Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Lin amerikanischer Sozialist Evangelium, daß bis ans Ende der Zeiten auf dem irdischen Acker unter dem Er sucht nun zu beweisen, daß in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung Das gilt doch zum Glück noch nicht allgemein. Die Landwirischast ist, wo sie noch
im alten Stile und nicht nach den modernen Rentabilitälsgrundstttzen betrieben wird, noch heute ein ueid- und schuldloses Gewerbe, wie sie der alle Cato genannt hat; der Bauer schafft mir nützliches und schädigt keinen Menschen, auch keinen Konkurrenten. Dasselbe gilt im all¬ gemeinen vom Künstler, vom Dichter, vom gelehrten Forscher. Lin amerikanischer Sozialist Evangelium, daß bis ans Ende der Zeiten auf dem irdischen Acker unter dem Er sucht nun zu beweisen, daß in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung Das gilt doch zum Glück noch nicht allgemein. Die Landwirischast ist, wo sie noch
im alten Stile und nicht nach den modernen Rentabilitälsgrundstttzen betrieben wird, noch heute ein ueid- und schuldloses Gewerbe, wie sie der alle Cato genannt hat; der Bauer schafft mir nützliches und schädigt keinen Menschen, auch keinen Konkurrenten. Dasselbe gilt im all¬ gemeinen vom Künstler, vom Dichter, vom gelehrten Forscher. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213193"/> <fw type="header" place="top"> Lin amerikanischer Sozialist</fw><lb/> <p xml:id="ID_203" prev="#ID_202"> Evangelium, daß bis ans Ende der Zeiten auf dem irdischen Acker unter dem<lb/> Weizen auch Unkraut wachsen werde, dem bestimmt sei, bei der endlichen Schei¬<lb/> dung ausgerauft und ins ewige Feuer geworfen zu werden. Daß solche grund¬<lb/> verschiedene Ansichten vorhanden sind, und daß die Anhänger einer jeden sich<lb/> vergebens abmühen, die der andern zu bekehren, beweist doch wohl zur Ge¬<lb/> nüge die Unmöglichkeit, über den Plan Gottes sichern Aufschluß zu erlangen.<lb/> Es stünde übel um die Moralität, wenn sie sich mit ihrem Anspruch auf Ver¬<lb/> wirklichung auf den Zeitpunkt müßte vertrösten lassen, wo sich die Menschen,<lb/> oder auch nur die Gelehrten, über den Weltplan geeinigt haben werden. Die<lb/> Einbildung, daß man den Plan Gottes erkannt habe, macht das Wesen des<lb/> Fanatikers aus. Wir bestreiten übrigens nicht, daß Menschen, die die Welt¬<lb/> geschichte ein Stück weiter fördern, einigermaßen Fanatiker sein müssen, da nur<lb/> jene Einbildung den höchsten Grad der Thatkraft und unbeugsamen Mut ein¬<lb/> zuflößen vermag, und haben gegen den zivilisirten Fanatismus eines edeln und<lb/> mildherzigen Mannes, der sicherlich nicht zu Feuer und Schwert greifen wird,<lb/> nichts einzuwenden. Glück und Pflichterfüllung verknüpft Gronluud in der<lb/> Weise, daß er sagt, jeder, der nach individueller Befriedigung strebe, verfehle<lb/> das Glück, jeder Unglückliche aber habe seineu Daseinszweck verfehlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_204" next="#ID_205"> Er sucht nun zu beweisen, daß in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung<lb/> Moralität unmöglich sei. Indem diese Gesellschaftsordnung bewirkt, daß die<lb/> Erde ohne Geld eine Hölle ist, indem sie das Geld zum alleinige» Maßstabe<lb/> der Wertschätzung aller Dinge, auch des Menschen macht — dieser Mann ist<lb/> seine tausend Pfund jährlich wert, sagt der Engländer —, indem sie jeden<lb/> zwingt, schon um seiner Kinder willen mit allen Mitteln nach Geld zu streben,<lb/> was, eben wiederum infolge dieser Gesellschafsordnung, ohne Schädigung des<lb/> Nächsten, also ohne Ungerechtigkeit und Sünde, nicht möglich ist,°'°) versucht<lb/> und nötigt die Gesellschaft jedes ihrer Glieder fortwährend zur Sünde, sie<lb/> ist also — satanisch. Und indem die Kirche diesen Zustand ausdrücklich billigt,<lb/> den ungerechten Raub für heiliges, unantastbares Eigentum erklärt, ist auch<lb/> sie in den Dienst des Satans getreten. Dieses harte Urteil über die Kirche<lb/> beider Konfessionen ist vollkommen begründet. Über die Notwendigkeit des<lb/> Privateigentums und über die Gottlosigkeit der Sozialdemokraten mögen