Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.auftretende Form des Erwerbs von Grvßvermögen ist die durch Auswuche¬ Auf die schwierige Frage, ob die Häute Fiuanec, deren wahres Wesen in Groß-, insbesondre der Kvlossalvermögen," Leider hat der Verfasser in seiner Übersicht der
Endergebnisse gerade den wichtigsten Punkt: den ursächlichen Zusammenhang zwischen Kolossal- reichtnm und Bolkselend übergangen, obwohl ihn schon gleich sein oben angeführter erster Satz gewissermaßen mit der Nase daraus gestoßen hatte. auftretende Form des Erwerbs von Grvßvermögen ist die durch Auswuche¬ Auf die schwierige Frage, ob die Häute Fiuanec, deren wahres Wesen in Groß-, insbesondre der Kvlossalvermögen," Leider hat der Verfasser in seiner Übersicht der
Endergebnisse gerade den wichtigsten Punkt: den ursächlichen Zusammenhang zwischen Kolossal- reichtnm und Bolkselend übergangen, obwohl ihn schon gleich sein oben angeführter erster Satz gewissermaßen mit der Nase daraus gestoßen hatte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214370"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2076" prev="#ID_2075"> auftretende Form des Erwerbs von Grvßvermögen ist die durch Auswuche¬<lb/> rung von Stammesgenossen." Mit Beziehung ans die großen Vermögen, die<lb/> heute an der Börse gewonnen werden, gesteht er zu: „Auch die eigentliche<lb/> Konjunktur, d. h. das divinntorische Erkennen einer herannahenden günstigen<lb/> Preisstellung, ist die reguläre Quelle mindestens der Kolossalvermögen an der<lb/> Börse nicht gewesen, sondern es war entweder eine Aktion, die den That¬<lb/> bestand des Wuchers nach moderner Auffassung in sich trägt, oder die Berich¬<lb/> tigung des Kurses mit deu Mitteln, sie durchzusetzen." Da nun aber der<lb/> Wucher nichts andres ist, als die Ausnutzung der Not des Nächsten zu<lb/> eignem Vorteil, so folgt ans dieser Charakteristik dieser Art von Vermögens-<lb/> bildnng, daß sie die Not voraussetzt; hat der Spekulant fiir seine Zwecke die<lb/> Notlage erst zu schaffen — um so schlimmer für diese Vermögen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2077" next="#ID_2078"> Auf die schwierige Frage, ob die Häute Fiuanec, deren wahres Wesen in<lb/> der deutschen Gründerei von 1871 bis 1873 und in dem französischen Panama¬<lb/> skandal auch dem Blindesten offenbar geworden sein muß, eine für Volk und<lb/> Staat notwendige Funktion ausübe, um deren willen man sich die von ihr<lb/> untrennbaren Auswüchse gefallen lassen müsse, gehen wir hier nicht ein. „Die<lb/> städtische Grundrente, sagt Wolf, ist die in gewissem Sinne höchststehende<lb/> Varietät des Konjektnraleinkommens, weil sie die Gefahr der Niete weit mehr<lb/> ausschließt als jede andre Konjunktur." Als Beispiele für die durch steigende<lb/> städtische Grundrente erworbnen oder sozusagen von selbst gewordnen Kvlvssal-<lb/> vermögen führt er die Astors an und den Herzog von Westminster, von dem<lb/> es heißt, „daß er demnächst ans ein Jahreseinkommen von 25 Millionen<lb/> Franken werde rechnen können. Das ihm gehörige Land, im Herzen Londons,<lb/> wird heute den Hauseigentümern zu dörrenden, aber den Verhältnissen ange¬<lb/> messenen Preisen vermietet." Von allen Arten Wucher, das unterläßt Wolf<lb/> zu sagen, ist dieser wohl der schlimmste. Viele tausend Familien zwingen, den<lb/> dritten Teil ihres kärglichen, ungewissen und sauer, zum Teil durch körperlich<lb/> und sittlich schmutzigen Erwerb verdienten Einkommens für eine Wohnung zu<lb/> zahle», die oft gar keine menschliche Wohnung mehr ist, was kann es nieder¬<lb/> trächtigeres geben? Aber, wird ein solcher Herr sagen, wer zwingt sie denn?