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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Feldzugsbriefe

unsers Volks gehandelt ist, dürfte sehr zweifelhaft sein.") Wenn wir z, B.
denken, daß ein hessischer Bauer, der mit einem Juden einen Prozeß hätte,
vor den Richter träte und in diesem einen Juden erkennen müßte, so würde
er glauben, daß sich die Welt umgekehrt habe.

Praktisch würde freilich mit der Ausschließung der Juden von öffent¬
lichen Ämtern nicht sehr viel erreicht sein. Sie würden noch immer ihren
Einfluß behalten in der Presse, in den Volksversammlungen, im Handels¬
betrieb u. s. w. Aber es wäre damit doch wenigstens ausgesprochen, daß wir
Deutschen Herren im eignen Hause bleiben und uns nicht ein fremdes Volk
über den Kopf wachsen lassen wollen. Die Abschließung, die die Juden dem
Deutschtum gegenüber üben, wäre dann mit gleicher Münze bezahlt.

Man hat neuerdings den Antisemitismus mit dem Bimetallismus ver¬
glichen. Beide aber haben nicht das geringste gemein, es sei denn die That¬
fache, daß sie beide unsern Regierungsmännern unbequem sind. Der Bimetallis¬
mus ist eine künstlich aufgebauschte Bewegung, die keine Wurzel im Volke hat.
Die antisemitische Bewegung hat unverkennbar ihre Wurzel tief in der Volks¬
seele. Ihr Ausbruch ist hervorgerufen worden einerseits durch die Überhebung,
zu der das Judentum im Laufe der letzten Jahrzehnte im deutschen Reiche
gelangt war, andrerseits durch das erhöhte nationale Bewußtsein unsers Volks.
Es ist ja möglich, daß zur Zeit die Bewegung ohne praktischen Erfolg bleibt.
Dann wird sie aber immer wiederkehren, solange die Juden Juden bleiben
und das deutsche Volk sich seiner Nationalität bewußt ist.




jeldzugsbriefe
I., Aus dem Feldzuge in Schleswig-Holstein
5

Aueubüll, 30. Juni 64.

i
eber Onkel, Alsen ist genommen! ich habe dir gestern eine tele¬
graphische Depesche geschickt; ob sie bei dem furchtbaren Trubel und
großem Verkehr auf dem Telegrnvhenlmreau angekommen ist, weiß
ich nicht. Dienstag den 28. abends kam ich von Gravenstein und
hörte, daß der General von Goben (26. Jufmiterievrigcide) unsre
Eskadron um einen Ordonnanzoffizier gebeten hätte. Bülow hatte
mich erst fragen wollen, ob ich dieses Kommando haben wollte, und als ich seiner
Ansicht nach nicht früh genug zurückwar, hat der Leutnant von dem Knesebeck dazu



*) Ebenso damit, daß man Juden als Volksvertreter und Universitätslehrer zuläßt. Aber
die guten Deutschen schicken sie in Landtag und Reichstag und lassen sich ihre Gesetze von
Feldzugsbriefe

unsers Volks gehandelt ist, dürfte sehr zweifelhaft sein.") Wenn wir z, B.
denken, daß ein hessischer Bauer, der mit einem Juden einen Prozeß hätte,
vor den Richter träte und in diesem einen Juden erkennen müßte, so würde
er glauben, daß sich die Welt umgekehrt habe.

Praktisch würde freilich mit der Ausschließung der Juden von öffent¬
lichen Ämtern nicht sehr viel erreicht sein. Sie würden noch immer ihren
Einfluß behalten in der Presse, in den Volksversammlungen, im Handels¬
betrieb u. s. w. Aber es wäre damit doch wenigstens ausgesprochen, daß wir
Deutschen Herren im eignen Hause bleiben und uns nicht ein fremdes Volk
über den Kopf wachsen lassen wollen. Die Abschließung, die die Juden dem
Deutschtum gegenüber üben, wäre dann mit gleicher Münze bezahlt.

