Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Journal von Tiefurt

such Über die Frage: Was wirkt am stärksten auf des Menschen Seele, Malerei
oder Musik?" Auch hat Wieland der Herzogin Anna Amalia bei der Über¬
setzung des anmutigen Märchens von Amor und Psyche ans dem Italienischen
des Agnolo Firenzuola beigestanden. Seine Beiträge scheinen besonders der
schönern Hälfte der Tiefurter Gesellschaft gefallen zu haben, die Göchhausen
rühmt von ihm, er habe die Bilder der Grazien aufgestellt. In einem Zauber¬
spiegel läßt sie in ihrem "Ritter Eckbert von Tiefurt" den Helden ihrer Er¬
zählung sehen, "wie Amalia in Tiefurt an ungesehenen stillem Ort denen
Musen einen kleinen Tempel errichtet. Wie Sie Selbst Psychen und Amor
aufstellt. Wie Göthe das Bild der Phantasie und Wieland die Bilder der
Gratzien darinne aufstellten. Wie Herder das Bild der Weisheit und Tugend
hingießet (denn Liebe, Weisheit und Gratzien sind mit einander verschwistert),
auch sahe er wie Herder denen Musen ihren Platz im Tempel vorzeigte.
Dann sah er wie der kleine Tempel durch Herders holde Gattin, Printz
Augusten, Seckendorf und Einsiedel mit sanftem Gefühl, Geist, Laun und
Witz ausgeschmücket wurde, und auch wie Dalberg einige minder schöne Blumen,
doch voll guten Willens, hinbringt."

Es ist wohl nur ein Zufall, daß die Göchhausen bei dieser Übersicht
über die "Tiefurter Journalisten" am längsten bei Herder verweilt, es entspricht
aber der Thatsache, daß Herder einer der fleißigsten Mitarbeiter gewesen ist.
Außer mehreren Aufsätzen hat er zahlreiche Gedichte geliefert, wie die "Jubel-
Ode auf die Erfindung der Buchdruckerey," ferner "Aurora. Nach dem
Spanischen" und "Morgenröthe. Nach dem Spanischen," "Der Vorhang.
Nach dem Alt-Französischen," "Der Gewinn des Lebens. Nach den: Englischen,"
"Das Roß aus dem Berge. Eine böhmische Geschichte," "Der Morgenbesuch.
Ein Lettisches Lied," "Der Hagestolze. Ein esthnisches Lied" und "Ein tar-
tarisches Liedchen." Diese Musterkarte aus fremden Sprachen wird noch er¬
gänzt durch Knebels Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen und
Italienischen, durch ein "Persisches Trinklied" Seckendorffs und durch ein
Lied des Prinzen August, das "Aus dem Malnbarischen" überschrieben ist.
Hierin können wir wohl eine gewisse Einwirkung Herders erkennen. Einen
noch größern Einfluß hat Goethe ausgeübt. Unter dem Eindruck des Goethischen
Hymnus an die Phantasie hat die Frau von Scharbe eine Ode "An die Er¬
innerung" gedichtet, die auch Goethes Aufmerksamkeit erregte. Sie beginnt:


Du, der namenlosen Wonne,
Des tiefen Schmerzens sanftere Gespielin,
Komm von den Ufern des Lethe,
Wo du nachdenkend sitzest.
Indes die bläulichen Fluten
Still vorüber dir gleiten

und schließt mit den Worten:


Das Journal von Tiefurt

such Über die Frage: Was wirkt am stärksten auf des Menschen Seele, Malerei
oder Musik?" Auch hat Wieland der Herzogin Anna Amalia bei der Über¬
setzung des anmutigen Märchens von Amor und Psyche ans dem Italienischen
des Agnolo Firenzuola beigestanden. Seine Beiträge scheinen besonders der
schönern Hälfte der Tiefurter Gesellschaft gefallen zu haben, die Göchhausen
rühmt von ihm, er habe die Bilder der Grazien aufgestellt. In einem Zauber¬
spiegel läßt sie in ihrem „Ritter Eckbert von Tiefurt" den Helden ihrer Er¬
zählung sehen, „wie Amalia in Tiefurt an ungesehenen stillem Ort denen
Musen einen kleinen Tempel errichtet. Wie Sie Selbst Psychen und Amor
aufstellt. Wie Göthe das Bild der Phantasie und Wieland die Bilder der
Gratzien darinne aufstellten. Wie Herder das Bild der Weisheit und Tugend
hingießet (denn Liebe, Weisheit und Gratzien sind mit einander verschwistert),
auch sahe er wie Herder denen Musen ihren Platz im Tempel vorzeigte.
Dann sah er wie der kleine Tempel durch Herders holde Gattin, Printz
Augusten, Seckendorf und Einsiedel mit sanftem Gefühl, Geist, Laun und
Witz ausgeschmücket wurde, und auch wie Dalberg einige minder schöne Blumen,
doch voll guten Willens, hinbringt."

