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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Herbsttage in varzin

sich das dunkle Geäst und Laubwerk der hohen Bäume, die den Abfall des
dahinter liegenden Höhenzuges bedecken, von dem hellen Hintergrunde ab, die
Strahlen des Mondes glitten durch die Wipfel und verklärten mit silbernem
Glänze das stille Herrenhaus. Nach den überwältigenden Eindrücken des Tages
war es schwer, selbst nach einer fast schlaflosen durchreisten Nacht, den
Schlaf zu finden.

Der Montagmorgeu des 31. Oktober war kühl und frisch, und nur ein
großer Schwarm Enten, der sich dicht uuter deu Fenstern zum Aufbruche sam¬
melte, unterbrach mit unehrerbietig lautem Geschnatter die Stille ringsum. Ein
zweiter Tag in Varzin lag vor mir, denn der Fürst hatte beim Abschiede am
Abend freundlich bemerkt, er hoffe uns nochmals an seinem Tische zu sehen.
Ich benutzte den Vormittag vor allem dazu, mir sür die Erinnerung die
Stätte zu umgrenzen, wo ich so unvergeßliche Stunden verlebt hatte.

Das alte Herrenhaus ist ein schlichter, einstöckiger Bau aus dem Ende
des siebzehnten Jahrhunderts. Es hat nur sechs Fenster Front. Eine flache
Pfeilerstellung gliedert die Langseiten so, daß im Mittelbau zwei Fenster im
ersten Stock und darunter die über einem erhöhten Vorplatz zugängliche Haus¬
thür zwischen zwei Pfeilern unter einem flachen Giebel (mit dem Wappen der
Blumenthal) liegen, rechts und links je ein Fenster oben und unten zwischen
je zwei Pfeilern. Die Wände sind hellgelb, die Pfeiler weiß getüncht. Zwei
niedrigere Flügelgebäude, für die Dienerschaft und Wirtschaftsräume bestimmt,
stoßen im rechten Winkel daran und umschließen einen mit Sand bestreuten
Hof, über deu hinweg in der Fluchtlinie des westlichen Flügclgebändes das
sehr einfache Stallgebäude mit einem kleinen Uhrtürmchen in der Mitte sichtbar
wird. Die Hauptschauseite blickt nach Süden in den Garten und Park. Längs
des ganzen Erdgeschosses länft hier eine breite, offne Veranda hin, die vor
der Mittelthür zu einer ruudbogigen Vorhalle wird und mit uoch frischgrünen
Weinlaub überspannen war. Von dort aus führen ein paar Stufen in den
Garten. Das Erdgeschoß enthält jetzt nur Gesellschaftsräume, das Obergeschoß,
zu dein eilte breite Eicheutreppe führt, Gastzimmer. Mit dem Ostflügel des alten
Herrenhauses ist durch einen niedrigen Zwischenbau aus älterer Zeit das neue
Herrenhaus verbunden, ein quadratischer, einstöckiger Bau mit der stumpfen,
erkergeschmückten Ecke nach Südosten hin und je zwei sehr breiten, dreiteiliger
Fenstern an den Seiten, von einem flachen Dache gedeckt. Die geplante Er¬
richtung eines ähnlichen Gebäudes auf der andern Seite des alten Herren¬
hauses hat der Fürst später aufgegeben.

Das ganze Anwesen liegt wie im schützenden Schoße des Waldes; vom
Dorfe sieht man hier nichts. Nur nach Westen und Südwesten ziehen sich
offne Wiesenflächen nach dem sanftgewölbten, bewaldeten Nichtberge hinauf, wo
an geschützten Orten Bänke zur Ruhe und zu anmutigen Ausblicken einladen.
Im Süden, Osten und Norden lagert sich ein Höhenrücken herum, der sich im


Herbsttage in varzin

sich das dunkle Geäst und Laubwerk der hohen Bäume, die den Abfall des
dahinter liegenden Höhenzuges bedecken, von dem hellen Hintergrunde ab, die
Strahlen des Mondes glitten durch die Wipfel und verklärten mit silbernem
Glänze das stille Herrenhaus. Nach den überwältigenden Eindrücken des Tages
war es schwer, selbst nach einer fast schlaflosen durchreisten Nacht, den
Schlaf zu finden.

Der Montagmorgeu des 31. Oktober war kühl und frisch, und nur ein
großer Schwarm Enten, der sich dicht uuter deu Fenstern zum Aufbruche sam¬
melte, unterbrach mit unehrerbietig lautem Geschnatter die Stille ringsum. Ein
zweiter Tag in Varzin lag vor mir, denn der Fürst hatte beim Abschiede am
Abend freundlich bemerkt, er hoffe uns nochmals an seinem Tische zu sehen.
Ich benutzte den Vormittag vor allem dazu, mir sür die Erinnerung die
Stätte zu umgrenzen, wo ich so unvergeßliche Stunden verlebt hatte.

