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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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^oldatennot

in Gebiet, das in Zeitungen und Zeitschriften die ausgiebigste
Behandlung findet, ist das der Solbatenmißhanolnngen. Es ist
ungemein zu bedauern, daß gerade bei Erörterung dieses Gegen¬
standes nnr allzu häufig Ruhe und Sachlichkeit vermißt wird.
Das schadet der Sache. Die offenbaren Übertreibungen, zu denen
die sittliche Entrüstung meist schon in der Auswahl der einleitenden Worte in
einem derartigen Bericht greift, flößen dem besonnenen Leser schließlich auch
Mißtrauen gegen die berichteten Thatsachen ein, und so ist schon mancher wohl¬
wollende, ehrlich gemeinte Anlauf in dieser Sache vergeblich gewesen. Wie
oft aber kann von Wohlwollen und ehrlicher Meinung bei derartigen Erörte¬
rungen gar keine Rede sein! Wie oft mangelt auch alles Verständnis für mili¬
tärische Einrichtungen! Hat doch sicher ein großer Teil derer, die hier das
Wort ergreisen zu müssen glauben, niemals das Innere einer Kaserne gesehen.
Und doch ist gerade hier, um ein richtiges Urteil zu haben, eins erforderlich:
Kenntnis des Soldatenlebens aus eigner Dienstzeit und Erfahrung im Um¬
gange mit Offizieren, Unteroffiziere", und Soldaten. Was dem Fernerstehenden
als Härte den Soldaten gegenüber erscheint, ist gewöhnlich nichts andres als
ein wohl angebrachtes Mittel, dem vielleicht in seinem bürgerlichen Beruf ver¬
wöhnten und verweichlichten Menschen Eigenschaften beizubringen, die ihm eine
wirkliche Widerwärtigkeit nötigen Falles als etwas nicht ganz Ungewohntes
und Unerhörtes erscheinen lassen.

Übelstande sind ja thatsächlich vorhanden. Nur hüte man sich, den ein¬
zelnen Fall zu schnell zu verallgemeinern. Dieser Fehler aber wird selbst von
Leuten begangen, von denen man das ihrer ganzen Bildung nach nicht er¬
warten sollte.

Unter den Zeitschriften , die bei Erörterung dieses Gegenstandes von An-


Grenzbvten 1l 18W 1


^oldatennot

in Gebiet, das in Zeitungen und Zeitschriften die ausgiebigste
Behandlung findet, ist das der Solbatenmißhanolnngen. Es ist
ungemein zu bedauern, daß gerade bei Erörterung dieses Gegen¬
standes nnr allzu häufig Ruhe und Sachlichkeit vermißt wird.
Das schadet der Sache. Die offenbaren Übertreibungen, zu denen
die sittliche Entrüstung meist schon in der Auswahl der einleitenden Worte in
einem derartigen Bericht greift, flößen dem besonnenen Leser schließlich auch
Mißtrauen gegen die berichteten Thatsachen ein, und so ist schon mancher wohl¬
wollende, ehrlich gemeinte Anlauf in dieser Sache vergeblich gewesen. Wie
oft aber kann von Wohlwollen und ehrlicher Meinung bei derartigen Erörte¬
rungen gar keine Rede sein! Wie oft mangelt auch alles Verständnis für mili¬
tärische Einrichtungen! Hat doch sicher ein großer Teil derer, die hier das
Wort ergreisen zu müssen glauben, niemals das Innere einer Kaserne gesehen.
Und doch ist gerade hier, um ein richtiges Urteil zu haben, eins erforderlich:
Kenntnis des Soldatenlebens aus eigner Dienstzeit und Erfahrung im Um¬
gange mit Offizieren, Unteroffiziere», und Soldaten. Was dem Fernerstehenden
als Härte den Soldaten gegenüber erscheint, ist gewöhnlich nichts andres als
ein wohl angebrachtes Mittel, dem vielleicht in seinem bürgerlichen Beruf ver¬
wöhnten und verweichlichten Menschen Eigenschaften beizubringen, die ihm eine
wirkliche Widerwärtigkeit nötigen Falles als etwas nicht ganz Ungewohntes
und Unerhörtes erscheinen lassen.

Übelstande sind ja thatsächlich vorhanden. Nur hüte man sich, den ein¬
zelnen Fall zu schnell zu verallgemeinern. Dieser Fehler aber wird selbst von
Leuten begangen, von denen man das ihrer ganzen Bildung nach nicht er¬
warten sollte.

Unter den Zeitschriften , die bei Erörterung dieses Gegenstandes von An-


Grenzbvten 1l 18W 1
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[0009] [Abbildung] ^oldatennot in Gebiet, das in Zeitungen und Zeitschriften die ausgiebigste Behandlung findet, ist das der Solbatenmißhanolnngen. Es ist ungemein zu bedauern, daß gerade bei Erörterung dieses Gegen¬ standes nnr allzu häufig Ruhe und Sachlichkeit vermißt wird. Das schadet der Sache. Die offenbaren Übertreibungen, zu denen die sittliche Entrüstung meist schon in der Auswahl der einleitenden Worte in einem derartigen Bericht greift, flößen dem besonnenen Leser schließlich auch Mißtrauen gegen die berichteten Thatsachen ein, und so ist schon mancher wohl¬ wollende, ehrlich gemeinte Anlauf in dieser Sache vergeblich gewesen. Wie oft aber kann von Wohlwollen und ehrlicher Meinung bei derartigen Erörte¬ rungen gar keine Rede sein! Wie oft mangelt auch alles Verständnis für mili¬ tärische Einrichtungen! Hat doch sicher ein großer Teil derer, die hier das Wort ergreisen zu müssen glauben, niemals das Innere einer Kaserne gesehen. Und doch ist gerade hier, um ein richtiges Urteil zu haben, eins erforderlich: Kenntnis des Soldatenlebens aus eigner Dienstzeit und Erfahrung im Um¬ gange mit Offizieren, Unteroffiziere», und Soldaten. Was dem Fernerstehenden als Härte den Soldaten gegenüber erscheint, ist gewöhnlich nichts andres als ein wohl angebrachtes Mittel, dem vielleicht in seinem bürgerlichen Beruf ver¬ wöhnten und verweichlichten Menschen Eigenschaften beizubringen, die ihm eine wirkliche Widerwärtigkeit nötigen Falles als etwas nicht ganz Ungewohntes und Unerhörtes erscheinen lassen. Übelstande sind ja thatsächlich vorhanden. Nur hüte man sich, den ein¬ zelnen Fall zu schnell zu verallgemeinern. Dieser Fehler aber wird selbst von Leuten begangen, von denen man das ihrer ganzen Bildung nach nicht er¬ warten sollte. Unter den Zeitschriften , die bei Erörterung dieses Gegenstandes von An- Grenzbvten 1l 18W 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/9>, abgerufen am 23.07.2024.