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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

Die Handhabe gaben nach den amerikanischen Zeitungen folgende Um¬
stände. In der hawaiischen Kammer wurde am 10. Januar ein Lotteriegesetz
angenommen, wonach gegen eine jährliche Steuer von einer halben Million
Dollars eiuer Gesellschaft von sechs Personen das Recht zugestanden werden
sollte, eine Lotterie einzurichten. Zu diesem Gesetze verweigerten die Minister
die Unterschrift, da es nur die Stimme eines Weißen bekommen hatte, während
von den leichtlebigen Eingebornen fünfundzwanzig dafür gestimmt hatten. In
der Sitzung vom 12. Januar drückten nnn eben diese Leute dem Ministerium
ihr Mißtrauen aus, und die Minister reichten ihre Entlassung ein. Diesen
Umstand wollte die Königin benutzen, um das, was der Bruder schon einmal
vergeblich versucht hatte, zu erreichen: die Macht der Krone durch eine Ver¬
fassungsänderung zu stärke". Am 15. Januar legte sie den neuen Ministern
die neue Verfassung vor, die allen Fremden das Wahlrecht nahm. Diese
weigerten sich, darauf einzugehen; es kam zu lebhaften Auseinandersetzungen,
die schließlich zum offnen Aufstande führten.

Am Abend des 15. wurde noch ein Wohlfahrtsausschuß gebildet. Am
nächsten Morgen wurden von dem amerikanischen Kreuzer Boston 300 Matrosen
ans Land gesetzt, die zwar zunächst das Konsulat besetzten, sich aber nicht
auf den Schutz des .Konsulats und der amerikanischen Bürger beschränkten,
sondern alsbald für die stellvertretende Regierung Partei ergriffen und mit
zwei Kanonen die Straßen durchzogen. Desselben Tags fand auch im Zeug¬
hause eine Versammlung der Weißen statt, die von 1200 bis 1500 Personen
besucht war. Diese tadelte die Handlungsweise der Königin und ermächtigte
den Wohlfahrtsausschuß, alles für die öffentliche Sicherheit nötige vor¬
zubereiten.

Die Königin zog sich ans ihr Landgut zurück, legte aber um 17. Januar
gegen das Verfahren der Amerikaner Verwahrung ein. Sie erklärte, sie weiche
nur der überlegnen Gewalt der Vereinigten Staaten -- deren Gesandter,
Mr. John L. Stevens, ließ nämlich Truppen in Honolulu landen, um die stell¬
vertretende Negierung zu unterstützen --, und sie hoffe zuversichtlich, bald in
die ihr als der verfassungsmäßigen Herrscherin zustehenden Rechte wieder ein¬
gesetzt zu werden.

Am 19. Januar fuhr auf dem Dampfer Claudine eine Abordnung, die
aus Lorm Thurston, William Wilder, William Castle, Charles Carter und
Joseph Masten bestand, nach Sau Franzisko, um die Bitte um Einverleibung
des Jnselreichs in die Vereinigten Staaten in Washington vorzutragen. Von
diesen Abgeordneten ist besonders der frühere Minister Carter bekannt, der
noch vor Abschluß des Gegeuseitigkeitsvertragcs wegen offen nnsgesprochner
amerikanischer Interessenpolitik seine Entlassung hatte nehmen müssen.

Nach diesen Berichten, die allerdings amerikanischen Quellen entstammen
und daher gefärbt sein können, ist der Aufstand von den Weißen ausgegangen,


Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

Die Handhabe gaben nach den amerikanischen Zeitungen folgende Um¬
stände. In der hawaiischen Kammer wurde am 10. Januar ein Lotteriegesetz
angenommen, wonach gegen eine jährliche Steuer von einer halben Million
Dollars eiuer Gesellschaft von sechs Personen das Recht zugestanden werden
sollte, eine Lotterie einzurichten. Zu diesem Gesetze verweigerten die Minister
die Unterschrift, da es nur die Stimme eines Weißen bekommen hatte, während
von den leichtlebigen Eingebornen fünfundzwanzig dafür gestimmt hatten. In
der Sitzung vom 12. Januar drückten nnn eben diese Leute dem Ministerium
ihr Mißtrauen aus, und die Minister reichten ihre Entlassung ein. Diesen
Umstand wollte die Königin benutzen, um das, was der Bruder schon einmal
vergeblich versucht hatte, zu erreichen: die Macht der Krone durch eine Ver¬
fassungsänderung zu stärke». Am 15. Januar legte sie den neuen Ministern
die neue Verfassung vor, die allen Fremden das Wahlrecht nahm. Diese
weigerten sich, darauf einzugehen; es kam zu lebhaften Auseinandersetzungen,
die schließlich zum offnen Aufstande führten.

Am Abend des 15. wurde noch ein Wohlfahrtsausschuß gebildet. Am
nächsten Morgen wurden von dem amerikanischen Kreuzer Boston 300 Matrosen
ans Land gesetzt, die zwar zunächst das Konsulat besetzten, sich aber nicht
auf den Schutz des .Konsulats und der amerikanischen Bürger beschränkten,
sondern alsbald für die stellvertretende Regierung Partei ergriffen und mit
zwei Kanonen die Straßen durchzogen. Desselben Tags fand auch im Zeug¬
hause eine Versammlung der Weißen statt, die von 1200 bis 1500 Personen
besucht war. Diese tadelte die Handlungsweise der Königin und ermächtigte
den Wohlfahrtsausschuß, alles für die öffentliche Sicherheit nötige vor¬
zubereiten.