Es ist wohl nur ein Zufall, daß die Göchhausen bei dieser Übersicht
über die „Tiefurter Journalisten" am längsten bei Herder verweilt, es entspricht
aber der Thatsache, daß Herder einer der fleißigsten Mitarbeiter gewesen ist.
Außer mehreren Aufsätzen hat er zahlreiche Gedichte geliefert, wie die „Jubel-
Ode auf die Erfindung der Buchdruckerey," ferner „Aurora. Nach dem
Spanischen" und „Morgenröthe. Nach dem Spanischen," „Der Vorhang.
Nach dem Alt-Französischen," „Der Gewinn des Lebens. Nach den: Englischen,"
„Das Roß aus dem Berge. Eine böhmische Geschichte," „Der Morgenbesuch.
Ein Lettisches Lied," „Der Hagestolze. Ein esthnisches Lied" und „Ein tar-
tarisches Liedchen." Diese Musterkarte aus fremden Sprachen wird noch er¬
gänzt durch Knebels Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen und
Italienischen, durch ein „Persisches Trinklied" Seckendorffs und durch ein
Lied des Prinzen August, das „Aus dem Malnbarischen" überschrieben ist.
Hierin können wir wohl eine gewisse Einwirkung Herders erkennen. Einen
noch größern Einfluß hat Goethe ausgeübt. Unter dem Eindruck des Goethischen
Hymnus an die Phantasie hat die Frau von Scharbe eine Ode „An die Er¬
innerung" gedichtet, die auch Goethes Aufmerksamkeit erregte. Sie beginnt:


Du, der namenlosen Wonne,
Des tiefen Schmerzens sanftere Gespielin,
Komm von den Ufern des Lethe,
Wo du nachdenkend sitzest.
Indes die bläulichen Fluten
Still vorüber dir gleiten

