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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Das Journal von Tiefurt

einer so wichtigen Schrift sich vielleicht schmeicheln wo nicht den Preis doch
wenigstens ein beträchtliches ^voessit zu erhalten. Von Hause den 20. August
1781. Bruder Lustig." Und das "Manifest der Langenweile" schließt mit
den Unterschriften: "Jeremia Prinzessin der Langenweile. -- Hatscha! Kanzler. --
Gotthelf! Sekretarius. -- xudlioirt durch den Gerichts-Knecht Auweh!" Auch
Wielands Antwort hatte gefallen, sodaß im neunten Stück eine neue Frage
gestellt wurde mit den Worten: "Preiß Frage. Dieser Artikel ist noch immer
eine Zierde unserer Wochenschrift gewesen, und hat uns wichtige meister¬
hafte Beyträge verschafft; wir wünschen daher noch mehr belehrt zu werden,
und fragen ferner: Welche Eindrücke und Empfindungen sind wahrer und
zuverlässiger, die des Verstandes oder die des Herzens? Aus Gründen
bitten wir die Beantwortungen, nach den bey den Preisfragen derer Akademien
üblichen Art, verschlossen mit einer "Zeviss einzusenden." Beantwortungen
kamen diesmal eine von Herder und eine von Karl Theodor von Dalberg in
einem "Gespräch zwischen Louise Gräfin von Werthern und Karl von Dal¬
berg. Sogleich niedergeschrieben. neunseitigen den 25. Octobr. 1781."

Einsiedels "Notschuß" war nicht die erste Klage über die geringe Be¬
teiligung an dem Journal. Schon am 19. September 1781 spielte "Muso-
philus" Wieland darauf an, daß es "dem Verlauten nach in dem LuröM des
Journals von ziemlich an Materialien gebrechen" solle, und im Oktober
des nächsten Jahres schrieb Karl August an Merck: "Von Tiefurt sind ganz
betrübte Nachrichten eingelaufen. Man sagt nemlich, daß die amatsurs, Kenner
und Usus as lottrs so karg würden, daß sie auf 30 Meilen weit einen Geruch
von sich gäben. Adieu!" Vergebens strengte Einsiedel alle Kraft an. Seine
Preisfrage im fünfunddreißigsten Stück fand schon keine Beantwortung mehr.
Im zweiundvierzigsten Stück brachte er noch sein hübsches Trinklied:


Reiche mir den vollen Becher,
Daß sie weichen, meine Sorgen;
Denn wer bürgt mir: ob ich morgen
Trinken noch und singen kann?
Fülle jede hohle Flasche!
Gram und Kummer zu besiegen
Soll die lezte Drachme fliegen --
Euch ihr Erben lach' ich an.
Trinkend soll mich Epheu kränzen,
Lorbeer, fing' ich, mich umschlingen:
Reime wird der Rausch mir bringen,
Schwung der Sterne Sonnenbahn.
Mag der Parze Faden reißen!
Wo Silen und Bacchus zechen,
Wirth an Trauben nicht gebrechen;
Froh besteig ich Charons Kahn!

Das Journal von Tiefurt

einer so wichtigen Schrift sich vielleicht schmeicheln wo nicht den Preis doch
wenigstens ein beträchtliches ^voessit zu erhalten. Von Hause den 20. August
1781. Bruder Lustig." Und das „Manifest der Langenweile" schließt mit
den Unterschriften: „Jeremia Prinzessin der Langenweile. — Hatscha! Kanzler. —
Gotthelf! Sekretarius. — xudlioirt durch den Gerichts-Knecht Auweh!" Auch
Wielands Antwort hatte gefallen, sodaß im neunten Stück eine neue Frage
gestellt wurde mit den Worten: „Preiß Frage. Dieser Artikel ist noch immer
eine Zierde unserer Wochenschrift gewesen, und hat uns wichtige meister¬
hafte Beyträge verschafft; wir wünschen daher noch mehr belehrt zu werden,
und fragen ferner: Welche Eindrücke und Empfindungen sind wahrer und
zuverlässiger, die des Verstandes oder die des Herzens? Aus Gründen
bitten wir die Beantwortungen, nach den bey den Preisfragen derer Akademien
üblichen Art, verschlossen mit einer «Zeviss einzusenden." Beantwortungen
kamen diesmal eine von Herder und eine von Karl Theodor von Dalberg in
einem „Gespräch zwischen Louise Gräfin von Werthern und Karl von Dal¬
berg. Sogleich niedergeschrieben. neunseitigen den 25. Octobr. 1781."