<lb/> Ich doch nicht! Sie gcbens ja freiwillig, sie reißen sich drum. Ja freilich,<lb/> nachdem man das Volk in eine Lage versetzt hat, wo es „freiwillig" die un¬<lb/> glaublichsten Entbehrungen erdulden muß. Vortrefflich hat Luther den Wucherer<lb/> charakterisirt, indem er ihn dem Cacus, diesem Bösewicht, vergleicht, der die<lb/> geraubten Rinder rücklings in seine Höhle zieht; „also will der Wucherer auch<lb/> die Welt äffen, als nütze er und gebe der Welt Ochsen, so er sie doch zu sich</p><lb/> <note xml:id="FID_45" prev="#FID_44" place="foot"> Groß-, insbesondre der Kvlossalvermögen," Leider hat der Verfasser in seiner Übersicht der<lb/> Endergebnisse gerade den wichtigsten Punkt: den ursächlichen Zusammenhang zwischen Kolossal-<lb/> reichtnm und Bolkselend übergangen, obwohl ihn schon gleich sein oben angeführter erster<lb/> Satz gewissermaßen mit der Nase daraus gestoßen hatte.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
auftretende Form des Erwerbs von Grvßvermögen ist die durch Auswuche¬
rung von Stammesgenossen." Mit Beziehung ans die großen Vermögen, die
heute an der Börse gewonnen werden, gesteht er zu: „Auch die eigentliche
Konjunktur, d. h. das divinntorische Erkennen einer herannahenden günstigen
Preisstellung, ist die reguläre Quelle mindestens der Kolossalvermögen an der
Börse nicht gewesen, sondern es war entweder eine Aktion, die den That¬
bestand des Wuchers nach moderner Auffassung in sich trägt, oder die Berich¬
tigung des Kurses mit deu Mitteln, sie durchzusetzen." Da nun aber der
Wucher nichts andres ist, als die Ausnutzung der Not des Nächsten zu
eignem Vorteil, so folgt ans dieser Charakteristik dieser Art von Vermögens-
bildnng, daß sie die Not voraussetzt; hat der Spekulant fiir seine Zwecke die
Notlage erst zu schaffen — um so schlimmer für diese Vermögen!
Auf die schwierige Frage, ob die Häute Fiuanec, deren wahres Wesen in
der deutschen Gründerei von 1871 bis 1873 und in dem französischen Panama¬
skandal auch dem Blindesten offenbar geworden sein muß, eine für Volk und
Staat notwendige Funktion ausübe, um deren willen man sich die von ihr
untrennbaren Auswüchse gefallen lassen müsse, gehen wir hier nicht ein. „Die
städtische Grundrente, sagt Wolf, ist die in gewissem Sinne höchststehende
Varietät des Konjektnraleinkommens, weil sie die Gefahr der Niete weit mehr
ausschließt als jede andre Konjunktur." Als Beispiele für die durch steigende
städtische Grundrente erworbnen oder sozusagen von selbst gewordnen Kvlvssal-
vermögen führt er die Astors an und den Herzog von Westminster, von dem
es heißt, „daß er demnächst ans ein Jahreseinkommen von 25 Millionen
Franken werde rechnen können. Das ihm gehörige Land, im Herzen Londons,
wird heute den Hauseigentümern zu dörrenden, aber den Verhältnissen ange¬
messenen Preisen vermietet." Von allen Arten Wucher, das unterläßt Wolf
zu sagen, ist dieser wohl der schlimmste. Viele tausend Familien zwingen, den
dritten Teil ihres kärglichen, ungewissen und sauer, zum Teil durch körperlich
und sittlich schmutzigen Erwerb verdienten Einkommens für eine Wohnung zu
zahle», die oft gar keine menschliche Wohnung mehr ist, was kann es nieder¬
trächtigeres geben? Aber, wird ein solcher Herr sagen, wer zwingt sie denn?
Ich doch nicht! Sie gcbens ja freiwillig, sie reißen sich drum. Ja freilich,
nachdem man das Volk in eine Lage versetzt hat, wo es „freiwillig" die un¬
glaublichsten Entbehrungen erdulden muß. Vortrefflich hat Luther den Wucherer
charakterisirt, indem er ihn dem Cacus, diesem Bösewicht, vergleicht, der die
geraubten Rinder rücklings in seine Höhle zieht; „also will der Wucherer auch
die Welt äffen, als nütze er und gebe der Welt Ochsen, so er sie doch zu sich
Groß-, insbesondre der Kvlossalvermögen," Leider hat der Verfasser in seiner Übersicht der
Endergebnisse gerade den wichtigsten Punkt: den ursächlichen Zusammenhang zwischen Kolossal-
reichtnm und Bolkselend übergangen, obwohl ihn schon gleich sein oben angeführter erster
Satz gewissermaßen mit der Nase daraus gestoßen hatte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |