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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Erinnerungen an Lothar Bücher

hüllungen über die Veranlassung seines Schritts, in den Zeitungen lese".
Auch verschämte Anspielungen auf ausgezeichnete Kräfte, die ihn gänzlich er¬
setzen würden, blieben nicht ans.

Er arbeitete weiter und bekämpfte sein Leiden durch Bäderbesuch und
angreifende Kuren. Gegen Ende des folgenden Jahres nahm der Kanzler
Gelegenheit, ihn in besonders schmeichelhafter Weise dazu zu beglückwünschen,
daß die Wiederkehr seiner Gesundheit "alle Zweifel bezüglich der Fortsetzung
unsrer langjährigen gemeinsamen Thätigkeit beseitigt" habe. Aber im Oktober
1885 sah sich Bucher gezwungen, das Abschiedsgesuch zu erneuern, worauf
ihm ein sechsmonatlicher Urlaub erteilt wurde, nach dessen Ablauf, da ihm
der Aufenthalt in Clarens am Genfersee nicht die erwünschte Kräftigung ver¬
schafft hatte, der Kanzler ihm Vorschläge machte, um ihm den Dienst zu er¬
leichtern und ihn vor Störungen zu bewahren. Doch wurden diese Vor¬
schlüge nach reiflicher Erwägung als unausführbar erkannt, und nachdem Bucher
auf die wiederholte Bemerkung des Kanzlers, er sei bereit, mehr für ihn zu
thun, erklärt hatte, zur Disposition gestellt würde er völlig zufrieden sein,
wurde dahin eine Vereinbarung getroffen. Die Versetzung in den einstwei¬
ligen Ruhestand erfolgte am 17. Mai 1886; die Verfügung enthält nach¬
stehenden Satz: "Ich bedaure, Sie als aktiven Mitarbeiter verlieren zu müssen,
und rechne gern auf Ihre Zusage fernern Beistands für besondre Aufgaben
und Fragen."

Aber anch diesmal wollte man das Nuhebcdürfnis eines fast siebzig¬
jährigen, kränklichen Mannes nach einem so arbeitsvollen Leben uicht als ge¬
nügenden Erklürungsgrund gelten lassen. Wie früher seine Ernennung zum
Direktor der handelspolitischen Abteilung durch den Minister Delbrück ver¬
hindert worden sein sollte, so soll jetzt Bucher seine Thätigkeit durch die Be¬
rufung des Grafen Herbert auf den Posten des Staatssekretärs verleidet
worden sein. Dieses Thema ist anch in allerjüngster Zeit wieder erörtert
worden, und da zur Beleuchtung der Beziehungen beider zu einander schon
die Antwort aus die Einladung nach Wien zur Hochzeitsfeier in die Öffent¬
lichkeit gelangt ist, so glaube ich keine Indiskretion zu begehen, wenn ich das
Einladungsschreiben hier folgen lasse.

Friedrichsruh 4.6. !>2.


Verehrtester Herr Geheimer Rath,

Ich hatte gehofft, Sie in dieser Zeit hier zu treffen um Ihnen persönlich
für Ihren freundlichen Glückwunsch zu danken u. Sie zu fragen ob Sie mir
die Freude machen wollen, zu meiner Hochzeit zu kommen. Da ich nun höre,
daß Sie nach Baden gereist sind, so muß ich das schriftlich thun. Die Hochzeit
findet am 20. u. 21. d. M. in Wien, im Palais Palffy, Wallnerstraße, statt.
Wohnen müssen wir leider alle im H'^tel, u. unter diesen Umständen ist es eigent¬
lich ein kühnes Unterfangen, Gäste auf die weite Reise einzuladen. Wenn Sie
aber letztere nicht scheuen, so sind Sie uns natürlich sehr willkommen. Meine


Erinnerungen an Lothar Bücher

hüllungen über die Veranlassung seines Schritts, in den Zeitungen lese».
Auch verschämte Anspielungen auf ausgezeichnete Kräfte, die ihn gänzlich er¬
setzen würden, blieben nicht ans.

Er arbeitete weiter und bekämpfte sein Leiden durch Bäderbesuch und
angreifende Kuren. Gegen Ende des folgenden Jahres nahm der Kanzler
Gelegenheit, ihn in besonders schmeichelhafter Weise dazu zu beglückwünschen,
daß die Wiederkehr seiner Gesundheit „alle Zweifel bezüglich der Fortsetzung
unsrer langjährigen gemeinsamen Thätigkeit beseitigt" habe. Aber im Oktober
1885 sah sich Bucher gezwungen, das Abschiedsgesuch zu erneuern, worauf
ihm ein sechsmonatlicher Urlaub erteilt wurde, nach dessen Ablauf, da ihm
der Aufenthalt in Clarens am Genfersee nicht die erwünschte Kräftigung ver¬
schafft hatte, der Kanzler ihm Vorschläge machte, um ihm den Dienst zu er¬
leichtern und ihn vor Störungen zu bewahren. Doch wurden diese Vor¬
schlüge nach reiflicher Erwägung als unausführbar erkannt, und nachdem Bucher
auf die wiederholte Bemerkung des Kanzlers, er sei bereit, mehr für ihn zu
thun, erklärt hatte, zur Disposition gestellt würde er völlig zufrieden sein,
wurde dahin eine Vereinbarung getroffen. Die Versetzung in den einstwei¬
ligen Ruhestand erfolgte am 17. Mai 1886; die Verfügung enthält nach¬
stehenden Satz: „Ich bedaure, Sie als aktiven Mitarbeiter verlieren zu müssen,
und rechne gern auf Ihre Zusage fernern Beistands für besondre Aufgaben
und Fragen."

Aber anch diesmal wollte man das Nuhebcdürfnis eines fast siebzig¬
jährigen, kränklichen Mannes nach einem so arbeitsvollen Leben uicht als ge¬
nügenden Erklürungsgrund gelten lassen. Wie früher seine Ernennung zum
Direktor der handelspolitischen Abteilung durch den Minister Delbrück ver¬
hindert worden sein sollte, so soll jetzt Bucher seine Thätigkeit durch die Be¬
rufung des Grafen Herbert auf den Posten des Staatssekretärs verleidet
worden sein. Dieses Thema ist anch in allerjüngster Zeit wieder erörtert
worden, und da zur Beleuchtung der Beziehungen beider zu einander schon
die Antwort aus die Einladung nach Wien zur Hochzeitsfeier in die Öffent¬
lichkeit gelangt ist, so glaube ich keine Indiskretion zu begehen, wenn ich das
Einladungsschreiben hier folgen lasse.

Friedrichsruh 4.6. !>2.


Verehrtester Herr Geheimer Rath,

Ich hatte gehofft, Sie in dieser Zeit hier zu treffen um Ihnen persönlich
für Ihren freundlichen Glückwunsch zu danken u. Sie zu fragen ob Sie mir
die Freude machen wollen, zu meiner Hochzeit zu kommen. Da ich nun höre,
daß Sie nach Baden gereist sind, so muß ich das schriftlich thun. Die Hochzeit
findet am 20. u. 21. d. M. in Wien, im Palais Palffy, Wallnerstraße, statt.
Wohnen müssen wir leider alle im H'^tel, u. unter diesen Umständen ist es eigent¬
lich ein kühnes Unterfangen, Gäste auf die weite Reise einzuladen. Wenn Sie
aber letztere nicht scheuen, so sind Sie uns natürlich sehr willkommen. Meine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/482>, abgerufen am 23.07.2024.