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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Loopol!) kümmerlich

bartlosen Lippen. Im Innern ärgerte er sich über den ehrgeizigen Alten, der
von ihm so viel Aufhebens machte und so viel von ihm erwartete.

Der alte Kümmerlich wollte eben sein Loblied auf die juristische Laufbahn
wieder anstimmen, als sein Freund, der Schmiedemeister und Schützenkönig
Heinrich Schulz, eintrat. Er begrüßte die alten Kneipbrüder, setzte sich breit¬
spurig an den Tisch, schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte und
sagte mit rollender Baßstimme: Arbeit ist des Bürgers Zierde! Sein Gesicht
und seine Hunde sahen in der That wie von der Arbeit geschwärzt aus, aber
böse Zungen behauptete", er ginge vor dem Frühschoppen immer erst einmal
in die Schmiede, griffe in die Esse und führe sich mit der rnszigen Hand
schnell übers Gesicht. Im übrigen handle er nach dem alten volkswirtschaft¬
lichen Grundsatz: Wer die Arbeit kennt, der reißt sich nicht darnach. Er war
Stadtverordneter und spielte als solcher in der kleinen Kommune die Rolle
des Donnergottes, weil er die dicksten Fäuste und die mächtigsten Lungen¬
flügel hatte.

Na, Sie können gratuliren, Herr Schulz! sagte Kümmerlich mit glänzenden
Augen.

Haben Sie einen Thaler acht Groschen Gehaltserhöhung bekommen?

Das nicht, aber Leopold hat sein Examen gemacht.

Der Kupferschmied legte beide Arme auf den Tisch und sagte: Na, da
hat er was rechtes gemacht. Wer heutzutage nicht ein Bret vorm Kopfe
hat, der macht das doch. Dazu gratulire" ich nicht mehr. Sie kennen meine
Ansicht. Sie hätten Leopold zu mir in die Lehre geben sollen, als er vier¬
zehn Jahre alt war, da wäre was ordentliches aus ihm geworden; jetzt ist
er zu allem verpfuscht.

Der alte Kümmerlich klopfte dem Meister Kupferschmied aufs Knie und
sagte lachend: Alter Spaßvogel!

Fällt mir gar nicht ein, zu spaßen! Verpfuscht ist er. Sehen Sie sich
nur die Bengels an, wie das hier faul in der Stadt herumlungert, wenn sie
an der höhern Bildung gerochen haben. Vollgenudelte Gänse sind sie, die nur
schnattern könne". Zu wirklicher Arbeit hat das keine Lust mehr, aber den
Hochmutsteufel kriege" sie in den Leib, so wie sie den Cornelimn Nepomuk
lesen. Ich sage Ihnen, die ganze gelehrte Schule ist für unsre kleine Kom¬
mune ein wahres Unglück. Sie bringt hier alles aus Rand und Band.

Aber erlauben Sie mal --

Ein wahres Unglück, sage ich. Der ganze vernünftige Nachwuchs für
unsre Bürgerschaft geht in die Brüche. Privilegirte Faulenzer werden erzogen,
ein ""produktives Gesindel u"d hochnäsige Schmarotzer, die wir Mäuner von
der schwieligen Faust dann ernähren müssen. Und dazu kostet diese klassische
Wurstmaschine, durch die unsre Jungens durchgepreßt werden, unsrer Kommune
ein wahnsinniges Geld. Und da wird dann auch noch von den Herren nebenan um


Loopol!) kümmerlich

bartlosen Lippen. Im Innern ärgerte er sich über den ehrgeizigen Alten, der
von ihm so viel Aufhebens machte und so viel von ihm erwartete.

Der alte Kümmerlich wollte eben sein Loblied auf die juristische Laufbahn
wieder anstimmen, als sein Freund, der Schmiedemeister und Schützenkönig
Heinrich Schulz, eintrat. Er begrüßte die alten Kneipbrüder, setzte sich breit¬
spurig an den Tisch, schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte und
sagte mit rollender Baßstimme: Arbeit ist des Bürgers Zierde! Sein Gesicht
und seine Hunde sahen in der That wie von der Arbeit geschwärzt aus, aber
böse Zungen behauptete», er ginge vor dem Frühschoppen immer erst einmal
in die Schmiede, griffe in die Esse und führe sich mit der rnszigen Hand
schnell übers Gesicht. Im übrigen handle er nach dem alten volkswirtschaft¬
lichen Grundsatz: Wer die Arbeit kennt, der reißt sich nicht darnach. Er war
Stadtverordneter und spielte als solcher in der kleinen Kommune die Rolle
des Donnergottes, weil er die dicksten Fäuste und die mächtigsten Lungen¬
flügel hatte.

Na, Sie können gratuliren, Herr Schulz! sagte Kümmerlich mit glänzenden
Augen.

Haben Sie einen Thaler acht Groschen Gehaltserhöhung bekommen?

Das nicht, aber Leopold hat sein Examen gemacht.

Der Kupferschmied legte beide Arme auf den Tisch und sagte: Na, da
hat er was rechtes gemacht. Wer heutzutage nicht ein Bret vorm Kopfe
hat, der macht das doch. Dazu gratulire" ich nicht mehr. Sie kennen meine
Ansicht. Sie hätten Leopold zu mir in die Lehre geben sollen, als er vier¬
zehn Jahre alt war, da wäre was ordentliches aus ihm geworden; jetzt ist
er zu allem verpfuscht.

Der alte Kümmerlich klopfte dem Meister Kupferschmied aufs Knie und
sagte lachend: Alter Spaßvogel!

Fällt mir gar nicht ein, zu spaßen! Verpfuscht ist er. Sehen Sie sich
nur die Bengels an, wie das hier faul in der Stadt herumlungert, wenn sie
an der höhern Bildung gerochen haben. Vollgenudelte Gänse sind sie, die nur
schnattern könne». Zu wirklicher Arbeit hat das keine Lust mehr, aber den
Hochmutsteufel kriege» sie in den Leib, so wie sie den Cornelimn Nepomuk
lesen. Ich sage Ihnen, die ganze gelehrte Schule ist für unsre kleine Kom¬
mune ein wahres Unglück. Sie bringt hier alles aus Rand und Band.

Aber erlauben Sie mal —

Ein wahres Unglück, sage ich. Der ganze vernünftige Nachwuchs für
unsre Bürgerschaft geht in die Brüche. Privilegirte Faulenzer werden erzogen,
ein »»produktives Gesindel u»d hochnäsige Schmarotzer, die wir Mäuner von
der schwieligen Faust dann ernähren müssen. Und dazu kostet diese klassische
Wurstmaschine, durch die unsre Jungens durchgepreßt werden, unsrer Kommune
ein wahnsinniges Geld. Und da wird dann auch noch von den Herren nebenan um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/138>, abgerufen am 03.07.2024.