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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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weder Kommunismus noch Kapitalismus

war die selbstverständliche Wirkung dieses Mangels an Händen. Der König
verbot die Zahlung höherer Löhne in einer Proklamation, die durch den Primas
an die Sheriffs verteilt wurde. Eine Anzahl von Lohnarbeitern wurde ins
Gefängnis geworfen; andre flohen in die Wälder und vergrößerten die Banden.
Aber der Arbeitslohn ging nicht herunter; im Gegenteil, je weniger der Ar¬
beiter wurden, desto mehr stieg er. Sobald das Parlament, das nach Aus¬
druck) der Pest seiue Sitzungen abgebrochen hatte, wieder zusammentrat, erließ
es das berühmte Arbeiterstatut, das mit der Proklamation des Königs zu¬
sammen zweihundert Jahre lang Gesetzeskraft behalten hat und erst von Eli¬
sabeth aufgehoben worden ist. Seine acht Bestimmungen lauten: "1. Keine
Person unter sechzig Jahren, die weder von Kaufmannschaft oder Handwerk
lebt, noch eignen Grundbesitz hat, darf sich weigern, landwirtschaftliche Arbeiten
zu dem im Jahre 1.'!47 üblichen Lohne zu verrichten. Den ersten Anspruch
ans die Arbeit der Leibeignen hat ihr Herr, und die sich weigern, werden ein¬
gekerkert. 2. Mit Gefängnis werden alle bestraft, die vor der vertragsmäßigen
Zeit aus der Arbeit laufen. Z. Höhere als die bezeichneten Löhne zu ge¬
währen, ist nicht erlaubt. 4. Gutsherren, die mehr zahlen, haben das drei¬
fache des gesetzlichen Lohns als Strafe zu erlegen. 5. Die Handwerker, na¬
mentlich die Sattler, Gerber, Schuhmacher, Schmiede, Hufschmiede, Zimmer¬
leute, Maurer, Ziegelmacher, Anstreicher und Kärrner, unterliegen denselben
Bestimmungen. Mach dem bereits gesagten handelt es sich hier nicht um den
Lohn, den etwa der Meister dem Gesellen zu zahlen gehabt hätte, sondern um
das, was beide von dem Kunden zu fordern haben. ^ 6. Nahrungsmittel
müssen zu angemessenen sroWonMo) Preisen verlauft werden. 7. Arbeits¬
fähigen Personen Almosen zu geben ist streng verboten. 8. Was über den
gesetzlichen Lohn gezahlt worden ist, kann für den dem Könige neuerdings be¬
willigten Zehnten und Fünfzehnten konfiszirt werden." Das Statut blieb ein
Schlag ins Wasser. Alljährlich wiederholen sich die Klagen, daß es nichts
nütze. Die Amtleute erfanden eine Art doppelter Buchführung zur Umgehung
des Gesetzes: sie schrieben den wirklich gezählten Lohn ein, strichen dann die
Zahl durch und setzten die des vorgeschriebnen Lohns darunter. Nach mehr¬
fachen Schwankungen trat ein Beharrungszustand ein: der Lohn der Männer
war endgiltig um fünfzig, der der Frauen und Knaben um hundert Prozent
gestiegen; gleichzeitig wurde, wie das bei so günstiger Lage der Arbeiter selbst¬
verständlich ist, die Frauen- und Knabcnarbeit seltner. Frauen waren von jeher
immer nur für bestimmte ihnen angemessene Arbeiten, z. B. zum Schafe¬
scheren, verwendet worden. Mit dem Arbeitslohn stieg natürlich der Preis
aller Werkzeuge und Materialien, namentlich Eisen ward unerschwinglich teuer.
Dabei behielten die Lebensmittel, wie gesagt, den alten Preis, und Land
wurde spottbillig, weil die größern Grundbesitzer, außer stände, ihre ganze
Ackerfläche zu bewirtschaften, zu Verkäufen von Parzellen stets bereit waren.