Die Königin zog sich ans ihr Landgut zurück, legte aber um 17. Januar
gegen das Verfahren der Amerikaner Verwahrung ein. Sie erklärte, sie weiche
nur der überlegnen Gewalt der Vereinigten Staaten — deren Gesandter,
Mr. John L. Stevens, ließ nämlich Truppen in Honolulu landen, um die stell¬
vertretende Negierung zu unterstützen —, und sie hoffe zuversichtlich, bald in
die ihr als der verfassungsmäßigen Herrscherin zustehenden Rechte wieder ein¬
gesetzt zu werden.

Am 19. Januar fuhr auf dem Dampfer Claudine eine Abordnung, die
aus Lorm Thurston, William Wilder, William Castle, Charles Carter und
Joseph Masten bestand, nach Sau Franzisko, um die Bitte um Einverleibung
des Jnselreichs in die Vereinigten Staaten in Washington vorzutragen. Von
diesen Abgeordneten ist besonders der frühere Minister Carter bekannt, der
noch vor Abschluß des Gegeuseitigkeitsvertragcs wegen offen nnsgesprochner
amerikanischer Interessenpolitik seine Entlassung hatte nehmen müssen.

Nach diesen Berichten, die allerdings amerikanischen Quellen entstammen
und daher gefärbt sein können, ist der Aufstand von den Weißen ausgegangen,


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[0365] Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln Die Handhabe gaben nach den amerikanischen Zeitungen folgende Um¬ stände. In der hawaiischen Kammer wurde am 10. Januar ein Lotteriegesetz angenommen, wonach gegen eine jährliche Steuer von einer halben Million Dollars eiuer Gesellschaft von sechs Personen das Recht zugestanden werden sollte, eine Lotterie einzurichten. Zu diesem Gesetze verweigerten die Minister die Unterschrift, da es nur die Stimme eines Weißen bekommen hatte, während von den leichtlebigen Eingebornen fünfundzwanzig dafür gestimmt hatten. In der Sitzung vom 12. Januar drückten nnn eben diese Leute dem Ministerium ihr Mißtrauen aus, und die Minister reichten ihre Entlassung ein. Diesen Umstand wollte die Königin benutzen, um das, was der Bruder schon einmal vergeblich versucht hatte, zu erreichen: die Macht der Krone durch eine Ver¬ fassungsänderung zu stärke». Am 15. Januar legte sie den neuen Ministern die neue Verfassung vor, die allen Fremden das Wahlrecht nahm. Diese weigerten sich, darauf einzugehen; es kam zu lebhaften Auseinandersetzungen, die schließlich zum offnen Aufstande führten. Am Abend des 15. wurde noch ein Wohlfahrtsausschuß gebildet. Am nächsten Morgen wurden von dem amerikanischen Kreuzer Boston 300 Matrosen ans Land gesetzt, die zwar zunächst das Konsulat besetzten, sich aber nicht auf den Schutz des .Konsulats und der amerikanischen Bürger beschränkten, sondern alsbald für die stellvertretende Regierung Partei ergriffen und mit zwei Kanonen die Straßen durchzogen. Desselben Tags fand auch im Zeug¬ hause eine Versammlung der Weißen statt, die von 1200 bis 1500 Personen besucht war. Diese tadelte die Handlungsweise der Königin und ermächtigte den Wohlfahrtsausschuß, alles für die öffentliche Sicherheit nötige vor¬ zubereiten. Die Königin zog sich ans ihr Landgut zurück, legte aber um 17. Januar gegen das Verfahren der Amerikaner Verwahrung ein. Sie erklärte, sie weiche nur der überlegnen Gewalt der Vereinigten Staaten — deren Gesandter, Mr. John L. Stevens, ließ nämlich Truppen in Honolulu landen, um die stell¬ vertretende Negierung zu unterstützen —, und sie hoffe zuversichtlich, bald in die ihr als der verfassungsmäßigen Herrscherin zustehenden Rechte wieder ein¬ gesetzt zu werden. Am 19. Januar fuhr auf dem Dampfer Claudine eine Abordnung, die aus Lorm Thurston, William Wilder, William Castle, Charles Carter und Joseph Masten bestand, nach Sau Franzisko, um die Bitte um Einverleibung des Jnselreichs in die Vereinigten Staaten in Washington vorzutragen. Von diesen Abgeordneten ist besonders der frühere Minister Carter bekannt, der noch vor Abschluß des Gegeuseitigkeitsvertragcs wegen offen nnsgesprochner amerikanischer Interessenpolitik seine Entlassung hatte nehmen müssen. Nach diesen Berichten, die allerdings amerikanischen Quellen entstammen und daher gefärbt sein können, ist der Aufstand von den Weißen ausgegangen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/365>, abgerufen am 28.06.2024.