Man hat neuerdings den Antisemitismus mit dem Bimetallismus ver¬
glichen. Beide aber haben nicht das geringste gemein, es sei denn die That¬
fache, daß sie beide unsern Regierungsmännern unbequem sind. Der Bimetallis¬
mus ist eine künstlich aufgebauschte Bewegung, die keine Wurzel im Volke hat.
Die antisemitische Bewegung hat unverkennbar ihre Wurzel tief in der Volks¬
seele. Ihr Ausbruch ist hervorgerufen worden einerseits durch die Überhebung,
zu der das Judentum im Laufe der letzten Jahrzehnte im deutschen Reiche
gelangt war, andrerseits durch das erhöhte nationale Bewußtsein unsers Volks.
Es ist ja möglich, daß zur Zeit die Bewegung ohne praktischen Erfolg bleibt.
Dann wird sie aber immer wiederkehren, solange die Juden Juden bleiben
und das deutsche Volk sich seiner Nationalität bewußt ist.




jeldzugsbriefe
I., Aus dem Feldzuge in Schleswig-Holstein
5

Aueubüll, 30. Juni 64.

i
eber Onkel, Alsen ist genommen! ich habe dir gestern eine tele¬
graphische Depesche geschickt; ob sie bei dem furchtbaren Trubel und
großem Verkehr auf dem Telegrnvhenlmreau angekommen ist, weiß
ich nicht. Dienstag den 28. abends kam ich von Gravenstein und
hörte, daß der General von Goben (26. Jufmiterievrigcide) unsre
Eskadron um einen Ordonnanzoffizier gebeten hätte. Bülow hatte
mich erst fragen wollen, ob ich dieses Kommando haben wollte, und als ich seiner
Ansicht nach nicht früh genug zurückwar, hat der Leutnant von dem Knesebeck dazu



*) Ebenso damit, daß man Juden als Volksvertreter und Universitätslehrer zuläßt. Aber
die guten Deutschen schicken sie in Landtag und Reichstag und lassen sich ihre Gesetze von
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[0433] Feldzugsbriefe unsers Volks gehandelt ist, dürfte sehr zweifelhaft sein.") Wenn wir z, B. denken, daß ein hessischer Bauer, der mit einem Juden einen Prozeß hätte, vor den Richter träte und in diesem einen Juden erkennen müßte, so würde er glauben, daß sich die Welt umgekehrt habe. Praktisch würde freilich mit der Ausschließung der Juden von öffent¬ lichen Ämtern nicht sehr viel erreicht sein. Sie würden noch immer ihren Einfluß behalten in der Presse, in den Volksversammlungen, im Handels¬ betrieb u. s. w. Aber es wäre damit doch wenigstens ausgesprochen, daß wir Deutschen Herren im eignen Hause bleiben und uns nicht ein fremdes Volk über den Kopf wachsen lassen wollen. Die Abschließung, die die Juden dem Deutschtum gegenüber üben, wäre dann mit gleicher Münze bezahlt. Man hat neuerdings den Antisemitismus mit dem Bimetallismus ver¬ glichen. Beide aber haben nicht das geringste gemein, es sei denn die That¬ fache, daß sie beide unsern Regierungsmännern unbequem sind. Der Bimetallis¬ mus ist eine künstlich aufgebauschte Bewegung, die keine Wurzel im Volke hat. Die antisemitische Bewegung hat unverkennbar ihre Wurzel tief in der Volks¬ seele. Ihr Ausbruch ist hervorgerufen worden einerseits durch die Überhebung, zu der das Judentum im Laufe der letzten Jahrzehnte im deutschen Reiche gelangt war, andrerseits durch das erhöhte nationale Bewußtsein unsers Volks. Es ist ja möglich, daß zur Zeit die Bewegung ohne praktischen Erfolg bleibt. Dann wird sie aber immer wiederkehren, solange die Juden Juden bleiben und das deutsche Volk sich seiner Nationalität bewußt ist. jeldzugsbriefe I., Aus dem Feldzuge in Schleswig-Holstein 5 Aueubüll, 30. Juni 64. i eber Onkel, Alsen ist genommen! ich habe dir gestern eine tele¬ graphische Depesche geschickt; ob sie bei dem furchtbaren Trubel und großem Verkehr auf dem Telegrnvhenlmreau angekommen ist, weiß ich nicht. Dienstag den 28. abends kam ich von Gravenstein und hörte, daß der General von Goben (26. Jufmiterievrigcide) unsre Eskadron um einen Ordonnanzoffizier gebeten hätte. Bülow hatte mich erst fragen wollen, ob ich dieses Kommando haben wollte, und als ich seiner Ansicht nach nicht früh genug zurückwar, hat der Leutnant von dem Knesebeck dazu *) Ebenso damit, daß man Juden als Volksvertreter und Universitätslehrer zuläßt. Aber die guten Deutschen schicken sie in Landtag und Reichstag und lassen sich ihre Gesetze von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/433>, abgerufen am 25.11.2024.