Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Soldateiuwt fang all die nötige Besonnenheit gezeigt haben, stehen die Grenzboten obenan. Aber diese Erwägungen dürfen uns doch nicht abstumpfen für das, was Am 8. November 1892, an einem Dienstag, brachte eine reichsländische Soldateiuwt fang all die nötige Besonnenheit gezeigt haben, stehen die Grenzboten obenan. Aber diese Erwägungen dürfen uns doch nicht abstumpfen für das, was Am 8. November 1892, an einem Dienstag, brachte eine reichsländische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214466"/> <fw type="header" place="top"> Soldateiuwt</fw><lb/> <p xml:id="ID_6" prev="#ID_5"> fang all die nötige Besonnenheit gezeigt haben, stehen die Grenzboten obenan.<lb/> Sie warnten auch nach dein bekannt gewordnen Erlaß des Generalkommandos<lb/> des zwölften Armeekorps, der ja dieser Behörde nur zur Ehre gereichen kann,<lb/> in dem jungen Soldaten lediglich einen Märtyrer zu sehen. Und das war<lb/> sehr angebracht. Unsre Zeit übertreibt gar zu gern da, wo es den Anschein hat,<lb/> als müsse man sich der Unterdrückten annehmen. Bestrebungen auf cinderm<lb/> Gebiet als gerade dem des Heerwesens gehen von derselben Absicht aus. Was<lb/> ist wegen der Überbürdung der Schüler geredet und geschrieben worden! Oft<lb/> doch von Leuten, die gar nichts davon verstehen! Wie kommt es, daß gerade jetzt<lb/> die Forderung achtstündiger Arbeit so ungestüm betont wird? Es kann ja nur<lb/> theoretische Forderung sein, ist also im Grunde gar nicht so ernst gemeint,<lb/> denn in Wirklichkeit kommt man weder oben noch unten mit acht Stunden<lb/> aus. Auch die höhern Beamten, sagt man, seien überbürdet. Ja die sich<lb/> häufenden Fülle des Wahnsinns in den höhern Stünden werden auf Über¬<lb/> anstrengung zurückgeführt. Sollte uicht doch unser Geschlecht heute weniger<lb/> geduldig im Ertragen von Arbeit und Mühsal geworden sein als früher, und<lb/> sollte sich nicht daraus das vielfach vvrhandne Unbehagen genügend erklären?<lb/> Vielleicht ist manches von dem, was unter dem Schlagwort „Soldatenmi߬<lb/> handlungen" jetzt modern ist, auf Rechnung der allgemeinen, nicht bloß bei<lb/> Angehörigen des Heeres zu findenden Unfähigkeit, Widerwärtigkeiten zu ertrage»,<lb/> zu setzen. Bezeichnend hierfür ist der im Heere vielfach angewendete Ausdruck<lb/> ^Schlappheit." An allgemeiner Schlappheit leiden wir. Darum sind wir<lb/> nicht fähig, zu ertragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_7"> Aber diese Erwägungen dürfen uns doch nicht abstumpfen für das, was<lb/> der Besserung bedürftig ist. Mag auch in vielen sogenannten rein militä¬<lb/> rischen Fragen nur dem Berufnen ein Urteil zustehen, für viele Dinge inner¬<lb/> halb der Armee hat nicht bloß der Offizier volles Verständnis. Die lebhafte<lb/> Teilnahme, die in allen Ständen unsers Volks für militärische Fragen herrscht,<lb/> ist Ausfluß der Vaterlandsliebe. Sie ist ein edles Gewächs und heischt ge¬<lb/> wissenhafteste Pflege. Nörgelei wird leicht von berechtigtem Mitsprechen zu<lb/> unterscheiden sein; es wird das keinem ernstgesinnten, wahrhaft vaterlands¬<lb/> liebenden Manne schwer fallen. Ohne daß also bestritten werden soll, daß<lb/> Soldatenmißhandluugen leider immer noch auch im deutschen Kriegsheer vor¬<lb/> kommen, soll doch von diesen, auch bei dem besten Willen der maßgebenden<lb/> Personen nie völlig zu vermeidenden Ungehörigkeiten hier abgesehen werden.<lb/> Was wir mit „Soldatennot" bezeichnen, ist etwas andres. Es giebt Nöte,<lb/> por denen tausende unsrer Soldaten betroffen werden, da sie eine Folge<lb/> mangelhafter Einrichtungen in unserm Heere sind. Und hier kann Wandel ge¬<lb/> schafft werden. Auf solche mangelhafte Einrichtungen und die Mittel, sie zu<lb/> beseitigen, soll im folgenden hingewiesen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> Am 8. November 1892, an einem Dienstag, brachte eine reichsländische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Soldateiuwt
fang all die nötige Besonnenheit gezeigt haben, stehen die Grenzboten obenan.
