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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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"In der Schule sollen die Kinder lernen, was sie wissen müssen, wenn sie er¬
wachsen sind (es Hu'ils civil) vsrck "s^voir estants llomnnzs.)" "Das Kind muß
also sich selbst kenne" lernen, seinen Leib und die Hauptthätigkeiten des mensch¬
lichen Organismus; seinen Geist, sein Gewissen, seine Vernunft, alles, was es
zu einem geistig-sittlichen Wesen, zu einem Geschöpfe höherer Ordnung macht.
Es muß ferner die Gesellschaft kennen, in der es zu leben bestimmt ist, seine
Pflichten und Rechte als Bürger, das Vaterland und seine Institutionen; es
muß wissen, was man unter Gemeinde und Departement versteht, wie die
Wahlen vor sich gehen, wie das Steuerwesen, die Rechtspflege, der öffentliche
Unterricht, mit einem Worte, wie die Verwaltung des Landes eingerichtet ist.
Alle unsre Zöglinge sollen Soldaten werden. Wir zeigen ihnen deshalb die
Einrichtung unsers Heeres und unsrer Marine, die Landesgrenzen und unsre
Mittel zu ihrer Verteidigung und bringen ihnen so die ersten militärischen
Begriffe bei, die kein Franzose heutzutage entbehre" kann. Wir haben auch
die Stellung des Mädchens nicht vergessen. Ju dem Kapitel "Weibliche Be¬
schäftigungen" ist eine Reihe von Lesestücken den weiblichen Pflichten gewidmet,
von den Pflichten der Dienerin und Arbeiterin bis zu denen der Lehrerin.
Die neun ersten Kapitel enthalten also in einer Form, die nach unserm Dafür¬
halten dem Verständnis des Kindes angepaßt ist, jene sittliche und staats¬
bürgerliche Belehrung, die das Gesetz von dem Volksschulunterricht (öiisLiAruz-
rnent xriw,u.irö) fordert. Die Abschnitte über "Gemeinnützige Kenntnisse" sollen
das Kind zur Beobachtung seiner Umgebung und zum Nachdenken über die
Vorgänge veranlassen, die sich alltäglich vor seinen Augen abspielen. Reisen
und Forschungen im Auslande haben stets einen besondern Reiz ans die Jugend
ausgeübt. Wir wünschen, daß die Lehrer ihren Schülern recht oft Mittei¬
lungen dieser Art machen möchte"; um sie dazu anzuregen, haben wir einige
geographische Lesestücke hinzugefügt. Endlich haben wir um der Ermüdung
vorzubeugen zwischen die Prosanbschnitte einige Gedichte von Dichtern der
Gegenwart eingeschaltet. Die Verfasser haben uns zu dieser Veröffentlichung
freundlich ermächtigt, um auf diese Weise zu unserm Erziehungs- und Unter¬
richtswerke einen Beitrag zu liefern."

Es käme nun darauf an, aus dein Buche einige Proben zu geben. Ich
wähle zunächst aus dem ersten Abschnitt ein Stück unter der Überschrift "Die
verdorbne Luft." Es mag zugleich als Beispiel für die Anschaulichkeit der
Darstellung, für die Klarheit und Leichtigkeit des Ausdrucks, für die zweck¬
mäßige Abgrenzung und die praktische Verwertung des naturkundlichen Stoffes
dienen:

Hauche eine Fensterscheibe an, das Glas wird trübe und bedeckt sich mit
kleinen Wassertropfen; blast auf eine andre Fensterscheibe mit einem Blasebalg, und
ihr werdet keine Veränderung bemerken. Daraus könnt ihr abnehmen, daß die
Luft, die ans unsern Lungen kommt, der Luft nicht gleich ist, die uns umgiebt.
Sie enthält Wasserdnmpf, und wenn dieser Wasserdampf mit dem kalten Glase in


„In der Schule sollen die Kinder lernen, was sie wissen müssen, wenn sie er¬
wachsen sind (es Hu'ils civil) vsrck «s^voir estants llomnnzs.)" „Das Kind muß
also sich selbst kenne» lernen, seinen Leib und die Hauptthätigkeiten des mensch¬
lichen Organismus; seinen Geist, sein Gewissen, seine Vernunft, alles, was es
zu einem geistig-sittlichen Wesen, zu einem Geschöpfe höherer Ordnung macht.
Es muß ferner die Gesellschaft kennen, in der es zu leben bestimmt ist, seine
Pflichten und Rechte als Bürger, das Vaterland und seine Institutionen; es
muß wissen, was man unter Gemeinde und Departement versteht, wie die
Wahlen vor sich gehen, wie das Steuerwesen, die Rechtspflege, der öffentliche
Unterricht, mit einem Worte, wie die Verwaltung des Landes eingerichtet ist.
Alle unsre Zöglinge sollen Soldaten werden. Wir zeigen ihnen deshalb die
Einrichtung unsers Heeres und unsrer Marine, die Landesgrenzen und unsre
Mittel zu ihrer Verteidigung und bringen ihnen so die ersten militärischen
Begriffe bei, die kein Franzose heutzutage entbehre» kann. Wir haben auch
die Stellung des Mädchens nicht vergessen. Ju dem Kapitel »Weibliche Be¬
schäftigungen« ist eine Reihe von Lesestücken den weiblichen Pflichten gewidmet,
von den Pflichten der Dienerin und Arbeiterin bis zu denen der Lehrerin.
Die neun ersten Kapitel enthalten also in einer Form, die nach unserm Dafür¬
halten dem Verständnis des Kindes angepaßt ist, jene sittliche und staats¬
bürgerliche Belehrung, die das Gesetz von dem Volksschulunterricht (öiisLiAruz-
rnent xriw,u.irö) fordert. Die Abschnitte über »Gemeinnützige Kenntnisse« sollen
das Kind zur Beobachtung seiner Umgebung und zum Nachdenken über die
Vorgänge veranlassen, die sich alltäglich vor seinen Augen abspielen. Reisen
und Forschungen im Auslande haben stets einen besondern Reiz ans die Jugend
ausgeübt. Wir wünschen, daß die Lehrer ihren Schülern recht oft Mittei¬
lungen dieser Art machen möchte»; um sie dazu anzuregen, haben wir einige
geographische Lesestücke hinzugefügt. Endlich haben wir um der Ermüdung
vorzubeugen zwischen die Prosanbschnitte einige Gedichte von Dichtern der
Gegenwart eingeschaltet. Die Verfasser haben uns zu dieser Veröffentlichung
freundlich ermächtigt, um auf diese Weise zu unserm Erziehungs- und Unter¬
richtswerke einen Beitrag zu liefern."

