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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die politische Lage auf den hawaiischeu Juseln

denn das Wahlrecht entzogen werden sollte. Bisher lag die Verwaltung, wie
die Namen der Minister ergeben, in den Händen von Vertretern des germa¬
nischen Stammes. Es kann nicht bestritten werden, daß ein Ausschließen der
Weißen, des gebildeter" und an Zahl den Kanälen nur wenig nachstehenden
Teiles der Jnselbevöllerung, nicht geduldet werden durfte; denn nach der Zäh¬
lung vom 28, Dezember 1890 besteht die Bevölkerung aus 34000 eingebornen
Kanälen, 6000 Mischungen, 21000 Weißen, 15000 Chinesen, 12000 Japa¬
nern und 600 Südseeinsulanern. In einigen Jahren wird sich das Verhältnis
zu Ungunsten der Kanälen noch viel mehr verschoben haben, denn, wie be¬
kannt, geht dieser geistig begabte, schön gebildete Volksstamm leider seinem
Untergange entgegen. Der schreckliche Aussatz, andre eingeschleppte Krankheiten
und der geringe Kindersegen sind der Grund davon, während sich die Familien
der Eingewandert"!, auch der Deutschen, zahlreicher Nachkommenschaft erfreuen
und die Mischlinge rasch anwachsen.

Unter den Weißen stehen an Zahl obenan die Portugiesen, die 8600 Kopfe
ausweisen, meist Leute von Madeira und den Azoren, dann folgen 1923
Amerikaner, 1344 Engländer, 1034 Deutsche, 227 Norweger, 70 Franzosen,
419 Angehörige andrer Nationen und 7495 Kinder von Weißen. Die Portu¬
giesen kommen, was öffentliche Angelegenheiten anlangt, nicht in Betracht,
da sie meist dem Arbeiterstande angehören; ebenso wenig die Franzosen, deren
Vertreter fast nur Missionare sind.

Anders steht es mit den Angehörigen des germanischen Stammes, mit
den Deutschen, Engländern und Amerikanern. Die Deutschen sind, wenn auch
an Zahl, so doch keineswegs an Ansehn die geringsten. Das Deutschtum
nimmt im Handel und Wandel des ganzen Landes eine hohe Stelle ein.
1872 zählte man im Königreiche der Ug.og,ii"n Islands nur 224 Deutsche.
1878 waren es schon 272, davon lebten in Honolulu allein 139. 1890 be-
lief sich die Kopfzahl schon auf 1034, und jetzt beträgt sie ungefähr 1600.
Davon sind 800 in den deutschen Zuckerrohrpflanzungen und Zuckerfabriken
thätig; 800 befinden sich in der Hauptstadt selbst. Die größten Handels¬
häuser sind deutsche Firme", oder Deutsche haben wenigstens an ihnen teil.
Die deutschen Kaufleute Hackfeld Made, Müller und Hackfeld M.), Schäfer,
Völker, Martens (Hofschlägcr u. Co., früher Hofschläger und Stapenhorst)
beherrschen mit dem Deutschamerikaner Klaus Spreckels, dem kalifornischen
Zuckerkönig, der als armer hannoverscher Bauerjunge nach San Franzisko kam,
die Zuckerausfnhr, die alljährlich mehr als 100 Millionen Mark ins Land
bringt. Einem deutschen Forstmann ist die Verwaltung der arg vernach¬
lässigten Waldwirtschaft übertragen worden, denn die Sandelhvlzwaldungen,
die früher den Reichtum des Landes ausmachten, sind längst verschwunden.
Ein Deutscher unterrichtet die Hawaiier im Gartenbau. In deutschen Händen
ist eine Einrichtung, in der bisher Hawaii noch unübertroffen dasteht, die Ver-


Die politische Lage auf den hawaiischeu Juseln

denn das Wahlrecht entzogen werden sollte. Bisher lag die Verwaltung, wie
die Namen der Minister ergeben, in den Händen von Vertretern des germa¬
nischen Stammes. Es kann nicht bestritten werden, daß ein Ausschließen der
Weißen, des gebildeter» und an Zahl den Kanälen nur wenig nachstehenden
Teiles der Jnselbevöllerung, nicht geduldet werden durfte; denn nach der Zäh¬
lung vom 28, Dezember 1890 besteht die Bevölkerung aus 34000 eingebornen
Kanälen, 6000 Mischungen, 21000 Weißen, 15000 Chinesen, 12000 Japa¬
nern und 600 Südseeinsulanern. In einigen Jahren wird sich das Verhältnis
zu Ungunsten der Kanälen noch viel mehr verschoben haben, denn, wie be¬
kannt, geht dieser geistig begabte, schön gebildete Volksstamm leider seinem
Untergange entgegen. Der schreckliche Aussatz, andre eingeschleppte Krankheiten
und der geringe Kindersegen sind der Grund davon, während sich die Familien
der Eingewandert«!, auch der Deutschen, zahlreicher Nachkommenschaft erfreuen
und die Mischlinge rasch anwachsen.

Unter den Weißen stehen an Zahl obenan die Portugiesen, die 8600 Kopfe
ausweisen, meist Leute von Madeira und den Azoren, dann folgen 1923
Amerikaner, 1344 Engländer, 1034 Deutsche, 227 Norweger, 70 Franzosen,
419 Angehörige andrer Nationen und 7495 Kinder von Weißen. Die Portu¬
giesen kommen, was öffentliche Angelegenheiten anlangt, nicht in Betracht,
da sie meist dem Arbeiterstande angehören; ebenso wenig die Franzosen, deren
Vertreter fast nur Missionare sind.

