Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Der Militarismus der Sozialdemokratie nicht, daß jeder zweite Mann Soldat sei, sie will kein "stehendes Heer" und Früher hieß es: I/Lmxirg v'sse Ig> pinx, jetzt heißt es: I,s Loomlisins o'est Der Militarismus der Sozialdemokratie nicht, daß jeder zweite Mann Soldat sei, sie will kein „stehendes Heer" und Früher hieß es: I/Lmxirg v'sse Ig> pinx, jetzt heißt es: I,s Loomlisins o'est <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213517"/> <fw type="header" place="top"> Der Militarismus der Sozialdemokratie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1233" prev="#ID_1232"> nicht, daß jeder zweite Mann Soldat sei, sie will kein „stehendes Heer" und<lb/> keine lange Dienstzeit, damit nicht der Soldat durch die „Züchtung des mili¬<lb/> tärischen Geistes" dem „Volke" entfremdet werde. Sie behauptet, daß nur<lb/> eine winzige Minderheit von dem Militarismus lebe, daß der Militarismus<lb/> hauptsächlich der herrschenden Klasse zu gute komme, weil nur sie materielles<lb/> Eigentum habe, das eines Schutzes gegen Angriffe bedürfe, daß das heutige<lb/> Militärsystem uur zum Schutz des kapitalistischen Klassenstaats dasei. Da<lb/> aber das ganze geltende System seinem sanften Ende entgegengehe, so erbietet<lb/> sie sich aus freien Stücken, unter Vorbehalt des Inventars, die Erbschaft an¬<lb/> zutreten. Die beiden Ihnen, der Militarismus und der Kapitalismus, werden<lb/> eiuen Erben und Nachfolger haben, der, wie er schon vor Antritt der Regie¬<lb/> rung laut verkündet, ganz anders regieren wird, als seine Bäter und Vor¬<lb/> gänger. Er hat in der langen Friedenszeit nach den großen Kriegen im<lb/> Anfang unsers Jahrhunderts, wo die Leutnants an die zwanzig Jahre bis<lb/> zum Hauptmann brauchten, das Licht der Welt erblickt und ist dann nach<lb/> den großen Kriegen von 1866 und 1870 durch die erneute Gunst des Frie¬<lb/> dens zu seiner ganzen Größe ausgewachsen, darum ist er auch so friedlich.<lb/> Ihr seid der Krieg, ruft er aus, ich, der Sozialismus, bin der Friede!</p><lb/> <p xml:id="ID_1234" next="#ID_1235"> Früher hieß es: I/Lmxirg v'sse Ig> pinx, jetzt heißt es: I,s Loomlisins o'est<lb/> In, pg,ix. Nur eine Partei giebt es nach Bebel, die den Frieden wirklich will,<lb/> das ist die sozialdemokratische, da die breiten Arbeitermassen aller Kulturländer<lb/> die Erhaltung des Friedens wünschen. Nach Liebknecht giebt es „bloß eine<lb/> Möglichkeit, die sogenannte elsaß-lothringische Frage zu lösen, und diese Mög¬<lb/> lichkeit besteht darin, daß Frankreich sowohl wie Deutschland sich sozialistisch<lb/> und demokratisch entwickelt. Daun wird es keine elsaß-lothringische Frage<lb/> mehr geben. Dann ist es vollständig gleichgiltig, wohin Elsaß-Lothringen<lb/> gehört. Denn da wird niemand einen Kampf aufnehmen. Dann leben alle<lb/> Völker friedlich neben einander. Diese Möglichkeit ist bei dem Sozialismus<lb/> auch gegeben, weil keiner den andern beherrscht, weil volle Autonomie besteht<lb/> für die Gesamtheit, und dann sind wir alle Brüder, dann giebt es keine<lb/> Herren und keine Knechte mehr, sondern nur Freie und Gleiche." „Die fran¬<lb/> zösischen Arbeiter — meinte am 18. Oktober 1892 der »Vorwärts« —find unsre<lb/> Brüder und werden Hand in Hand mit uns den Chauvinismus der kapita¬<lb/> listischen Klassen bekämpfen und das Reich des Friedens, der Freiheit und<lb/> der internationalen Verbrüderung herbeiführen helfen: das Reich des Sozialis¬<lb/> mus." Mit großen Behagen läßt der „Vorwärts" in seinem Feuilleton<lb/> „Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner" er¬<lb/> scheinen, einen Roman, der durch seinen glühenden Protest gegen den menschen¬<lb/> mordenden Krieg großes Aufsehen erregt hat. Nicht allein, daß Frau von<lb/> Suttner das Blutvergießen verdammt, daß sie den Krieg als „Verneinung<lb/> der Kultur" bezeichnet, weil er in einem unerträglichen Gegensatz stehe zu dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