die<lb/> Geistlichen denken, wie sie wollen. Aber wenn sie den Satz: „Eigentum ist<lb/> Diebstahl" als einen Angriff auf das siebente Gebot verschreien, während er<lb/> im Gegenteil ein Protest gegen jene Verletzungen dieses Gebots ist, durch die<lb/> so viele große Vermögen entstanden sind, so machen sie sich nicht allein eines</p><lb/> <note xml:id="FID_11" place="foot"> Das gilt doch zum Glück noch nicht allgemein. Die Landwirischast ist, wo sie noch<lb/> im alten Stile und nicht nach den modernen Rentabilitälsgrundstttzen betrieben wird, noch<lb/> heute ein ueid- und schuldloses Gewerbe, wie sie der alle Cato genannt hat; der Bauer schafft<lb/> mir nützliches und schädigt keinen Menschen, auch keinen Konkurrenten. Dasselbe gilt im all¬<lb/> gemeinen vom Künstler, vom Dichter, vom gelehrten Forscher.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Lin amerikanischer Sozialist
Evangelium, daß bis ans Ende der Zeiten auf dem irdischen Acker unter dem
Weizen auch Unkraut wachsen werde, dem bestimmt sei, bei der endlichen Schei¬
dung ausgerauft und ins ewige Feuer geworfen zu werden. Daß solche grund¬
verschiedene Ansichten vorhanden sind, und daß die Anhänger einer jeden sich
vergebens abmühen, die der andern zu bekehren, beweist doch wohl zur Ge¬
nüge die Unmöglichkeit, über den Plan Gottes sichern Aufschluß zu erlangen.
Es stünde übel um die Moralität, wenn sie sich mit ihrem Anspruch auf Ver¬
wirklichung auf den Zeitpunkt müßte vertrösten lassen, wo sich die Menschen,
oder auch nur die Gelehrten, über den Weltplan geeinigt haben werden. Die
Einbildung, daß man den Plan Gottes erkannt habe, macht das Wesen des
Fanatikers aus. Wir bestreiten übrigens nicht, daß Menschen, die die Welt¬
geschichte ein Stück weiter fördern, einigermaßen Fanatiker sein müssen, da nur
jene Einbildung den höchsten Grad der Thatkraft und unbeugsamen Mut ein¬
zuflößen vermag, und haben gegen den zivilisirten Fanatismus eines edeln und
mildherzigen Mannes, der sicherlich nicht zu Feuer und Schwert greifen wird,
nichts einzuwenden. Glück und Pflichterfüllung verknüpft Gronluud in der
Weise, daß er sagt, jeder, der nach individueller Befriedigung strebe, verfehle
das Glück, jeder Unglückliche aber habe seineu Daseinszweck verfehlt.
Er sucht nun zu beweisen, daß in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung
Moralität unmöglich sei. Indem diese Gesellschaftsordnung bewirkt, daß die
Erde ohne Geld eine Hölle ist, indem sie das Geld zum alleinige» Maßstabe
der Wertschätzung aller Dinge, auch des Menschen macht — dieser Mann ist
seine tausend Pfund jährlich wert, sagt der Engländer —, indem sie jeden
zwingt, schon um seiner Kinder willen mit allen Mitteln nach Geld zu streben,
was, eben wiederum infolge dieser Gesellschafsordnung, ohne Schädigung des
Nächsten, also ohne Ungerechtigkeit und Sünde, nicht möglich ist,°'°) versucht
und nötigt die Gesellschaft jedes ihrer Glieder fortwährend zur Sünde, sie
ist also — satanisch. Und indem die Kirche diesen Zustand ausdrücklich billigt,
den ungerechten Raub für heiliges, unantastbares Eigentum erklärt, ist auch
sie in den Dienst des Satans getreten. Dieses harte Urteil über die Kirche
beider Konfessionen ist vollkommen begründet. Über die Notwendigkeit des
Privateigentums und über die Gottlosigkeit der Sozialdemokraten mögen die
Geistlichen denken, wie sie wollen. Aber wenn sie den Satz: „Eigentum ist
Diebstahl" als einen Angriff auf das siebente Gebot verschreien, während er
im Gegenteil ein Protest gegen jene Verletzungen dieses Gebots ist, durch die
so viele große Vermögen entstanden sind, so machen sie sich nicht allein eines
Das gilt doch zum Glück noch nicht allgemein. Die Landwirischast ist, wo sie noch
im alten Stile und nicht nach den modernen Rentabilitälsgrundstttzen betrieben wird, noch
heute ein ueid- und schuldloses Gewerbe, wie sie der alle Cato genannt hat; der Bauer schafft
mir nützliches und schädigt keinen Menschen, auch keinen Konkurrenten. Dasselbe gilt im all¬
gemeinen vom Künstler, vom Dichter, vom gelehrten Forscher.
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