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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Ein neuer Buchhändlerprojes;

rührten, unter dem Namen Alters veröffentlicht, dann ließe sich vielleicht sagen,
daß die Angeklagten wegen Verletzung der Allersschen Künstlerehre eine Strafe
von emtansendfimfhnndcrt Mark verdient hätten. Was war denn aber hier
geschehen? Echte Zeichnungen von Alters waren in kunstgerechter Form
-- weit besser als in den Illustrationen vervielfältigt und in durchaus
würdiger Ausstattung veröffentlicht worden. Die Bedeutung der Bilder war
auch durch die, ohne Zweifel von Schönthan herrührenden, hübschen und
scherzhaften Unterschriften genügend klargemacht. Alters selbst hatte die
Zeichnungen zunächst zu den Illustrationen hergegeben. Er hatte auch in
eine weitere Veröffentlichung gewilligt. Er machte also durchaus kein Ge¬
heimnis aus den Zeichnungen. Sie waren längst als sein Werk bekannt.
Wie konnte nun dadurch, daß die Angeklagten diese Zeichnungen in durchaus
kunstgerechter Form wiedergaben, der Künstlerruf von Alters geschädigt werden?
War wegen der Herausgabe der Mappe in ihrer anspruchsvollen Form ein
Vorwurf wider Alters zu erheben, so konnte es nur der sein, daß er allzusehr
beflissen sei, auch aus minderwertigen Leistungen einen möglichst großen ge¬
schäftlichen Nutzen zu ziehen. Dieser Vorwurf traf ihn aber nicht als Künstler,
sondern als Menschen. Und wenn er dagegen empfindlich war, so mußte er
auch nicht in dem hier besprochnen Prozeß eine Klage ans zwölftausend Mark
Buße erheben.

Aber die "Gutachten der Sachverständigen," auf die sich das Gericht
beruft? Allerdings hat der Kunsthändler Meder ausgesagt, er habe bei der
Mappe den Eindruck gehabt, daß sie nicht in dieser Form für die Reproduktion
bestimmt gewesen sei; er habe gleich gesagt, Alters müsse wohl, wenn nicht ein
Mißbrauch mit seinen Zeichnungen getrieben worden sei, auf seinen Ruf als
Künstler nicht mehr viel geben. Der Buchhändler Bvhsen hat ausgesagt, er
würde die Mappe gar nicht für ein Werk von Alters gehalten haben, wenn
nicht sein Name unter den Bildern gestanden Hütte. Bopser und Griese
-- beide sind Verleger von frühern Mappen -- haben dann noch allsgesagt,
nach Erscheinen der Mappe sei man in Künstler- und Laienkreisen geradezu
entrüstet gewesen, wie Alters solche Bilder herausgeben könne. Vor allen
Dingen sei aber Alters selbst, als er nach seiner Rückkehr von der Orientreise
die Mappe gesehen habe, aufs äußerste überrascht und empört gewesen.

Was soll man nun zu dem allen sagen? Es ist ja jedem Juristen
bekannt, daß Sachverständige das unzuverlässigste Beweismittel sind. Sie
ergehen sich oft in den einseitigsten und befangensten Aussprüchen. Gerade
deshalb hat die deutsche Zivilprozeßvrduuug bestimmt, daß das Gericht an
das Gutachten von Sachverständigen durchaus nicht gebunden sein soll, viel¬
mehr aus Grund freier Veweiswürdigung zu prüfen habe, inwieweit deren
Aussprüche Glauben verdienen. Am wenigsten aber kann die Aussage von
Sachverständigen ans Untrüglichkeit Anspruch machen, wenn sie einseitig von


Ein neuer Buchhändlerprojes;

rührten, unter dem Namen Alters veröffentlicht, dann ließe sich vielleicht sagen,
daß die Angeklagten wegen Verletzung der Allersschen Künstlerehre eine Strafe
von emtansendfimfhnndcrt Mark verdient hätten. Was war denn aber hier
geschehen? Echte Zeichnungen von Alters waren in kunstgerechter Form
— weit besser als in den Illustrationen vervielfältigt und in durchaus
würdiger Ausstattung veröffentlicht worden. Die Bedeutung der Bilder war
auch durch die, ohne Zweifel von Schönthan herrührenden, hübschen und
scherzhaften Unterschriften genügend klargemacht. Alters selbst hatte die
Zeichnungen zunächst zu den Illustrationen hergegeben. Er hatte auch in
eine weitere Veröffentlichung gewilligt. Er machte also durchaus kein Ge¬
heimnis aus den Zeichnungen. Sie waren längst als sein Werk bekannt.
Wie konnte nun dadurch, daß die Angeklagten diese Zeichnungen in durchaus
kunstgerechter Form wiedergaben, der Künstlerruf von Alters geschädigt werden?
War wegen der Herausgabe der Mappe in ihrer anspruchsvollen Form ein
Vorwurf wider Alters zu erheben, so konnte es nur der sein, daß er allzusehr
beflissen sei, auch aus minderwertigen Leistungen einen möglichst großen ge¬
schäftlichen Nutzen zu ziehen. Dieser Vorwurf traf ihn aber nicht als Künstler,
sondern als Menschen. Und wenn er dagegen empfindlich war, so mußte er
auch nicht in dem hier besprochnen Prozeß eine Klage ans zwölftausend Mark
Buße erheben.

