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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Das Journal von C.iefurt

der Prinz August ist: "Die erste Silbe ist eine Frage; die zweite ist das
Gegenteil vom Wohnsitze Neptuns; das Ganze hat seine Stelle auf dem
Parnaß."

Zuweilen kann man die Beziehung ans eine bestimmte Persönlichkeit nicht
mehr nachweisen, wie bei der Grabschrift aus Junker Hans:


Hans der Junker liegt cillhier;
Kaum verließ er Charons Nachen,
Fragt er schon bei Plutos Thür:
Muß mau nicht Visiten machen?

Leider ist auch der Verfasser dieses Epigramms, das durch seine meisterhafte
Kürze und Schärfe auffällt, nicht nachweisbar. Auf ein andres Mitglied des
Weimarischen Hofes geht das von Seckendorff gedichtete Leben des Herrn von
Gicks zum Gackelstein: "Auf Erden lebt kein Mensch so fein, als Herr von
Gicks zum Gackelstein." Er bringt den ganzen Tag mit Essen, Trinken und
Schlafen im ckolos Kr ruines hin und "schränkt in der Welt sich ganz allein
auf den beliebten Grundsatz ein: in seiner Haut vergnügt zu sein." Man er¬
innert sich bei diesem Gedicht unwillkürlich jenes Kammerherrn, dem es nach
Goethes Worten beschieden war, unaufhörlich zu fanlenzen, doch läßt sich keine
bestimmte Persönlichkeit nennen. Unklar ist es auch, auf wen die folgende Cha¬
rade Einsiedels zielt: "Die erste Silbe ist eine Ausrufung, die zweite und erste
ist der Name eines Wildgeschlechts, die dritte ist ein Teil des menschlichen
und tierischen Körpers: das Ganze ist ein Narr, den man nicht einsperrt, weil
ihn einige Schönen in Schutz nehmen."

Charaden wurden offenbar gern aufgenommen und gern gelöst. Schon
im ersten Stück mußten sich die "Journalisten" selbst in eine Charade ein¬
kleiden lassen, und im fünfundzwanzigsten feuerte Einsiedel "zur Erhaltung
unsers Journals" einen "Notschuß" ab. Neben Einsiedel brachte die meisten
Prinz August, der seinen ersten Beitrag unter dem Pseudonym Löschenkohl
eingeschickt hatte. Auch die Preisfragen fanden zuweilen eine witzige oder
sinnige Beantwortung. Auf die Frage, wie eine unokkupirte Gesellschaft vor
Langeweile zu bewahren sei, war von Seckendorff die Antwort eingelaufen:
"Die im letzten 3ourrml von Tieffurth aufgegebene Preis Frage ordentlich zu
beantworten, wollen zwar meine ourrsnw Arbeiten, als da sind Essen, Trinken,
Schlafen, Reiten, Fechten und Tanzen nicht verstatten; da ich aber so eben
bey der großen Bild Säule des güldenen Neptuns gegenwärtiges Manifest der
Langenweile angeschlagen gefunden habe und es mich dünkt, daß nach dem
Grundsatz des großen Friedrichs in seinen ^.vis A hos Osusraux das beste
Mittel den Feind zu besiegen, sich blos darauf einschränkt Alles das zu wollen
was der Feind nicht will; so nehme ich keinen Anstand besagtes Manifest mit
dem wohlmeynenden Rath zu übersenden, schnurstraks dagegen zu handeln.
In dieser Rücksicht dürfte Endes Unterschriebener durch die Bekanntmachung


Das Journal von C.iefurt

der Prinz August ist: „Die erste Silbe ist eine Frage; die zweite ist das
Gegenteil vom Wohnsitze Neptuns; das Ganze hat seine Stelle auf dem
Parnaß."

Zuweilen kann man die Beziehung ans eine bestimmte Persönlichkeit nicht
mehr nachweisen, wie bei der Grabschrift aus Junker Hans:


Hans der Junker liegt cillhier;
Kaum verließ er Charons Nachen,
Fragt er schon bei Plutos Thür:
Muß mau nicht Visiten machen?

Leider ist auch der Verfasser dieses Epigramms, das durch seine meisterhafte
Kürze und Schärfe auffällt, nicht nachweisbar. Auf ein andres Mitglied des
Weimarischen Hofes geht das von Seckendorff gedichtete Leben des Herrn von
Gicks zum Gackelstein: „Auf Erden lebt kein Mensch so fein, als Herr von
Gicks zum Gackelstein." Er bringt den ganzen Tag mit Essen, Trinken und
Schlafen im ckolos Kr ruines hin und „schränkt in der Welt sich ganz allein
auf den beliebten Grundsatz ein: in seiner Haut vergnügt zu sein." Man er¬
innert sich bei diesem Gedicht unwillkürlich jenes Kammerherrn, dem es nach
Goethes Worten beschieden war, unaufhörlich zu fanlenzen, doch läßt sich keine
bestimmte Persönlichkeit nennen. Unklar ist es auch, auf wen die folgende Cha¬
rade Einsiedels zielt: „Die erste Silbe ist eine Ausrufung, die zweite und erste
ist der Name eines Wildgeschlechts, die dritte ist ein Teil des menschlichen
und tierischen Körpers: das Ganze ist ein Narr, den man nicht einsperrt, weil
ihn einige Schönen in Schutz nehmen."

