze
Geschick einer Nation knüpft, ein Parlament der Negierung gegenübertreten
und sagen will: Das ist genug! Man sollte in solchen Fragen der Regierung
die Verantwortung überlassen.

Ein besondres Gewicht legt Herr von Bennigsen auf den Einwand, daß
der Reformplan gar nicht ausführbar sei, weil sich, wenigstens in den nächsten
Jahren, die dazu nötigen Offiziere, Unteroffiziere und diensttauglichen Mann¬
schaften uicht finden würden. Mit der Frage, wo diese herkommen sollen, habe
Herr von Bennigsen — so sagt die Broschüre — die Militärverwaltung in
eine „ziemlich peinliche" Verlegenheit gesetzt. Die Militärverwaltung sagt: sie
werden sich finden. Herr von Bennigsen sagt: sie werden sich nicht finden.
Keine von beide» Voraussagen wird zu beweisen sein. Auch hier entsteht zu¬
nächst die Frage: Wo hat denu Frankreich die nötigen Offiziere und Mann¬
schaften für seine verhältnismäßig noch viel größere Vermehrung der Truppen
hergenommen? Und sollte das, was in Frankreich möglich ist, nicht auch bei
uns möglich sein? Aber gesetzt, Herr von Bennigsen Hütte Recht, und die
nötigen Menschen fänden sich uicht. Dann würde sich damit die Sache von
selbst korrigiren- Denn Offiziere und Unteroffiziere, die man nicht hat, wird
man auch nicht anstellen. Und wenn man keine Lehrmeister für die Soldaten
hat. so wird man auch die Soldaten nicht einberufen. Das Schlimmste wäre
also, daß das dafür bestimmte Geld in den Kassen liegen bliebe. Ist hiernach
die von Herrn von Bennigsen gehegte Besorgnis wohl ein Grund, von vorn¬
herein der Sache entgegenzutreten?")

