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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Zveder Kcmuiiunismus noch U^pitalis>n"s

einzelner Seefahrer nicht hätte bekommen können. Beim heutigen Import-
Handel, namentlich dem mit Rhederci verbundnen, steht die Sache so, daß ihn
niemand betreiben kann, der nicht schon reich ist, und wenn ein solcher Kauf¬
mann seinem Kapital mehr als die landesüblichen Zinsen abgewinnt, so hat
er das durch die hervorragende geistige Thätigkeit, die zur Leitung eines solchen
Geschäfts nötig ist, und durch die Wohlthat, die er seinem Volke erweist,
reichlich verdient. Die Thätigkeit des Exporteurs ist in Ländern, die größten¬
teils Jndnstricerzeugnisse ausführen, aufs engste mit der des Fabrikanten ver¬
bunden; sind doch häufig beide ein und dieselbe Person. Hier nun beruht der
Gewinn um so mehr auf dem Volkselend, je weniger es sich um Luxuswaren
handelt, zu deren Anfertigung persönliche Kunstfertigkeit und Kunstgeschmack
erforderlich sind, oder um die oben erwähnten Erzeugnisse der höhern Metall¬
technik, sondern um Artikel des Massenverbrauchs, die bloß Räder und Hände
erfordern. Wir haben bei andrer Gelegenheit bereits den Umstand hervor¬
gehoben, daß die "Blüte" der englischen Vanmwollenindustrie, die einen so be¬
deutenden Teil des englischen Reichtums geschaffen hat, nicht allein das Elend
des englischen, sondern noch das mehrerer andern Völker zur Voraussetzung
hatte. Zuerst mußten durch billige Fabrikhände die englische" Hnudweber aus¬
gehungert und zum Eintritt in die Fabrik gezwungen, gleichzeitig die Jrländer
und die Bewohner der Kolonien durch Gewaltmaßregeln an der Konkurrenz
gehindert, dann alle Länder mit billigem Kattun überschwemmt und ihre Hand¬
weber ums Brot gebracht werden. Dr. Bowring, nicht etwa ein Sozialist,
sondern ein Führer der Mauchesterlcnte, den Marx (Elend der Philosophie,
S. 180 ff.) zitirt, führte 1838 in einer Parlamentsrede Einzelheiten aus einem
Bericht des Generalgonverneurs von Ostindien an. Eine sehr große Zahl von
Webern des Distrikts von Dakka, heißt es darin, sei im Elend umgekommen.
Der ob seiner Schönheit und Festigkeit in der ganzen Welt berühmte Musselin
von Dakka sei verschwunden; in der ganzen Geschichte der Industrie dürften
kaum ähnliche Leiden zu finden sein, wie die der indischen Handweber. Wahr¬
scheinlich ist es derselbe Bericht, worin der Satz vorkommt, den wir einer
andern Schrift entnehmen: "Die Knochen der (verhungerten) Baumwollenweber
bleichen in den Ebnen Indiens." Im soliden Jnlandshandel, der nach Adam
Smith unendlich wichtiger und segensreicher ist als aller Auslandshandel,
werden keine großen Reichtümer erworben. Vielleicht macht der Getreidehandel,
der jedoch Inlands- und Auslandshandel zugleich ist, eine Ausnahme, seitdem
er börseumäßig betrieben wird, aber eben der Spielcharakter, der ihm dadurch
aufgedrückt wird, scheint es mit sich zu bringen, daß die darin gewonnenen
großen Summen schnell wieder zerrinnen.

Was das reine Geldgeschäft anlangt, so sagt Wolf:") "Die am frühesten



") S. 637. Es' ist der Anfangsscitz einer sehr guten Skizze- "Aus der Geschichte der
Zveder Kcmuiiunismus noch U^pitalis>n»s

einzelner Seefahrer nicht hätte bekommen können. Beim heutigen Import-
Handel, namentlich dem mit Rhederci verbundnen, steht die Sache so, daß ihn
niemand betreiben kann, der nicht schon reich ist, und wenn ein solcher Kauf¬
mann seinem Kapital mehr als die landesüblichen Zinsen abgewinnt, so hat
er das durch die hervorragende geistige Thätigkeit, die zur Leitung eines solchen
Geschäfts nötig ist, und durch die Wohlthat, die er seinem Volke erweist,
reichlich verdient. Die Thätigkeit des Exporteurs ist in Ländern, die größten¬
teils Jndnstricerzeugnisse ausführen, aufs engste mit der des Fabrikanten ver¬
bunden; sind doch häufig beide ein und dieselbe Person. Hier nun beruht der
Gewinn um so mehr auf dem Volkselend, je weniger es sich um Luxuswaren
handelt, zu deren Anfertigung persönliche Kunstfertigkeit und Kunstgeschmack
erforderlich sind, oder um die oben erwähnten Erzeugnisse der höhern Metall¬
technik, sondern um Artikel des Massenverbrauchs, die bloß Räder und Hände
erfordern. Wir haben bei andrer Gelegenheit bereits den Umstand hervor¬
gehoben, daß die „Blüte" der englischen Vanmwollenindustrie, die einen so be¬
deutenden Teil des englischen Reichtums geschaffen hat, nicht allein das Elend
des englischen, sondern noch das mehrerer andern Völker zur Voraussetzung
hatte. Zuerst mußten durch billige Fabrikhände die englische» Hnudweber aus¬
gehungert und zum Eintritt in die Fabrik gezwungen, gleichzeitig die Jrländer
und die Bewohner der Kolonien durch Gewaltmaßregeln an der Konkurrenz
gehindert, dann alle Länder mit billigem Kattun überschwemmt und ihre Hand¬
weber ums Brot gebracht werden. Dr. Bowring, nicht etwa ein Sozialist,
sondern ein Führer der Mauchesterlcnte, den Marx (Elend der Philosophie,
S. 180 ff.) zitirt, führte 1838 in einer Parlamentsrede Einzelheiten aus einem
Bericht des Generalgonverneurs von Ostindien an. Eine sehr große Zahl von
Webern des Distrikts von Dakka, heißt es darin, sei im Elend umgekommen.
Der ob seiner Schönheit und Festigkeit in der ganzen Welt berühmte Musselin
von Dakka sei verschwunden; in der ganzen Geschichte der Industrie dürften
kaum ähnliche Leiden zu finden sein, wie die der indischen Handweber. Wahr¬
scheinlich ist es derselbe Bericht, worin der Satz vorkommt, den wir einer
andern Schrift entnehmen: „Die Knochen der (verhungerten) Baumwollenweber
bleichen in den Ebnen Indiens." Im soliden Jnlandshandel, der nach Adam
Smith unendlich wichtiger und segensreicher ist als aller Auslandshandel,
werden keine großen Reichtümer erworben. Vielleicht macht der Getreidehandel,
der jedoch Inlands- und Auslandshandel zugleich ist, eine Ausnahme, seitdem
er börseumäßig betrieben wird, aber eben der Spielcharakter, der ihm dadurch
aufgedrückt wird, scheint es mit sich zu bringen, daß die darin gewonnenen
großen Summen schnell wieder zerrinnen.