Der Militarismus der Sozialdemokratie
nicht, daß jeder zweite Mann Soldat sei, sie will kein „stehendes Heer" und
keine lange Dienstzeit, damit nicht der Soldat durch die „Züchtung des mili¬
tärischen Geistes" dem „Volke" entfremdet werde. Sie behauptet, daß nur
eine winzige Minderheit von dem Militarismus lebe, daß der Militarismus
hauptsächlich der herrschenden Klasse zu gute komme, weil nur sie materielles
Eigentum habe, das eines Schutzes gegen Angriffe bedürfe, daß das heutige
Militärsystem uur zum Schutz des kapitalistischen Klassenstaats dasei. Da
aber das ganze geltende System seinem sanften Ende entgegengehe, so erbietet
sie sich aus freien Stücken, unter Vorbehalt des Inventars, die Erbschaft an¬
zutreten. Die beiden Ihnen, der Militarismus und der Kapitalismus, werden
eiuen Erben und Nachfolger haben, der, wie er schon vor Antritt der Regie¬
rung laut verkündet, ganz anders regieren wird, als seine Bäter und Vor¬
gänger. Er hat in der langen Friedenszeit nach den großen Kriegen im
Anfang unsers Jahrhunderts, wo die Leutnants an die zwanzig Jahre bis
zum Hauptmann brauchten, das Licht der Welt erblickt und ist dann nach
den großen Kriegen von 1866 und 1870 durch die erneute Gunst des Frie¬
dens zu seiner ganzen Größe ausgewachsen, darum ist er auch so friedlich.
Ihr seid der Krieg, ruft er aus, ich, der Sozialismus, bin der Friede!
Früher hieß es: I/Lmxirg v'sse Ig> pinx, jetzt heißt es: I,s Loomlisins o'est
In, pg,ix. Nur eine Partei giebt es nach Bebel, die den Frieden wirklich will,
das ist die sozialdemokratische, da die breiten Arbeitermassen aller Kulturländer
die Erhaltung des Friedens wünschen. Nach Liebknecht giebt es „bloß eine
Möglichkeit, die sogenannte elsaß-lothringische Frage zu lösen, und diese Mög¬
lichkeit besteht darin, daß Frankreich sowohl wie Deutschland sich sozialistisch
und demokratisch entwickelt. Daun wird es keine elsaß-lothringische Frage
mehr geben. Dann ist es vollständig gleichgiltig, wohin Elsaß-Lothringen
gehört. Denn da wird niemand einen Kampf aufnehmen. Dann leben alle
Völker friedlich neben einander. Diese Möglichkeit ist bei dem Sozialismus
auch gegeben, weil keiner den andern beherrscht, weil volle Autonomie besteht
für die Gesamtheit, und dann sind wir alle Brüder, dann giebt es keine
Herren und keine Knechte mehr, sondern nur Freie und Gleiche." „Die fran¬
zösischen Arbeiter — meinte am 18. Oktober 1892 der »Vorwärts« —find unsre
Brüder und werden Hand in Hand mit uns den Chauvinismus der kapita¬
listischen Klassen bekämpfen und das Reich des Friedens, der Freiheit und
der internationalen Verbrüderung herbeiführen helfen: das Reich des Sozialis¬
mus." Mit großen Behagen läßt der „Vorwärts" in seinem Feuilleton
„Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner" er¬
scheinen, einen Roman, der durch seinen glühenden Protest gegen den menschen¬
mordenden Krieg großes Aufsehen erregt hat. Nicht allein, daß Frau von
Suttner das Blutvergießen verdammt, daß sie den Krieg als „Verneinung
der Kultur" bezeichnet, weil er in einem unerträglichen Gegensatz stehe zu dem
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