Charaden wurden offenbar gern aufgenommen und gern gelöst. Schon
im ersten Stück mußten sich die „Journalisten" selbst in eine Charade ein¬
kleiden lassen, und im fünfundzwanzigsten feuerte Einsiedel „zur Erhaltung
unsers Journals" einen „Notschuß" ab. Neben Einsiedel brachte die meisten
Prinz August, der seinen ersten Beitrag unter dem Pseudonym Löschenkohl
eingeschickt hatte. Auch die Preisfragen fanden zuweilen eine witzige oder
sinnige Beantwortung. Auf die Frage, wie eine unokkupirte Gesellschaft vor
Langeweile zu bewahren sei, war von Seckendorff die Antwort eingelaufen:
„Die im letzten 3ourrml von Tieffurth aufgegebene Preis Frage ordentlich zu
beantworten, wollen zwar meine ourrsnw Arbeiten, als da sind Essen, Trinken,
Schlafen, Reiten, Fechten und Tanzen nicht verstatten; da ich aber so eben
bey der großen Bild Säule des güldenen Neptuns gegenwärtiges Manifest der
Langenweile angeschlagen gefunden habe und es mich dünkt, daß nach dem
Grundsatz des großen Friedrichs in seinen ^.vis A hos Osusraux das beste
Mittel den Feind zu besiegen, sich blos darauf einschränkt Alles das zu wollen
was der Feind nicht will; so nehme ich keinen Anstand besagtes Manifest mit
dem wohlmeynenden Rath zu übersenden, schnurstraks dagegen zu handeln.
In dieser Rücksicht dürfte Endes Unterschriebener durch die Bekanntmachung


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[0337] Das Journal von C.iefurt der Prinz August ist: „Die erste Silbe ist eine Frage; die zweite ist das Gegenteil vom Wohnsitze Neptuns; das Ganze hat seine Stelle auf dem Parnaß." Zuweilen kann man die Beziehung ans eine bestimmte Persönlichkeit nicht mehr nachweisen, wie bei der Grabschrift aus Junker Hans: Hans der Junker liegt cillhier; Kaum verließ er Charons Nachen, Fragt er schon bei Plutos Thür: Muß mau nicht Visiten machen? Leider ist auch der Verfasser dieses Epigramms, das durch seine meisterhafte Kürze und Schärfe auffällt, nicht nachweisbar. Auf ein andres Mitglied des Weimarischen Hofes geht das von Seckendorff gedichtete Leben des Herrn von Gicks zum Gackelstein: „Auf Erden lebt kein Mensch so fein, als Herr von Gicks zum Gackelstein." Er bringt den ganzen Tag mit Essen, Trinken und Schlafen im ckolos Kr ruines hin und „schränkt in der Welt sich ganz allein auf den beliebten Grundsatz ein: in seiner Haut vergnügt zu sein." Man er¬ innert sich bei diesem Gedicht unwillkürlich jenes Kammerherrn, dem es nach Goethes Worten beschieden war, unaufhörlich zu fanlenzen, doch läßt sich keine bestimmte Persönlichkeit nennen. Unklar ist es auch, auf wen die folgende Cha¬ rade Einsiedels zielt: „Die erste Silbe ist eine Ausrufung, die zweite und erste ist der Name eines Wildgeschlechts, die dritte ist ein Teil des menschlichen und tierischen Körpers: das Ganze ist ein Narr, den man nicht einsperrt, weil ihn einige Schönen in Schutz nehmen." Charaden wurden offenbar gern aufgenommen und gern gelöst. Schon im ersten Stück mußten sich die „Journalisten" selbst in eine Charade ein¬ kleiden lassen, und im fünfundzwanzigsten feuerte Einsiedel „zur Erhaltung unsers Journals" einen „Notschuß" ab. Neben Einsiedel brachte die meisten Prinz August, der seinen ersten Beitrag unter dem Pseudonym Löschenkohl eingeschickt hatte. Auch die Preisfragen fanden zuweilen eine witzige oder sinnige Beantwortung. Auf die Frage, wie eine unokkupirte Gesellschaft vor Langeweile zu bewahren sei, war von Seckendorff die Antwort eingelaufen: „Die im letzten 3ourrml von Tieffurth aufgegebene Preis Frage ordentlich zu beantworten, wollen zwar meine ourrsnw Arbeiten, als da sind Essen, Trinken, Schlafen, Reiten, Fechten und Tanzen nicht verstatten; da ich aber so eben bey der großen Bild Säule des güldenen Neptuns gegenwärtiges Manifest der Langenweile angeschlagen gefunden habe und es mich dünkt, daß nach dem Grundsatz des großen Friedrichs in seinen ^.vis A hos Osusraux das beste Mittel den Feind zu besiegen, sich blos darauf einschränkt Alles das zu wollen was der Feind nicht will; so nehme ich keinen Anstand besagtes Manifest mit dem wohlmeynenden Rath zu übersenden, schnurstraks dagegen zu handeln. In dieser Rücksicht dürfte Endes Unterschriebener durch die Bekanntmachung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/337>, abgerufen am 28.06.2024.