Natürlich bildet den positiven Grund, weshalb mau die Sache ablehnen




Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bemerkt, nach dem Antrage Bennigsen würde
die französische Rekrutenquote knapp erreicht werden.
") Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet die von Herrn von Bennigsen vor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214636"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_713" prev="#ID_712"> Benuigsens. Das, was bei dein Anlage Bennigsen auch für den Laien völlig<lb/>
klar ist, besteht darin, daß er eine geringere Zahl von Truppen einstellen will.<lb/>
Nun ist ja die Truppenzahl allein im Kriege nicht entscheidend. Der Ausgang<lb/>
der Schlachten hängt noch von mannigfachen andern Umstünden ab. Aber<lb/>
diese Umstände haben wir nicht in der Hand, und es ist unzweifelhaft, daß<lb/>
bei sonst gleichen Umständen die größere Zahl ein Übergewicht giebt. Wes¬<lb/>
halb hätten denn sonst die Franzosen die Zahl ihrer Truppen so ungeheuer<lb/>
vermehrt? Veuuigsen sagt, sein Vorschlag gewähre eine Friedenspräsenz von<lb/>
539000 Mau»; das sei genug, denn die Franzosen hätten nur 525000 Mann.*)<lb/>
Aber müssen wir nicht schon deshalb daran denken, sie zu überragen, weil wir,<lb/>
much wenn wir mit Frankreich allein Krieg führen sollten, eine erkleckliche<lb/>
Trnppenmasse nötig Hütten, um unsre Ostgrenzeu zu schützen? Jede Zahl, die<lb/>
eine bestimmte Grenze zieht, ist natürlich mit einer gewissen Willkür gegriffen.<lb/>
Eben deshalb ist es aber auch sehr gewagt und schließt eine große Verant¬<lb/>
wortung ein, wenn bei Fragen dieser Art, an die sich möglicherweise das ganze<lb/>
Geschick einer Nation knüpft, ein Parlament der Negierung gegenübertreten<lb/>
und sagen will: Das ist genug! Man sollte in solchen Fragen der Regierung<lb/>
die Verantwortung überlassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_714"> Ein besondres Gewicht legt Herr von Bennigsen auf den Einwand, daß<lb/>
der Reformplan gar nicht ausführbar sei, weil sich, wenigstens in den nächsten<lb/>
Jahren, die dazu nötigen Offiziere, Unteroffiziere und diensttauglichen Mann¬<lb/>
schaften uicht finden würden. Mit der Frage, wo diese herkommen sollen, habe<lb/>
Herr von Bennigsen &#x2014; so sagt die Broschüre &#x2014; die Militärverwaltung in<lb/>
eine &#x201E;ziemlich peinliche" Verlegenheit gesetzt. Die Militärverwaltung sagt: sie<lb/>
werden sich finden. Herr von Bennigsen sagt: sie werden sich nicht finden.<lb/>
Keine von beide» Voraussagen wird zu beweisen sein. Auch hier entsteht zu¬<lb/>
nächst die Frage: Wo hat denu Frankreich die nötigen Offiziere und Mann¬<lb/>
schaften für seine verhältnismäßig noch viel größere Vermehrung der Truppen<lb/>
hergenommen? Und sollte das, was in Frankreich möglich ist, nicht auch bei<lb/>
uns möglich sein? Aber gesetzt, Herr von Bennigsen Hütte Recht, und die<lb/>
nötigen Menschen fänden sich uicht. Dann würde sich damit die Sache von<lb/>
selbst korrigiren- Denn Offiziere und Unteroffiziere, die man nicht hat, wird<lb/>
man auch nicht anstellen. Und wenn man keine Lehrmeister für die Soldaten<lb/>
hat. so wird man auch die Soldaten nicht einberufen. Das Schlimmste wäre<lb/>
also, daß das dafür bestimmte Geld in den Kassen liegen bliebe. Ist hiernach<lb/>
die von Herrn von Bennigsen gehegte Besorgnis wohl ein Grund, von vorn¬<lb/>
herein der Sache entgegenzutreten?")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_715" next="#ID_716"> Natürlich bildet den positiven Grund, weshalb mau die Sache ablehnen</p><lb/>
          <note xml:id="FID_20" place="foot"> Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bemerkt, nach dem Antrage Bennigsen würde<lb/>
die französische Rekrutenquote knapp erreicht werden.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_21" place="foot" next="#FID_22"> ") Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet die von Herrn von Bennigsen vor-</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] Benuigsens. Das, was bei dein Anlage Bennigsen auch für den Laien völlig klar ist, besteht darin, daß er eine geringere Zahl von Truppen einstellen will. Nun ist ja die Truppenzahl allein im Kriege nicht entscheidend. Der Ausgang der Schlachten hängt noch von mannigfachen andern Umstünden ab. Aber diese Umstände haben wir nicht in der Hand, und es ist unzweifelhaft, daß bei sonst gleichen Umständen die größere Zahl ein Übergewicht giebt. Wes¬ halb hätten denn sonst die Franzosen die Zahl ihrer Truppen so ungeheuer vermehrt? Veuuigsen sagt, sein Vorschlag gewähre eine Friedenspräsenz von 539000 Mau»; das sei genug, denn die Franzosen hätten nur 525000 Mann.*) Aber müssen wir nicht schon deshalb daran denken, sie zu überragen, weil wir, much wenn wir mit Frankreich allein Krieg führen sollten, eine erkleckliche Trnppenmasse nötig Hütten, um unsre Ostgrenzeu zu schützen? Jede Zahl, die eine bestimmte Grenze zieht, ist natürlich mit einer gewissen Willkür gegriffen. Eben deshalb ist es aber auch sehr gewagt und schließt eine große Verant¬ wortung ein, wenn bei Fragen dieser Art, an die sich möglicherweise das ganze Geschick einer Nation knüpft, ein Parlament der Negierung gegenübertreten und sagen will: Das ist genug! Man sollte in solchen Fragen der Regierung die Verantwortung überlassen. Ein besondres Gewicht legt Herr von Bennigsen auf den Einwand, daß der Reformplan gar nicht ausführbar sei, weil sich, wenigstens in den nächsten Jahren, die dazu nötigen Offiziere, Unteroffiziere und diensttauglichen Mann¬ schaften uicht finden würden. Mit der Frage, wo diese herkommen sollen, habe Herr von Bennigsen — so sagt die Broschüre — die Militärverwaltung in eine „ziemlich peinliche" Verlegenheit gesetzt. Die Militärverwaltung sagt: sie werden sich finden. Herr von Bennigsen sagt: sie werden sich nicht finden. Keine von beide» Voraussagen wird zu beweisen sein. Auch hier entsteht zu¬ nächst die Frage: Wo hat denu Frankreich die nötigen Offiziere und Mann¬ schaften für seine verhältnismäßig noch viel größere Vermehrung der Truppen hergenommen? Und sollte das, was in Frankreich möglich ist, nicht auch bei uns möglich sein? Aber gesetzt, Herr von Bennigsen Hütte Recht, und die nötigen Menschen fänden sich uicht. Dann würde sich damit die Sache von selbst korrigiren- Denn Offiziere und Unteroffiziere, die man nicht hat, wird man auch nicht anstellen. Und wenn man keine Lehrmeister für die Soldaten hat. so wird man auch die Soldaten nicht einberufen. Das Schlimmste wäre also, daß das dafür bestimmte Geld in den Kassen liegen bliebe. Ist hiernach die von Herrn von Bennigsen gehegte Besorgnis wohl ein Grund, von vorn¬ herein der Sache entgegenzutreten?") Natürlich bildet den positiven Grund, weshalb mau die Sache ablehnen Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bemerkt, nach dem Antrage Bennigsen würde die französische Rekrutenquote knapp erreicht werden. ") Die norddeutsche Allgemeine Zeitung bezeichnet die von Herrn von Bennigsen vor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/180>, abgerufen am 26.08.2024.