Das alte Herrenhaus ist ein schlichter, einstöckiger Bau aus dem Ende
des siebzehnten Jahrhunderts. Es hat nur sechs Fenster Front. Eine flache
Pfeilerstellung gliedert die Langseiten so, daß im Mittelbau zwei Fenster im
ersten Stock und darunter die über einem erhöhten Vorplatz zugängliche Haus¬
thür zwischen zwei Pfeilern unter einem flachen Giebel (mit dem Wappen der
Blumenthal) liegen, rechts und links je ein Fenster oben und unten zwischen
je zwei Pfeilern. Die Wände sind hellgelb, die Pfeiler weiß getüncht. Zwei
niedrigere Flügelgebäude, für die Dienerschaft und Wirtschaftsräume bestimmt,
stoßen im rechten Winkel daran und umschließen einen mit Sand bestreuten
Hof, über deu hinweg in der Fluchtlinie des westlichen Flügclgebändes das
sehr einfache Stallgebäude mit einem kleinen Uhrtürmchen in der Mitte sichtbar
wird. Die Hauptschauseite blickt nach Süden in den Garten und Park. Längs
des ganzen Erdgeschosses länft hier eine breite, offne Veranda hin, die vor
der Mittelthür zu einer ruudbogigen Vorhalle wird und mit uoch frischgrünen
Weinlaub überspannen war. Von dort aus führen ein paar Stufen in den
Garten. Das Erdgeschoß enthält jetzt nur Gesellschaftsräume, das Obergeschoß,
zu dein eilte breite Eicheutreppe führt, Gastzimmer. Mit dem Ostflügel des alten
Herrenhauses ist durch einen niedrigen Zwischenbau aus älterer Zeit das neue
Herrenhaus verbunden, ein quadratischer, einstöckiger Bau mit der stumpfen,
erkergeschmückten Ecke nach Südosten hin und je zwei sehr breiten, dreiteiliger
Fenstern an den Seiten, von einem flachen Dache gedeckt. Die geplante Er¬
richtung eines ähnlichen Gebäudes auf der andern Seite des alten Herren¬
hauses hat der Fürst später aufgegeben.

Das ganze Anwesen liegt wie im schützenden Schoße des Waldes; vom
Dorfe sieht man hier nichts. Nur nach Westen und Südwesten ziehen sich
offne Wiesenflächen nach dem sanftgewölbten, bewaldeten Nichtberge hinauf, wo
an geschützten Orten Bänke zur Ruhe und zu anmutigen Ausblicken einladen.
Im Süden, Osten und Norden lagert sich ein Höhenrücken herum, der sich im


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[0392] Herbsttage in varzin sich das dunkle Geäst und Laubwerk der hohen Bäume, die den Abfall des dahinter liegenden Höhenzuges bedecken, von dem hellen Hintergrunde ab, die Strahlen des Mondes glitten durch die Wipfel und verklärten mit silbernem Glänze das stille Herrenhaus. Nach den überwältigenden Eindrücken des Tages war es schwer, selbst nach einer fast schlaflosen durchreisten Nacht, den Schlaf zu finden. Der Montagmorgeu des 31. Oktober war kühl und frisch, und nur ein großer Schwarm Enten, der sich dicht uuter deu Fenstern zum Aufbruche sam¬ melte, unterbrach mit unehrerbietig lautem Geschnatter die Stille ringsum. Ein zweiter Tag in Varzin lag vor mir, denn der Fürst hatte beim Abschiede am Abend freundlich bemerkt, er hoffe uns nochmals an seinem Tische zu sehen. Ich benutzte den Vormittag vor allem dazu, mir sür die Erinnerung die Stätte zu umgrenzen, wo ich so unvergeßliche Stunden verlebt hatte. Das alte Herrenhaus ist ein schlichter, einstöckiger Bau aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Es hat nur sechs Fenster Front. Eine flache Pfeilerstellung gliedert die Langseiten so, daß im Mittelbau zwei Fenster im ersten Stock und darunter die über einem erhöhten Vorplatz zugängliche Haus¬ thür zwischen zwei Pfeilern unter einem flachen Giebel (mit dem Wappen der Blumenthal) liegen, rechts und links je ein Fenster oben und unten zwischen je zwei Pfeilern. Die Wände sind hellgelb, die Pfeiler weiß getüncht. Zwei niedrigere Flügelgebäude, für die Dienerschaft und Wirtschaftsräume bestimmt, stoßen im rechten Winkel daran und umschließen einen mit Sand bestreuten Hof, über deu hinweg in der Fluchtlinie des westlichen Flügclgebändes das sehr einfache Stallgebäude mit einem kleinen Uhrtürmchen in der Mitte sichtbar wird. Die Hauptschauseite blickt nach Süden in den Garten und Park. Längs des ganzen Erdgeschosses länft hier eine breite, offne Veranda hin, die vor der Mittelthür zu einer ruudbogigen Vorhalle wird und mit uoch frischgrünen Weinlaub überspannen war. Von dort aus führen ein paar Stufen in den Garten. Das Erdgeschoß enthält jetzt nur Gesellschaftsräume, das Obergeschoß, zu dein eilte breite Eicheutreppe führt, Gastzimmer. Mit dem Ostflügel des alten Herrenhauses ist durch einen niedrigen Zwischenbau aus älterer Zeit das neue Herrenhaus verbunden, ein quadratischer, einstöckiger Bau mit der stumpfen, erkergeschmückten Ecke nach Südosten hin und je zwei sehr breiten, dreiteiliger Fenstern an den Seiten, von einem flachen Dache gedeckt. Die geplante Er¬ richtung eines ähnlichen Gebäudes auf der andern Seite des alten Herren¬ hauses hat der Fürst später aufgegeben. Das ganze Anwesen liegt wie im schützenden Schoße des Waldes; vom Dorfe sieht man hier nichts. Nur nach Westen und Südwesten ziehen sich offne Wiesenflächen nach dem sanftgewölbten, bewaldeten Nichtberge hinauf, wo an geschützten Orten Bänke zur Ruhe und zu anmutigen Ausblicken einladen. Im Süden, Osten und Norden lagert sich ein Höhenrücken herum, der sich im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/392>, abgerufen am 22.12.2024.