weder Kommunismus noch Kapitalismus

war die selbstverständliche Wirkung dieses Mangels an Händen. Der König
verbot die Zahlung höherer Löhne in einer Proklamation, die durch den Primas
an die Sheriffs verteilt wurde. Eine Anzahl von Lohnarbeitern wurde ins
Gefängnis geworfen; andre flohen in die Wälder und vergrößerten die Banden.
Aber der Arbeitslohn ging nicht herunter; im Gegenteil, je weniger der Ar¬
beiter wurden, desto mehr stieg er. Sobald das Parlament, das nach Aus¬
druck) der Pest seiue Sitzungen abgebrochen hatte, wieder zusammentrat, erließ
es das berühmte Arbeiterstatut, das mit der Proklamation des Königs zu¬
sammen zweihundert Jahre lang Gesetzeskraft behalten hat und erst von Eli¬
sabeth aufgehoben worden ist. Seine acht Bestimmungen lauten: „1. Keine
Person unter sechzig Jahren, die weder von Kaufmannschaft oder Handwerk
lebt, noch eignen Grundbesitz hat, darf sich weigern, landwirtschaftliche Arbeiten
zu dem im Jahre 1.'!47 üblichen Lohne zu verrichten. Den ersten Anspruch
ans die Arbeit der Leibeignen hat ihr Herr, und die sich weigern, werden ein¬
gekerkert. 2. Mit Gefängnis werden alle bestraft, die vor der vertragsmäßigen
Zeit aus der Arbeit laufen. Z. Höhere als die bezeichneten Löhne zu ge¬
währen, ist nicht erlaubt. 4. Gutsherren, die mehr zahlen, haben das drei¬
fache des gesetzlichen Lohns als Strafe zu erlegen. 5. Die Handwerker, na¬
mentlich die Sattler, Gerber, Schuhmacher, Schmiede, Hufschmiede, Zimmer¬
leute, Maurer, Ziegelmacher, Anstreicher und Kärrner, unterliegen denselben
Bestimmungen. Mach dem bereits gesagten handelt es sich hier nicht um den
Lohn, den etwa der Meister dem Gesellen zu zahlen gehabt hätte, sondern um
das, was beide von dem Kunden zu fordern haben. ^ 6. Nahrungsmittel
müssen zu angemessenen sroWonMo) Preisen verlauft werden. 7. Arbeits¬
fähigen Personen Almosen zu geben ist streng verboten. 8. Was über den
gesetzlichen Lohn gezahlt worden ist, kann für den dem Könige neuerdings be¬
willigten Zehnten und Fünfzehnten konfiszirt werden." Das Statut blieb ein
Schlag ins Wasser. Alljährlich wiederholen sich die Klagen, daß es nichts
nütze. Die Amtleute erfanden eine Art doppelter Buchführung zur Umgehung
des Gesetzes: sie schrieben den wirklich gezählten Lohn ein, strichen dann die
Zahl durch und setzten die des vorgeschriebnen Lohns darunter. Nach mehr¬
fachen Schwankungen trat ein Beharrungszustand ein: der Lohn der Männer
war endgiltig um fünfzig, der der Frauen und Knaben um hundert Prozent
gestiegen; gleichzeitig wurde, wie das bei so günstiger Lage der Arbeiter selbst¬
verständlich ist, die Frauen- und Knabcnarbeit seltner. Frauen waren von jeher
immer nur für bestimmte ihnen angemessene Arbeiten, z. B. zum Schafe¬
scheren, verwendet worden. Mit dem Arbeitslohn stieg natürlich der Preis
aller Werkzeuge und Materialien, namentlich Eisen ward unerschwinglich teuer.
Dabei behielten die Lebensmittel, wie gesagt, den alten Preis, und Land
wurde spottbillig, weil die größern Grundbesitzer, außer stände, ihre ganze
Ackerfläche zu bewirtschaften, zu Verkäufen von Parzellen stets bereit waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/530>, abgerufen am 22.12.2024.