und schließt mit den Worten:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214127"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Journal von Tiefurt</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> such Über die Frage: Was wirkt am stärksten auf des Menschen Seele, Malerei<lb/>
oder Musik?" Auch hat Wieland der Herzogin Anna Amalia bei der Über¬<lb/>
setzung des anmutigen Märchens von Amor und Psyche ans dem Italienischen<lb/>
des Agnolo Firenzuola beigestanden. Seine Beiträge scheinen besonders der<lb/>
schönern Hälfte der Tiefurter Gesellschaft gefallen zu haben, die Göchhausen<lb/>
rühmt von ihm, er habe die Bilder der Grazien aufgestellt. In einem Zauber¬<lb/>
spiegel läßt sie in ihrem &#x201E;Ritter Eckbert von Tiefurt" den Helden ihrer Er¬<lb/>
zählung sehen, &#x201E;wie Amalia in Tiefurt an ungesehenen stillem Ort denen<lb/>
Musen einen kleinen Tempel errichtet. Wie Sie Selbst Psychen und Amor<lb/>
aufstellt. Wie Göthe das Bild der Phantasie und Wieland die Bilder der<lb/>
Gratzien darinne aufstellten. Wie Herder das Bild der Weisheit und Tugend<lb/>
hingießet (denn Liebe, Weisheit und Gratzien sind mit einander verschwistert),<lb/>
auch sahe er wie Herder denen Musen ihren Platz im Tempel vorzeigte.<lb/>
Dann sah er wie der kleine Tempel durch Herders holde Gattin, Printz<lb/>
Augusten, Seckendorf und Einsiedel mit sanftem Gefühl, Geist, Laun und<lb/>
Witz ausgeschmücket wurde, und auch wie Dalberg einige minder schöne Blumen,<lb/>
doch voll guten Willens, hinbringt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1144" next="#ID_1145"> Es ist wohl nur ein Zufall, daß die Göchhausen bei dieser Übersicht<lb/>
über die &#x201E;Tiefurter Journalisten" am längsten bei Herder verweilt, es entspricht<lb/>
aber der Thatsache, daß Herder einer der fleißigsten Mitarbeiter gewesen ist.<lb/>
Außer mehreren Aufsätzen hat er zahlreiche Gedichte geliefert, wie die &#x201E;Jubel-<lb/>
Ode auf die Erfindung der Buchdruckerey," ferner &#x201E;Aurora. Nach dem<lb/>
Spanischen" und &#x201E;Morgenröthe. Nach dem Spanischen," &#x201E;Der Vorhang.<lb/>
Nach dem Alt-Französischen," &#x201E;Der Gewinn des Lebens. Nach den: Englischen,"<lb/>
&#x201E;Das Roß aus dem Berge. Eine böhmische Geschichte," &#x201E;Der Morgenbesuch.<lb/>
Ein Lettisches Lied," &#x201E;Der Hagestolze. Ein esthnisches Lied" und &#x201E;Ein tar-<lb/>
tarisches Liedchen." Diese Musterkarte aus fremden Sprachen wird noch er¬<lb/>
gänzt durch Knebels Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen und<lb/>
Italienischen, durch ein &#x201E;Persisches Trinklied" Seckendorffs und durch ein<lb/>
Lied des Prinzen August, das &#x201E;Aus dem Malnbarischen" überschrieben ist.<lb/>
Hierin können wir wohl eine gewisse Einwirkung Herders erkennen. Einen<lb/>
noch größern Einfluß hat Goethe ausgeübt. Unter dem Eindruck des Goethischen<lb/>
Hymnus an die Phantasie hat die Frau von Scharbe eine Ode &#x201E;An die Er¬<lb/>
innerung" gedichtet, die auch Goethes Aufmerksamkeit erregte. Sie beginnt:</p><lb/>
          <quote> Du, der namenlosen Wonne,<lb/>
Des tiefen Schmerzens sanftere Gespielin,<lb/>
Komm von den Ufern des Lethe,<lb/>
Wo du nachdenkend sitzest.<lb/>
Indes die bläulichen Fluten<lb/>
Still vorüber dir gleiten</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1145" prev="#ID_1144" next="#ID_1146"> und schließt mit den Worten:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Das Journal von Tiefurt such Über die Frage: Was wirkt am stärksten auf des Menschen Seele, Malerei oder Musik?" Auch hat Wieland der Herzogin Anna Amalia bei der Über¬ setzung des anmutigen Märchens von Amor und Psyche ans dem Italienischen des Agnolo Firenzuola beigestanden. Seine Beiträge scheinen besonders der schönern Hälfte der Tiefurter Gesellschaft gefallen zu haben, die Göchhausen rühmt von ihm, er habe die Bilder der Grazien aufgestellt. In einem Zauber¬ spiegel läßt sie in ihrem „Ritter Eckbert von Tiefurt" den Helden ihrer Er¬ zählung sehen, „wie Amalia in Tiefurt an ungesehenen stillem Ort denen Musen einen kleinen Tempel errichtet. Wie Sie Selbst Psychen und Amor aufstellt. Wie Göthe das Bild der Phantasie und Wieland die Bilder der Gratzien darinne aufstellten. Wie Herder das Bild der Weisheit und Tugend hingießet (denn Liebe, Weisheit und Gratzien sind mit einander verschwistert), auch sahe er wie Herder denen Musen ihren Platz im Tempel vorzeigte. Dann sah er wie der kleine Tempel durch Herders holde Gattin, Printz Augusten, Seckendorf und Einsiedel mit sanftem Gefühl, Geist, Laun und Witz ausgeschmücket wurde, und auch wie Dalberg einige minder schöne Blumen, doch voll guten Willens, hinbringt." Es ist wohl nur ein Zufall, daß die Göchhausen bei dieser Übersicht über die „Tiefurter Journalisten" am längsten bei Herder verweilt, es entspricht aber der Thatsache, daß Herder einer der fleißigsten Mitarbeiter gewesen ist. Außer mehreren Aufsätzen hat er zahlreiche Gedichte geliefert, wie die „Jubel- Ode auf die Erfindung der Buchdruckerey," ferner „Aurora. Nach dem Spanischen" und „Morgenröthe. Nach dem Spanischen," „Der Vorhang. Nach dem Alt-Französischen," „Der Gewinn des Lebens. Nach den: Englischen," „Das Roß aus dem Berge. Eine böhmische Geschichte," „Der Morgenbesuch. Ein Lettisches Lied," „Der Hagestolze. Ein esthnisches Lied" und „Ein tar- tarisches Liedchen." Diese Musterkarte aus fremden Sprachen wird noch er¬ gänzt durch Knebels Übersetzungen aus dem Griechischen, Lateinischen und Italienischen, durch ein „Persisches Trinklied" Seckendorffs und durch ein Lied des Prinzen August, das „Aus dem Malnbarischen" überschrieben ist. Hierin können wir wohl eine gewisse Einwirkung Herders erkennen. Einen noch größern Einfluß hat Goethe ausgeübt. Unter dem Eindruck des Goethischen Hymnus an die Phantasie hat die Frau von Scharbe eine Ode „An die Er¬ innerung" gedichtet, die auch Goethes Aufmerksamkeit erregte. Sie beginnt: Du, der namenlosen Wonne, Des tiefen Schmerzens sanftere Gespielin, Komm von den Ufern des Lethe, Wo du nachdenkend sitzest. Indes die bläulichen Fluten Still vorüber dir gleiten und schließt mit den Worten:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/335>, abgerufen am 28.09.2024.