Aber die „Gutachten der Sachverständigen," auf die sich das Gericht
beruft? Allerdings hat der Kunsthändler Meder ausgesagt, er habe bei der
Mappe den Eindruck gehabt, daß sie nicht in dieser Form für die Reproduktion
bestimmt gewesen sei; er habe gleich gesagt, Alters müsse wohl, wenn nicht ein
Mißbrauch mit seinen Zeichnungen getrieben worden sei, auf seinen Ruf als
Künstler nicht mehr viel geben. Der Buchhändler Bvhsen hat ausgesagt, er
würde die Mappe gar nicht für ein Werk von Alters gehalten haben, wenn
nicht sein Name unter den Bildern gestanden Hütte. Bopser und Griese
— beide sind Verleger von frühern Mappen — haben dann noch allsgesagt,
nach Erscheinen der Mappe sei man in Künstler- und Laienkreisen geradezu
entrüstet gewesen, wie Alters solche Bilder herausgeben könne. Vor allen
Dingen sei aber Alters selbst, als er nach seiner Rückkehr von der Orientreise
die Mappe gesehen habe, aufs äußerste überrascht und empört gewesen.

Was soll man nun zu dem allen sagen? Es ist ja jedem Juristen
bekannt, daß Sachverständige das unzuverlässigste Beweismittel sind. Sie
ergehen sich oft in den einseitigsten und befangensten Aussprüchen. Gerade
deshalb hat die deutsche Zivilprozeßvrduuug bestimmt, daß das Gericht an
das Gutachten von Sachverständigen durchaus nicht gebunden sein soll, viel¬
mehr aus Grund freier Veweiswürdigung zu prüfen habe, inwieweit deren
Aussprüche Glauben verdienen. Am wenigsten aber kann die Aussage von
Sachverständigen ans Untrüglichkeit Anspruch machen, wenn sie einseitig von


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[0518] Ein neuer Buchhändlerprojes; rührten, unter dem Namen Alters veröffentlicht, dann ließe sich vielleicht sagen, daß die Angeklagten wegen Verletzung der Allersschen Künstlerehre eine Strafe von emtansendfimfhnndcrt Mark verdient hätten. Was war denn aber hier geschehen? Echte Zeichnungen von Alters waren in kunstgerechter Form — weit besser als in den Illustrationen vervielfältigt und in durchaus würdiger Ausstattung veröffentlicht worden. Die Bedeutung der Bilder war auch durch die, ohne Zweifel von Schönthan herrührenden, hübschen und scherzhaften Unterschriften genügend klargemacht. Alters selbst hatte die Zeichnungen zunächst zu den Illustrationen hergegeben. Er hatte auch in eine weitere Veröffentlichung gewilligt. Er machte also durchaus kein Ge¬ heimnis aus den Zeichnungen. Sie waren längst als sein Werk bekannt. Wie konnte nun dadurch, daß die Angeklagten diese Zeichnungen in durchaus kunstgerechter Form wiedergaben, der Künstlerruf von Alters geschädigt werden? War wegen der Herausgabe der Mappe in ihrer anspruchsvollen Form ein Vorwurf wider Alters zu erheben, so konnte es nur der sein, daß er allzusehr beflissen sei, auch aus minderwertigen Leistungen einen möglichst großen ge¬ schäftlichen Nutzen zu ziehen. Dieser Vorwurf traf ihn aber nicht als Künstler, sondern als Menschen. Und wenn er dagegen empfindlich war, so mußte er auch nicht in dem hier besprochnen Prozeß eine Klage ans zwölftausend Mark Buße erheben. Aber die „Gutachten der Sachverständigen," auf die sich das Gericht beruft? Allerdings hat der Kunsthändler Meder ausgesagt, er habe bei der Mappe den Eindruck gehabt, daß sie nicht in dieser Form für die Reproduktion bestimmt gewesen sei; er habe gleich gesagt, Alters müsse wohl, wenn nicht ein Mißbrauch mit seinen Zeichnungen getrieben worden sei, auf seinen Ruf als Künstler nicht mehr viel geben. Der Buchhändler Bvhsen hat ausgesagt, er würde die Mappe gar nicht für ein Werk von Alters gehalten haben, wenn nicht sein Name unter den Bildern gestanden Hütte. Bopser und Griese — beide sind Verleger von frühern Mappen — haben dann noch allsgesagt, nach Erscheinen der Mappe sei man in Künstler- und Laienkreisen geradezu entrüstet gewesen, wie Alters solche Bilder herausgeben könne. Vor allen Dingen sei aber Alters selbst, als er nach seiner Rückkehr von der Orientreise die Mappe gesehen habe, aufs äußerste überrascht und empört gewesen. Was soll man nun zu dem allen sagen? Es ist ja jedem Juristen bekannt, daß Sachverständige das unzuverlässigste Beweismittel sind. Sie ergehen sich oft in den einseitigsten und befangensten Aussprüchen. Gerade deshalb hat die deutsche Zivilprozeßvrduuug bestimmt, daß das Gericht an das Gutachten von Sachverständigen durchaus nicht gebunden sein soll, viel¬ mehr aus Grund freier Veweiswürdigung zu prüfen habe, inwieweit deren Aussprüche Glauben verdienen. Am wenigsten aber kann die Aussage von Sachverständigen ans Untrüglichkeit Anspruch machen, wenn sie einseitig von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/518>, abgerufen am 23.07.2024.