Sie warnten auch nach dein bekannt gewordnen Erlaß des Generalkommandos
des zwölften Armeekorps, der ja dieser Behörde nur zur Ehre gereichen kann,
in dem jungen Soldaten lediglich einen Märtyrer zu sehen. Und das war
sehr angebracht. Unsre Zeit übertreibt gar zu gern da, wo es den Anschein hat,
als müsse man sich der Unterdrückten annehmen. Bestrebungen auf cinderm
Gebiet als gerade dem des Heerwesens gehen von derselben Absicht aus. Was
ist wegen der Überbürdung der Schüler geredet und geschrieben worden! Oft
doch von Leuten, die gar nichts davon verstehen! Wie kommt es, daß gerade jetzt
die Forderung achtstündiger Arbeit so ungestüm betont wird? Es kann ja nur
theoretische Forderung sein, ist also im Grunde gar nicht so ernst gemeint,
denn in Wirklichkeit kommt man weder oben noch unten mit acht Stunden
aus. Auch die höhern Beamten, sagt man, seien überbürdet. Ja die sich
häufenden Fülle des Wahnsinns in den höhern Stünden werden auf Über¬
anstrengung zurückgeführt. Sollte uicht doch unser Geschlecht heute weniger
geduldig im Ertragen von Arbeit und Mühsal geworden sein als früher, und
sollte sich nicht daraus das vielfach vvrhandne Unbehagen genügend erklären?
Vielleicht ist manches von dem, was unter dem Schlagwort „Soldatenmi߬
handlungen" jetzt modern ist, auf Rechnung der allgemeinen, nicht bloß bei
Angehörigen des Heeres zu findenden Unfähigkeit, Widerwärtigkeiten zu ertrage»,
zu setzen. Bezeichnend hierfür ist der im Heere vielfach angewendete Ausdruck
^Schlappheit." An allgemeiner Schlappheit leiden wir. Darum sind wir
nicht fähig, zu ertragen.
Aber diese Erwägungen dürfen uns doch nicht abstumpfen für das, was
der Besserung bedürftig ist. Mag auch in vielen sogenannten rein militä¬
rischen Fragen nur dem Berufnen ein Urteil zustehen, für viele Dinge inner¬
halb der Armee hat nicht bloß der Offizier volles Verständnis. Die lebhafte
Teilnahme, die in allen Ständen unsers Volks für militärische Fragen herrscht,
ist Ausfluß der Vaterlandsliebe. Sie ist ein edles Gewächs und heischt ge¬
wissenhafteste Pflege. Nörgelei wird leicht von berechtigtem Mitsprechen zu
unterscheiden sein; es wird das keinem ernstgesinnten, wahrhaft vaterlands¬
liebenden Manne schwer fallen. Ohne daß also bestritten werden soll, daß
Soldatenmißhandluugen leider immer noch auch im deutschen Kriegsheer vor¬
kommen, soll doch von diesen, auch bei dem besten Willen der maßgebenden
Personen nie völlig zu vermeidenden Ungehörigkeiten hier abgesehen werden.
Was wir mit „Soldatennot" bezeichnen, ist etwas andres. Es giebt Nöte,
por denen tausende unsrer Soldaten betroffen werden, da sie eine Folge
mangelhafter Einrichtungen in unserm Heere sind. Und hier kann Wandel ge¬
schafft werden. Auf solche mangelhafte Einrichtungen und die Mittel, sie zu
beseitigen, soll im folgenden hingewiesen werden.
Am 8. November 1892, an einem Dienstag, brachte eine reichsländische
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