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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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wohlhabenden, unternehmenden, gebildeten Bauern besteht, die außer der Land¬
wirtschaft auch noch eine Menge Nebengewerbe betreiben, um sich mit dem
Nötige" möglichst selbst zu versorgen und von der Industrie unabhängig zu
bleiben, während das englische Volk größtenteils aus Arbeitern besteht und
der Arbeiter ^ in^iZi'-Miz vrswll ist. ,,Jn welchem Lande -- ruft Wakefield
entrüstet aus -- außer in Nordamerika und einigen neuen Kolonien über¬
steigen wohl die Löhne der ländlichen Arbeiter wesentlich das Existenzminimum?
Werden doch in England die Ackerpferde, die ja wertvolle Besitzstücke sind,
viel besser genährt als die Vebauer des Landes!" Um dieser traurigen Ver¬
fassung der Kolonien, wo Kapital nichts nützt und niemand rasch reich werden
kann, gründlich abzuhelfen, macht er folgenden Vorschlag. . Die Regierung soll
das noch nicht vkkupirte Land mit Beschlag belegen und einen künstlichen, von
Angebot und Nachfrage unabhängigen Preis dafür machen, der die Arbeiter
zwingt, längere Zeit zu arbeiten, ehe sie die zum Ankauf von Land erforder¬
liche Summe zusammensparen. Mit den Verkaufsgeldern soll ein Fonds ge¬
gründet werden, aus dem die Kosten sür Übersiedlung besitzloser Arbeiter aus
England zu bestreiten wäre". So soll durch Landverteueruug und gleichzeitige
Vermehrung der Hände der Kapitalist in den Stand gesetzt werden, sein totes
Kapital lebendig zu machen. Mit andern Worten: es soll Bolkselend erzeugt
werden, damit Privatreichtnmer entstehen können, deren Gesamtheit dann mit dem
schönen Worte "Nationnlreichtum" bezeichnet zu werden pflegt. Da hätten wir
also den von einem Vertreter des Kapitalismus geführten klaren und unwider-
leglicher Beweis dafür, daß der Nationalreichtum im modernen Sinne gleich¬
bedeutend ist mit Volkselend, ohne dieses gnr nicht entstehen kann! Marx
bemerkt hierzu noch, daß die englische Regierung den schlauen Rat eine Zeit
lang befolgt habe, ohne andern Erfolg jedoch, als daß dadurch die englische
Auswandrnng von deu englischen Kolonien in die Vereinigten Staaten ab¬
gelenkt worden sei. In diesen haben dann, wie bekannt, die Schutzzollpolitik,
die Landverschenkuugeu an die Eisenbahngesellschaften und der fortwährende
Zufluß besitzloser Auswandrer zusammengewirkt, das kapitalistische Ideal einiger¬
maßen zu verwirklichen. Doch ist immerhin des fruchtbaren und auch cmMineral-
schätzen reichen Bodeus uoch so viel vorhanden, daß Kvlossalreichtümer auf¬
gehäuft werden konnten, ohne die Arbeiter bis zum englischen Elend herab¬
zudrücken. Dazu kommt, daß trotz aller Erbärmlichkeit der politischen Verhältnisse
die Demokratie doch noch kein leerer Schein und die Masse nicht ganz ohne
Einfluß auf die Gesetzgebung ist. Demnach ist in den letzten Jahren die Eiu-
wandruug europäischer "Paupers" wesentlich erschwert worden, und man
geht sogar, um den stetigen Fall der Arbeitslöhne zu hemmen, mit dem Plane
um, die Einwandruug Mittelloser vorläufig auf fünf Jahre oder auch nur,
unter dem Vorwande der Weltausstellung, auf ein Jahr ganz zu verbieten.
Man denke! In einem Reiche, wo sieben Einwohner ans den Quadratkilometer


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wohlhabenden, unternehmenden, gebildeten Bauern besteht, die außer der Land¬
wirtschaft auch noch eine Menge Nebengewerbe betreiben, um sich mit dem
Nötige» möglichst selbst zu versorgen und von der Industrie unabhängig zu
bleiben, während das englische Volk größtenteils aus Arbeitern besteht und
der Arbeiter ^ in^iZi'-Miz vrswll ist. ,,Jn welchem Lande — ruft Wakefield
entrüstet aus — außer in Nordamerika und einigen neuen Kolonien über¬
steigen wohl die Löhne der ländlichen Arbeiter wesentlich das Existenzminimum?