Einsiedels „Notschuß" war nicht die erste Klage über die geringe Be¬
teiligung an dem Journal. Schon am 19. September 1781 spielte „Muso-
philus" Wieland darauf an, daß es „dem Verlauten nach in dem LuröM des
Journals von ziemlich an Materialien gebrechen" solle, und im Oktober
des nächsten Jahres schrieb Karl August an Merck: „Von Tiefurt sind ganz
betrübte Nachrichten eingelaufen. Man sagt nemlich, daß die amatsurs, Kenner
und Usus as lottrs so karg würden, daß sie auf 30 Meilen weit einen Geruch
von sich gäben. Adieu!" Vergebens strengte Einsiedel alle Kraft an. Seine
Preisfrage im fünfunddreißigsten Stück fand schon keine Beantwortung mehr.
Im zweiundvierzigsten Stück brachte er noch sein hübsches Trinklied:


Reiche mir den vollen Becher,
Daß sie weichen, meine Sorgen;
Denn wer bürgt mir: ob ich morgen
Trinken noch und singen kann?
Fülle jede hohle Flasche!
Gram und Kummer zu besiegen
Soll die lezte Drachme fliegen —
Euch ihr Erben lach' ich an.
Trinkend soll mich Epheu kränzen,
Lorbeer, fing' ich, mich umschlingen:
Reime wird der Rausch mir bringen,
Schwung der Sterne Sonnenbahn.
Mag der Parze Faden reißen!
Wo Silen und Bacchus zechen,
Wirth an Trauben nicht gebrechen;
Froh besteig ich Charons Kahn!

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[0338] Das Journal von Tiefurt einer so wichtigen Schrift sich vielleicht schmeicheln wo nicht den Preis doch wenigstens ein beträchtliches ^voessit zu erhalten. Von Hause den 20. August 1781. Bruder Lustig." Und das „Manifest der Langenweile" schließt mit den Unterschriften: „Jeremia Prinzessin der Langenweile. — Hatscha! Kanzler. — Gotthelf! Sekretarius. — xudlioirt durch den Gerichts-Knecht Auweh!" Auch Wielands Antwort hatte gefallen, sodaß im neunten Stück eine neue Frage gestellt wurde mit den Worten: „Preiß Frage. Dieser Artikel ist noch immer eine Zierde unserer Wochenschrift gewesen, und hat uns wichtige meister¬ hafte Beyträge verschafft; wir wünschen daher noch mehr belehrt zu werden, und fragen ferner: Welche Eindrücke und Empfindungen sind wahrer und zuverlässiger, die des Verstandes oder die des Herzens? Aus Gründen bitten wir die Beantwortungen, nach den bey den Preisfragen derer Akademien üblichen Art, verschlossen mit einer «Zeviss einzusenden." Beantwortungen kamen diesmal eine von Herder und eine von Karl Theodor von Dalberg in einem „Gespräch zwischen Louise Gräfin von Werthern und Karl von Dal¬ berg. Sogleich niedergeschrieben. neunseitigen den 25. Octobr. 1781." Einsiedels „Notschuß" war nicht die erste Klage über die geringe Be¬ teiligung an dem Journal. Schon am 19. September 1781 spielte „Muso- philus" Wieland darauf an, daß es „dem Verlauten nach in dem LuröM des Journals von ziemlich an Materialien gebrechen" solle, und im Oktober des nächsten Jahres schrieb Karl August an Merck: „Von Tiefurt sind ganz betrübte Nachrichten eingelaufen. Man sagt nemlich, daß die amatsurs, Kenner und Usus as lottrs so karg würden, daß sie auf 30 Meilen weit einen Geruch von sich gäben. Adieu!" Vergebens strengte Einsiedel alle Kraft an. Seine Preisfrage im fünfunddreißigsten Stück fand schon keine Beantwortung mehr. Im zweiundvierzigsten Stück brachte er noch sein hübsches Trinklied: Reiche mir den vollen Becher, Daß sie weichen, meine Sorgen; Denn wer bürgt mir: ob ich morgen Trinken noch und singen kann? Fülle jede hohle Flasche! Gram und Kummer zu besiegen Soll die lezte Drachme fliegen — Euch ihr Erben lach' ich an. Trinkend soll mich Epheu kränzen, Lorbeer, fing' ich, mich umschlingen: Reime wird der Rausch mir bringen, Schwung der Sterne Sonnenbahn. Mag der Parze Faden reißen! Wo Silen und Bacchus zechen, Wirth an Trauben nicht gebrechen; Froh besteig ich Charons Kahn!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/338>, abgerufen am 28.06.2024.