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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der langweilige Aammerherr

dreimal Fluch! Und dann deckt er die Fingers über die Angers und lag still,
ganz still.

In diese Zeit bin ich nich viel von sein Bett fortgegangen, abers ich hab
doch gehört, daß' der junge Herzog ganz heimlich in Sloßgarten begraben
worden is, und daß sie Piähr neben ihn legten, obgleich das ja drektemang
gegen den Respekt is. Sie dachten abers wohl, daß der liebe Gott die beiden
doch von einander kennen that und ein jeden an seinen Platz setzen würd.
Das würd mich nu auch sehr angenehm sein, weil daß ich Piähr in Himmel
gern wieder sehen wollt, was ich natürlicheweise nich kann, wenn er mit
einmal mang die vornehmen Herrschaftens is, wo für unsereins doch kein rechte
Gemütlichkeit is.

Aufs Grab von die Frcmzosens sind Bäume gepflanzt worden, damit
kein Mensch den Platz kennt -- so befahl Herzog Peter Friedrich, weil er so¬
viel Angst hatt vor Napvlium. Ihn war die ganze Geschichte furchtbar sital,
sagt sein Kammerdiener. Der alte Herr war fix ärgerlich, weil daß er,
als das Unglück passirte, gerade bein Abzählen von die Hacke in sein
Strumpf war und bei diese Arbeit kein Störung vertragen konnte. Seine
Hofherrens mußten zu die Franzvsens sagen, sie sollten man keinen Lärm
um das kleine Mallöhr schlagen, wenn sie nich alle von Plön verbannt
werden wollten. Peter Friedrich hätt kein Lust, von Napolium ein groben
Brief zu stucken. Und die französchen Herrschaftens hatten kein Lust, wieder
in der Verbannung zu gehn, da hatten sie genug von gehabt. Sie swiegen
ganz still, und als der Plöner Herzog bald wieder ne Gesellschaft gab, um
noch mal ne ungestörte Bootpattie zu machen, da waren sie alle wieder bei,
und ich konnte ihnen von übers Wasser her lache" hören. Denn unser Gast¬
haus sah mit seine Fenstern über den großen See hinüber. Ja, da konnten
sie lachen, als wenn garnix passirt wär, als lüg der junge Herzog nich unter
die Väumens begraben, als hätt die französche Prinzessin nimmer auf die
Landstraße gesessen mit den toten Mann neben sich.

Die Wolken hatten sich verzogen, und ein Strahl der scheidenden Sonne
fiel in Detlev Marksens kleines Zimmer. Der Alte erhob sich schwerfällig.

Nu können Sie man nach Hanse gehn, allens is wieder trocken! Soll
ich Ihnen ein büschen casu Weg bringen?

Ich erwiderte, daß ich seine Geschichte erst zu Ende hören wollte.

Aber Detlev sah mich verdrießlich an. Da is nix mehr zu verzählen. Die
französche Prinzessin is den nächsten Tag nach Kiel gefahren, in eine ver¬
flossene Kutsche, und der alte Herzog fuhr mit sie. Später hab ich man ge¬
hört, daß sie ein vornehmen Prinzen heiraten mußte, und daß ihr kein
Mensch hat leiden mögen. Denn sie war ümmer ernsthaft und konnt sich
nich freuen, wenn die andern Spaß machten. So is das um in die Welt.
Der ein hat ein swaches Gedächtnis und kann lustig bleiben; der andre is


Der langweilige Aammerherr

dreimal Fluch! Und dann deckt er die Fingers über die Angers und lag still,
ganz still.

In diese Zeit bin ich nich viel von sein Bett fortgegangen, abers ich hab
doch gehört, daß' der junge Herzog ganz heimlich in Sloßgarten begraben
worden is, und daß sie Piähr neben ihn legten, obgleich das ja drektemang
gegen den Respekt is. Sie dachten abers wohl, daß der liebe Gott die beiden
doch von einander kennen that und ein jeden an seinen Platz setzen würd.
Das würd mich nu auch sehr angenehm sein, weil daß ich Piähr in Himmel
gern wieder sehen wollt, was ich natürlicheweise nich kann, wenn er mit
einmal mang die vornehmen Herrschaftens is, wo für unsereins doch kein rechte
Gemütlichkeit is.

Aufs Grab von die Frcmzosens sind Bäume gepflanzt worden, damit
kein Mensch den Platz kennt — so befahl Herzog Peter Friedrich, weil er so¬
viel Angst hatt vor Napvlium. Ihn war die ganze Geschichte furchtbar sital,
sagt sein Kammerdiener. Der alte Herr war fix ärgerlich, weil daß er,
als das Unglück passirte, gerade bein Abzählen von die Hacke in sein
Strumpf war und bei diese Arbeit kein Störung vertragen konnte. Seine
Hofherrens mußten zu die Franzvsens sagen, sie sollten man keinen Lärm
um das kleine Mallöhr schlagen, wenn sie nich alle von Plön verbannt
werden wollten. Peter Friedrich hätt kein Lust, von Napolium ein groben
Brief zu stucken. Und die französchen Herrschaftens hatten kein Lust, wieder
in der Verbannung zu gehn, da hatten sie genug von gehabt. Sie swiegen
ganz still, und als der Plöner Herzog bald wieder ne Gesellschaft gab, um
noch mal ne ungestörte Bootpattie zu machen, da waren sie alle wieder bei,
und ich konnte ihnen von übers Wasser her lache» hören. Denn unser Gast¬
haus sah mit seine Fenstern über den großen See hinüber. Ja, da konnten
sie lachen, als wenn garnix passirt wär, als lüg der junge Herzog nich unter
die Väumens begraben, als hätt die französche Prinzessin nimmer auf die
Landstraße gesessen mit den toten Mann neben sich.

