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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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die Hygiene handelt, der Jurist allein hat den Daumen auf dem Drnclknvpf,
und locum er drückt, so müssen sie alle tanzen, die Fachmänner und die Sach¬
verständigen; sie mögen die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, für ihn sind
sie alle nur Handlanger und Steinetreiber. Der Jurist ist der Baumeister.
Wer das Lorxus .juris studirt hat, der ist ein Erleuchteter, ein Auserwählter,
der hat das wahre Heil im Himmel und aus Erden.

Hickelbein riß die Augen aus, schnalzte mit der Zunge und sagte: ^ >!>,
vormv llsuro, dann soll Leopold wohl gar Jurisprudenz studire" und Refe¬
rendar werden, und Assessor und Amtsrichter?

Höher hinauf! sagte Kümmerlich in freudiger Erregung.

Na, damit kann man doch auch schon zufrieden sein!

I, weshalb soll Leopold nicht einmal Präsident werden? Donnerwetter,
Kollege Hickelbein, wenn der dann einmal unser Amtsgericht revidiren kommt,
und sogar der aufsichtführende Herr Amtsrichter vor ihm das Maul halten
muß, Herr Gott, das möchte ich noch erleben! Und wenn die Leute dann
sagen: Der neue Präsident, das ist der Sohn von dem alten Gottfried
Kümmerlich; der Mensch hat eine fabelhafte .Karriere gemacht!

Hickelbein krankte sich seinen knrzgeschvrnen Backenbart und sah den Alten
von der Seite an. Sagen Sie mal, lieber Kollege, wie ist es denn aber
mit dem nervu" rerum?

Ja, Geld kann ich dem Jungen nicht mitgeben. Der winzige Gehalt, und
die kranke Tochter! Ja, wenn meine Iran noch lebte und die Wirtschaft in
Ordnung hielte! Aber er hat ja sein Genie, wissen Sie; das ist genug, das
bricht sich Bahn. Und in Berlin liegt das Geld auf der Straße. Was meinen
Sie dazu, Herr Studiosus, fragte er mich; Sie kennen ja die Berliner Ver¬
hältnisse; habe ich nicht Recht?

Ich wollte dein alten Kanzlisten keinen bittern Tropfen in seinen Freuden-
becher gießen und sagte: Gewiß, es giebt in Berlin hin und wieder reiche
Menschen, denen es eine Frende ist, begabte junge Leute vorwärts zu bringen.

Na, sehen Sie! rief der Alte, und so ein begabter Mensch, wie Leopold,
der sollte sein Glück nicht machen?

Leopold saß still dabei, vorn übergebeugt, die Kniee in die Höhe gezogen,
denn seine langen, dünnen Beine hatten unter dem Tische keinen Platz. Er
war immer zurückhaltend und in sich gekehrt, und immer spielte ein ver-
^gens Lächeln um seine Mundwinkel. Als er aber den Bater über seine
M'ße Zukunft reden hörte, rötete sich sein sommersprossiges Gesicht, und es
ging wie ein leichter Unwille über seine Züge. Doch um dem Alten die Freude
'naht zu stören, sagte er nichts. Er schaute vor sich hin und zuckte nur zu¬
weilen mit dem Kopf, um einen seiner strohgelben Haarsträhne, der ihm über
le Stirn gefallen war, zurückzuwerfen. Oder er griff verlegen nach dem
u^e, trank langsam ein Paar Züge und wischte sich mit dem Handrücken die


Lee>;>o!d Umnmerlich

die Hygiene handelt, der Jurist allein hat den Daumen auf dem Drnclknvpf,
und locum er drückt, so müssen sie alle tanzen, die Fachmänner und die Sach¬
verständigen; sie mögen die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, für ihn sind
sie alle nur Handlanger und Steinetreiber. Der Jurist ist der Baumeister.
Wer das Lorxus .juris studirt hat, der ist ein Erleuchteter, ein Auserwählter,
der hat das wahre Heil im Himmel und aus Erden.

Hickelbein riß die Augen aus, schnalzte mit der Zunge und sagte: ^ >!>,
vormv llsuro, dann soll Leopold wohl gar Jurisprudenz studire» und Refe¬
rendar werden, und Assessor und Amtsrichter?

Höher hinauf! sagte Kümmerlich in freudiger Erregung.

Na, damit kann man doch auch schon zufrieden sein!

I, weshalb soll Leopold nicht einmal Präsident werden? Donnerwetter,
Kollege Hickelbein, wenn der dann einmal unser Amtsgericht revidiren kommt,
und sogar der aufsichtführende Herr Amtsrichter vor ihm das Maul halten
muß, Herr Gott, das möchte ich noch erleben! Und wenn die Leute dann
sagen: Der neue Präsident, das ist der Sohn von dem alten Gottfried
Kümmerlich; der Mensch hat eine fabelhafte .Karriere gemacht!

Hickelbein krankte sich seinen knrzgeschvrnen Backenbart und sah den Alten
von der Seite an. Sagen Sie mal, lieber Kollege, wie ist es denn aber
mit dem nervu» rerum?

Ja, Geld kann ich dem Jungen nicht mitgeben. Der winzige Gehalt, und
die kranke Tochter! Ja, wenn meine Iran noch lebte und die Wirtschaft in
Ordnung hielte! Aber er hat ja sein Genie, wissen Sie; das ist genug, das
bricht sich Bahn. Und in Berlin liegt das Geld auf der Straße. Was meinen
Sie dazu, Herr Studiosus, fragte er mich; Sie kennen ja die Berliner Ver¬
hältnisse; habe ich nicht Recht?

Ich wollte dein alten Kanzlisten keinen bittern Tropfen in seinen Freuden-
becher gießen und sagte: Gewiß, es giebt in Berlin hin und wieder reiche
Menschen, denen es eine Frende ist, begabte junge Leute vorwärts zu bringen.

Na, sehen Sie! rief der Alte, und so ein begabter Mensch, wie Leopold,
der sollte sein Glück nicht machen?

Leopold saß still dabei, vorn übergebeugt, die Kniee in die Höhe gezogen,
denn seine langen, dünnen Beine hatten unter dem Tische keinen Platz. Er
war immer zurückhaltend und in sich gekehrt, und immer spielte ein ver-
^gens Lächeln um seine Mundwinkel. Als er aber den Bater über seine
M'ße Zukunft reden hörte, rötete sich sein sommersprossiges Gesicht, und es
ging wie ein leichter Unwille über seine Züge. Doch um dem Alten die Freude
'naht zu stören, sagte er nichts. Er schaute vor sich hin und zuckte nur zu¬
weilen mit dem Kopf, um einen seiner strohgelben Haarsträhne, der ihm über
le Stirn gefallen war, zurückzuwerfen. Oder er griff verlegen nach dem
u^e, trank langsam ein Paar Züge und wischte sich mit dem Handrücken die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/137>, abgerufen am 03.07.2024.