Anders steht es mit den Angehörigen des germanischen Stammes, mit
den Deutschen, Engländern und Amerikanern. Die Deutschen sind, wenn auch
an Zahl, so doch keineswegs an Ansehn die geringsten. Das Deutschtum
nimmt im Handel und Wandel des ganzen Landes eine hohe Stelle ein.
1872 zählte man im Königreiche der Ug.og,ii»n Islands nur 224 Deutsche.
1878 waren es schon 272, davon lebten in Honolulu allein 139. 1890 be-
lief sich die Kopfzahl schon auf 1034, und jetzt beträgt sie ungefähr 1600.
Davon sind 800 in den deutschen Zuckerrohrpflanzungen und Zuckerfabriken
thätig; 800 befinden sich in der Hauptstadt selbst. Die größten Handels¬
häuser sind deutsche Firme«, oder Deutsche haben wenigstens an ihnen teil.
Die deutschen Kaufleute Hackfeld Made, Müller und Hackfeld M.), Schäfer,
Völker, Martens (Hofschlägcr u. Co., früher Hofschläger und Stapenhorst)
beherrschen mit dem Deutschamerikaner Klaus Spreckels, dem kalifornischen
Zuckerkönig, der als armer hannoverscher Bauerjunge nach San Franzisko kam,
die Zuckerausfnhr, die alljährlich mehr als 100 Millionen Mark ins Land
bringt. Einem deutschen Forstmann ist die Verwaltung der arg vernach¬
lässigten Waldwirtschaft übertragen worden, denn die Sandelhvlzwaldungen,
die früher den Reichtum des Landes ausmachten, sind längst verschwunden.
Ein Deutscher unterrichtet die Hawaiier im Gartenbau. In deutschen Händen
ist eine Einrichtung, in der bisher Hawaii noch unübertroffen dasteht, die Ver-


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[0366] Die politische Lage auf den hawaiischeu Juseln denn das Wahlrecht entzogen werden sollte. Bisher lag die Verwaltung, wie die Namen der Minister ergeben, in den Händen von Vertretern des germa¬ nischen Stammes. Es kann nicht bestritten werden, daß ein Ausschließen der Weißen, des gebildeter» und an Zahl den Kanälen nur wenig nachstehenden Teiles der Jnselbevöllerung, nicht geduldet werden durfte; denn nach der Zäh¬ lung vom 28, Dezember 1890 besteht die Bevölkerung aus 34000 eingebornen Kanälen, 6000 Mischungen, 21000 Weißen, 15000 Chinesen, 12000 Japa¬ nern und 600 Südseeinsulanern. In einigen Jahren wird sich das Verhältnis zu Ungunsten der Kanälen noch viel mehr verschoben haben, denn, wie be¬ kannt, geht dieser geistig begabte, schön gebildete Volksstamm leider seinem Untergange entgegen. Der schreckliche Aussatz, andre eingeschleppte Krankheiten und der geringe Kindersegen sind der Grund davon, während sich die Familien der Eingewandert«!, auch der Deutschen, zahlreicher Nachkommenschaft erfreuen und die Mischlinge rasch anwachsen. Unter den Weißen stehen an Zahl obenan die Portugiesen, die 8600 Kopfe ausweisen, meist Leute von Madeira und den Azoren, dann folgen 1923 Amerikaner, 1344 Engländer, 1034 Deutsche, 227 Norweger, 70 Franzosen, 419 Angehörige andrer Nationen und 7495 Kinder von Weißen. Die Portu¬ giesen kommen, was öffentliche Angelegenheiten anlangt, nicht in Betracht, da sie meist dem Arbeiterstande angehören; ebenso wenig die Franzosen, deren Vertreter fast nur Missionare sind. Anders steht es mit den Angehörigen des germanischen Stammes, mit den Deutschen, Engländern und Amerikanern. Die Deutschen sind, wenn auch an Zahl, so doch keineswegs an Ansehn die geringsten. Das Deutschtum nimmt im Handel und Wandel des ganzen Landes eine hohe Stelle ein. 1872 zählte man im Königreiche der Ug.og,ii»n Islands nur 224 Deutsche. 1878 waren es schon 272, davon lebten in Honolulu allein 139. 1890 be- lief sich die Kopfzahl schon auf 1034, und jetzt beträgt sie ungefähr 1600. Davon sind 800 in den deutschen Zuckerrohrpflanzungen und Zuckerfabriken thätig; 800 befinden sich in der Hauptstadt selbst. Die größten Handels¬ häuser sind deutsche Firme«, oder Deutsche haben wenigstens an ihnen teil. Die deutschen Kaufleute Hackfeld Made, Müller und Hackfeld M.), Schäfer, Völker, Martens (Hofschlägcr u. Co., früher Hofschläger und Stapenhorst) beherrschen mit dem Deutschamerikaner Klaus Spreckels, dem kalifornischen Zuckerkönig, der als armer hannoverscher Bauerjunge nach San Franzisko kam, die Zuckerausfnhr, die alljährlich mehr als 100 Millionen Mark ins Land bringt. Einem deutschen Forstmann ist die Verwaltung der arg vernach¬ lässigten Waldwirtschaft übertragen worden, denn die Sandelhvlzwaldungen, die früher den Reichtum des Landes ausmachten, sind längst verschwunden. Ein Deutscher unterrichtet die Hawaiier im Gartenbau. In deutschen Händen ist eine Einrichtung, in der bisher Hawaii noch unübertroffen dasteht, die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/366>, abgerufen am 28.09.2024.