Die Wolken hatten sich verzogen, und ein Strahl der scheidenden Sonne
fiel in Detlev Marksens kleines Zimmer. Der Alte erhob sich schwerfällig.

Nu können Sie man nach Hanse gehn, allens is wieder trocken! Soll
ich Ihnen ein büschen casu Weg bringen?

Ich erwiderte, daß ich seine Geschichte erst zu Ende hören wollte.

Aber Detlev sah mich verdrießlich an. Da is nix mehr zu verzählen. Die
französche Prinzessin is den nächsten Tag nach Kiel gefahren, in eine ver¬
flossene Kutsche, und der alte Herzog fuhr mit sie. Später hab ich man ge¬
hört, daß sie ein vornehmen Prinzen heiraten mußte, und daß ihr kein
Mensch hat leiden mögen. Denn sie war ümmer ernsthaft und konnt sich
nich freuen, wenn die andern Spaß machten. So is das um in die Welt.
Der ein hat ein swaches Gedächtnis und kann lustig bleiben; der andre is


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[0604] Der langweilige Aammerherr dreimal Fluch! Und dann deckt er die Fingers über die Angers und lag still, ganz still. In diese Zeit bin ich nich viel von sein Bett fortgegangen, abers ich hab doch gehört, daß' der junge Herzog ganz heimlich in Sloßgarten begraben worden is, und daß sie Piähr neben ihn legten, obgleich das ja drektemang gegen den Respekt is. Sie dachten abers wohl, daß der liebe Gott die beiden doch von einander kennen that und ein jeden an seinen Platz setzen würd. Das würd mich nu auch sehr angenehm sein, weil daß ich Piähr in Himmel gern wieder sehen wollt, was ich natürlicheweise nich kann, wenn er mit einmal mang die vornehmen Herrschaftens is, wo für unsereins doch kein rechte Gemütlichkeit is. Aufs Grab von die Frcmzosens sind Bäume gepflanzt worden, damit kein Mensch den Platz kennt — so befahl Herzog Peter Friedrich, weil er so¬ viel Angst hatt vor Napvlium. Ihn war die ganze Geschichte furchtbar sital, sagt sein Kammerdiener. Der alte Herr war fix ärgerlich, weil daß er, als das Unglück passirte, gerade bein Abzählen von die Hacke in sein Strumpf war und bei diese Arbeit kein Störung vertragen konnte. Seine Hofherrens mußten zu die Franzvsens sagen, sie sollten man keinen Lärm um das kleine Mallöhr schlagen, wenn sie nich alle von Plön verbannt werden wollten. Peter Friedrich hätt kein Lust, von Napolium ein groben Brief zu stucken. Und die französchen Herrschaftens hatten kein Lust, wieder in der Verbannung zu gehn, da hatten sie genug von gehabt. Sie swiegen ganz still, und als der Plöner Herzog bald wieder ne Gesellschaft gab, um noch mal ne ungestörte Bootpattie zu machen, da waren sie alle wieder bei, und ich konnte ihnen von übers Wasser her lache» hören. Denn unser Gast¬ haus sah mit seine Fenstern über den großen See hinüber. Ja, da konnten sie lachen, als wenn garnix passirt wär, als lüg der junge Herzog nich unter die Väumens begraben, als hätt die französche Prinzessin nimmer auf die Landstraße gesessen mit den toten Mann neben sich. Die Wolken hatten sich verzogen, und ein Strahl der scheidenden Sonne fiel in Detlev Marksens kleines Zimmer. Der Alte erhob sich schwerfällig. Nu können Sie man nach Hanse gehn, allens is wieder trocken! Soll ich Ihnen ein büschen casu Weg bringen? Ich erwiderte, daß ich seine Geschichte erst zu Ende hören wollte. Aber Detlev sah mich verdrießlich an. Da is nix mehr zu verzählen. Die französche Prinzessin is den nächsten Tag nach Kiel gefahren, in eine ver¬ flossene Kutsche, und der alte Herzog fuhr mit sie. Später hab ich man ge¬ hört, daß sie ein vornehmen Prinzen heiraten mußte, und daß ihr kein Mensch hat leiden mögen. Denn sie war ümmer ernsthaft und konnt sich nich freuen, wenn die andern Spaß machten. So is das um in die Welt. Der ein hat ein swaches Gedächtnis und kann lustig bleiben; der andre is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/604>, abgerufen am 03.07.2024.