Was das reine Geldgeschäft anlangt, so sagt Wolf:") „Die am frühesten



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[0577] Zveder Kcmuiiunismus noch U^pitalis>n»s einzelner Seefahrer nicht hätte bekommen können. Beim heutigen Import- Handel, namentlich dem mit Rhederci verbundnen, steht die Sache so, daß ihn niemand betreiben kann, der nicht schon reich ist, und wenn ein solcher Kauf¬ mann seinem Kapital mehr als die landesüblichen Zinsen abgewinnt, so hat er das durch die hervorragende geistige Thätigkeit, die zur Leitung eines solchen Geschäfts nötig ist, und durch die Wohlthat, die er seinem Volke erweist, reichlich verdient. Die Thätigkeit des Exporteurs ist in Ländern, die größten¬ teils Jndnstricerzeugnisse ausführen, aufs engste mit der des Fabrikanten ver¬ bunden; sind doch häufig beide ein und dieselbe Person. Hier nun beruht der Gewinn um so mehr auf dem Volkselend, je weniger es sich um Luxuswaren handelt, zu deren Anfertigung persönliche Kunstfertigkeit und Kunstgeschmack erforderlich sind, oder um die oben erwähnten Erzeugnisse der höhern Metall¬ technik, sondern um Artikel des Massenverbrauchs, die bloß Räder und Hände erfordern. Wir haben bei andrer Gelegenheit bereits den Umstand hervor¬ gehoben, daß die „Blüte" der englischen Vanmwollenindustrie, die einen so be¬ deutenden Teil des englischen Reichtums geschaffen hat, nicht allein das Elend des englischen, sondern noch das mehrerer andern Völker zur Voraussetzung hatte. Zuerst mußten durch billige Fabrikhände die englische» Hnudweber aus¬ gehungert und zum Eintritt in die Fabrik gezwungen, gleichzeitig die Jrländer und die Bewohner der Kolonien durch Gewaltmaßregeln an der Konkurrenz gehindert, dann alle Länder mit billigem Kattun überschwemmt und ihre Hand¬ weber ums Brot gebracht werden. Dr. Bowring, nicht etwa ein Sozialist, sondern ein Führer der Mauchesterlcnte, den Marx (Elend der Philosophie, S. 180 ff.) zitirt, führte 1838 in einer Parlamentsrede Einzelheiten aus einem Bericht des Generalgonverneurs von Ostindien an. Eine sehr große Zahl von Webern des Distrikts von Dakka, heißt es darin, sei im Elend umgekommen. Der ob seiner Schönheit und Festigkeit in der ganzen Welt berühmte Musselin von Dakka sei verschwunden; in der ganzen Geschichte der Industrie dürften kaum ähnliche Leiden zu finden sein, wie die der indischen Handweber. Wahr¬ scheinlich ist es derselbe Bericht, worin der Satz vorkommt, den wir einer andern Schrift entnehmen: „Die Knochen der (verhungerten) Baumwollenweber bleichen in den Ebnen Indiens." Im soliden Jnlandshandel, der nach Adam Smith unendlich wichtiger und segensreicher ist als aller Auslandshandel, werden keine großen Reichtümer erworben. Vielleicht macht der Getreidehandel, der jedoch Inlands- und Auslandshandel zugleich ist, eine Ausnahme, seitdem er börseumäßig betrieben wird, aber eben der Spielcharakter, der ihm dadurch aufgedrückt wird, scheint es mit sich zu bringen, daß die darin gewonnenen großen Summen schnell wieder zerrinnen. Was das reine Geldgeschäft anlangt, so sagt Wolf:") „Die am frühesten ") S. 637. Es' ist der Anfangsscitz einer sehr guten Skizze- „Aus der Geschichte der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/577>, abgerufen am 26.06.2024.