Es käme nun darauf an, aus dein Buche einige Proben zu geben. Ich
wähle zunächst aus dem ersten Abschnitt ein Stück unter der Überschrift „Die
verdorbne Luft." Es mag zugleich als Beispiel für die Anschaulichkeit der
Darstellung, für die Klarheit und Leichtigkeit des Ausdrucks, für die zweck¬
mäßige Abgrenzung und die praktische Verwertung des naturkundlichen Stoffes
dienen:

Hauche eine Fensterscheibe an, das Glas wird trübe und bedeckt sich mit
kleinen Wassertropfen; blast auf eine andre Fensterscheibe mit einem Blasebalg, und
ihr werdet keine Veränderung bemerken. Daraus könnt ihr abnehmen, daß die
Luft, die ans unsern Lungen kommt, der Luft nicht gleich ist, die uns umgiebt.
Sie enthält Wasserdnmpf, und wenn dieser Wasserdampf mit dem kalten Glase in


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[0536] „In der Schule sollen die Kinder lernen, was sie wissen müssen, wenn sie er¬ wachsen sind (es Hu'ils civil) vsrck «s^voir estants llomnnzs.)" „Das Kind muß also sich selbst kenne» lernen, seinen Leib und die Hauptthätigkeiten des mensch¬ lichen Organismus; seinen Geist, sein Gewissen, seine Vernunft, alles, was es zu einem geistig-sittlichen Wesen, zu einem Geschöpfe höherer Ordnung macht. Es muß ferner die Gesellschaft kennen, in der es zu leben bestimmt ist, seine Pflichten und Rechte als Bürger, das Vaterland und seine Institutionen; es muß wissen, was man unter Gemeinde und Departement versteht, wie die Wahlen vor sich gehen, wie das Steuerwesen, die Rechtspflege, der öffentliche Unterricht, mit einem Worte, wie die Verwaltung des Landes eingerichtet ist. Alle unsre Zöglinge sollen Soldaten werden. Wir zeigen ihnen deshalb die Einrichtung unsers Heeres und unsrer Marine, die Landesgrenzen und unsre Mittel zu ihrer Verteidigung und bringen ihnen so die ersten militärischen Begriffe bei, die kein Franzose heutzutage entbehre» kann. Wir haben auch die Stellung des Mädchens nicht vergessen. Ju dem Kapitel »Weibliche Be¬ schäftigungen« ist eine Reihe von Lesestücken den weiblichen Pflichten gewidmet, von den Pflichten der Dienerin und Arbeiterin bis zu denen der Lehrerin. Die neun ersten Kapitel enthalten also in einer Form, die nach unserm Dafür¬ halten dem Verständnis des Kindes angepaßt ist, jene sittliche und staats¬ bürgerliche Belehrung, die das Gesetz von dem Volksschulunterricht (öiisLiAruz- rnent xriw,u.irö) fordert. Die Abschnitte über »Gemeinnützige Kenntnisse« sollen das Kind zur Beobachtung seiner Umgebung und zum Nachdenken über die Vorgänge veranlassen, die sich alltäglich vor seinen Augen abspielen. Reisen und Forschungen im Auslande haben stets einen besondern Reiz ans die Jugend ausgeübt. Wir wünschen, daß die Lehrer ihren Schülern recht oft Mittei¬ lungen dieser Art machen möchte»; um sie dazu anzuregen, haben wir einige geographische Lesestücke hinzugefügt. Endlich haben wir um der Ermüdung vorzubeugen zwischen die Prosanbschnitte einige Gedichte von Dichtern der Gegenwart eingeschaltet. Die Verfasser haben uns zu dieser Veröffentlichung freundlich ermächtigt, um auf diese Weise zu unserm Erziehungs- und Unter¬ richtswerke einen Beitrag zu liefern." Es käme nun darauf an, aus dein Buche einige Proben zu geben. Ich wähle zunächst aus dem ersten Abschnitt ein Stück unter der Überschrift „Die verdorbne Luft." Es mag zugleich als Beispiel für die Anschaulichkeit der Darstellung, für die Klarheit und Leichtigkeit des Ausdrucks, für die zweck¬ mäßige Abgrenzung und die praktische Verwertung des naturkundlichen Stoffes dienen: Hauche eine Fensterscheibe an, das Glas wird trübe und bedeckt sich mit kleinen Wassertropfen; blast auf eine andre Fensterscheibe mit einem Blasebalg, und ihr werdet keine Veränderung bemerken. Daraus könnt ihr abnehmen, daß die Luft, die ans unsern Lungen kommt, der Luft nicht gleich ist, die uns umgiebt. Sie enthält Wasserdnmpf, und wenn dieser Wasserdampf mit dem kalten Glase in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/536>, abgerufen am 26.06.2024.