Werden doch in England die Ackerpferde, die ja wertvolle Besitzstücke sind,
viel besser genährt als die Vebauer des Landes!" Um dieser traurigen Ver¬
fassung der Kolonien, wo Kapital nichts nützt und niemand rasch reich werden
kann, gründlich abzuhelfen, macht er folgenden Vorschlag. . Die Regierung soll
das noch nicht vkkupirte Land mit Beschlag belegen und einen künstlichen, von
Angebot und Nachfrage unabhängigen Preis dafür machen, der die Arbeiter
zwingt, längere Zeit zu arbeiten, ehe sie die zum Ankauf von Land erforder¬
liche Summe zusammensparen. Mit den Verkaufsgeldern soll ein Fonds ge¬
gründet werden, aus dem die Kosten sür Übersiedlung besitzloser Arbeiter aus
England zu bestreiten wäre». So soll durch Landverteueruug und gleichzeitige
Vermehrung der Hände der Kapitalist in den Stand gesetzt werden, sein totes
Kapital lebendig zu machen. Mit andern Worten: es soll Bolkselend erzeugt
werden, damit Privatreichtnmer entstehen können, deren Gesamtheit dann mit dem
schönen Worte „Nationnlreichtum" bezeichnet zu werden pflegt. Da hätten wir
also den von einem Vertreter des Kapitalismus geführten klaren und unwider-
leglicher Beweis dafür, daß der Nationalreichtum im modernen Sinne gleich¬
bedeutend ist mit Volkselend, ohne dieses gnr nicht entstehen kann! Marx
bemerkt hierzu noch, daß die englische Regierung den schlauen Rat eine Zeit
lang befolgt habe, ohne andern Erfolg jedoch, als daß dadurch die englische
Auswandrnng von deu englischen Kolonien in die Vereinigten Staaten ab¬
gelenkt worden sei. In diesen haben dann, wie bekannt, die Schutzzollpolitik,
die Landverschenkuugeu an die Eisenbahngesellschaften und der fortwährende
Zufluß besitzloser Auswandrer zusammengewirkt, das kapitalistische Ideal einiger¬
maßen zu verwirklichen. Doch ist immerhin des fruchtbaren und auch cmMineral-
schätzen reichen Bodeus uoch so viel vorhanden, daß Kvlossalreichtümer auf¬
gehäuft werden konnten, ohne die Arbeiter bis zum englischen Elend herab¬
zudrücken. Dazu kommt, daß trotz aller Erbärmlichkeit der politischen Verhältnisse
die Demokratie doch noch kein leerer Schein und die Masse nicht ganz ohne
Einfluß auf die Gesetzgebung ist. Demnach ist in den letzten Jahren die Eiu-
wandruug europäischer „Paupers" wesentlich erschwert worden, und man
geht sogar, um den stetigen Fall der Arbeitslöhne zu hemmen, mit dem Plane
um, die Einwandruug Mittelloser vorläufig auf fünf Jahre oder auch nur,
unter dem Vorwande der Weltausstellung, auf ein Jahr ganz zu verbieten.
Man denke! In einem Reiche, wo sieben Einwohner ans den Quadratkilometer


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[0572] Zvedcr Rouunuuisinus noch 'Kapiwlisüius wohlhabenden, unternehmenden, gebildeten Bauern besteht, die außer der Land¬ wirtschaft auch noch eine Menge Nebengewerbe betreiben, um sich mit dem Nötige» möglichst selbst zu versorgen und von der Industrie unabhängig zu bleiben, während das englische Volk größtenteils aus Arbeitern besteht und der Arbeiter ^ in^iZi'-Miz vrswll ist. ,,Jn welchem Lande — ruft Wakefield entrüstet aus — außer in Nordamerika und einigen neuen Kolonien über¬ steigen wohl die Löhne der ländlichen Arbeiter wesentlich das Existenzminimum? Werden doch in England die Ackerpferde, die ja wertvolle Besitzstücke sind, viel besser genährt als die Vebauer des Landes!" Um dieser traurigen Ver¬ fassung der Kolonien, wo Kapital nichts nützt und niemand rasch reich werden kann, gründlich abzuhelfen, macht er folgenden Vorschlag. . Die Regierung soll das noch nicht vkkupirte Land mit Beschlag belegen und einen künstlichen, von Angebot und Nachfrage unabhängigen Preis dafür machen, der die Arbeiter zwingt, längere Zeit zu arbeiten, ehe sie die zum Ankauf von Land erforder¬ liche Summe zusammensparen. Mit den Verkaufsgeldern soll ein Fonds ge¬ gründet werden, aus dem die Kosten sür Übersiedlung besitzloser Arbeiter aus England zu bestreiten wäre». So soll durch Landverteueruug und gleichzeitige Vermehrung der Hände der Kapitalist in den Stand gesetzt werden, sein totes Kapital lebendig zu machen. Mit andern Worten: es soll Bolkselend erzeugt werden, damit Privatreichtnmer entstehen können, deren Gesamtheit dann mit dem schönen Worte „Nationnlreichtum" bezeichnet zu werden pflegt. Da hätten wir also den von einem Vertreter des Kapitalismus geführten klaren und unwider- leglicher Beweis dafür, daß der Nationalreichtum im modernen Sinne gleich¬ bedeutend ist mit Volkselend, ohne dieses gnr nicht entstehen kann! Marx bemerkt hierzu noch, daß die englische Regierung den schlauen Rat eine Zeit lang befolgt habe, ohne andern Erfolg jedoch, als daß dadurch die englische Auswandrnng von deu englischen Kolonien in die Vereinigten Staaten ab¬ gelenkt worden sei. In diesen haben dann, wie bekannt, die Schutzzollpolitik, die Landverschenkuugeu an die Eisenbahngesellschaften und der fortwährende Zufluß besitzloser Auswandrer zusammengewirkt, das kapitalistische Ideal einiger¬ maßen zu verwirklichen. Doch ist immerhin des fruchtbaren und auch cmMineral- schätzen reichen Bodeus uoch so viel vorhanden, daß Kvlossalreichtümer auf¬ gehäuft werden konnten, ohne die Arbeiter bis zum englischen Elend herab¬ zudrücken. Dazu kommt, daß trotz aller Erbärmlichkeit der politischen Verhältnisse die Demokratie doch noch kein leerer Schein und die Masse nicht ganz ohne Einfluß auf die Gesetzgebung ist. Demnach ist in den letzten Jahren die Eiu- wandruug europäischer „Paupers" wesentlich erschwert worden, und man geht sogar, um den stetigen Fall der Arbeitslöhne zu hemmen, mit dem Plane um, die Einwandruug Mittelloser vorläufig auf fünf Jahre oder auch nur, unter dem Vorwande der Weltausstellung, auf ein Jahr ganz zu verbieten. Man denke! In einem Reiche, wo sieben Einwohner ans den Quadratkilometer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/572>, abgerufen am 26.06.2024.