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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lin Bankdepotgesetz

meinen Redensart, daß der Kommissionär, der als solcher die Pflicht hat,
das Interesse seines Auftraggebers -- des Kommittenten -- nach Kräften
wahrzunehmen, mit dieser seiner Aufgabe in Widerspruch treten müsse, wenn
er als Selbstinteressent, als selbständiger Lieferant oder Abnehmer auftritt,
ist doch wenig anzufangen. Worin besteht der drohende Interessenkonflikt, der
in dem Kommissionär hervorgerufen wird zwischen der Erfüllung feiner Pflicht
als Mandatar und seinem eignen Interesse als Verkäufer oder Käufer? Da
weiß man immer wieder nur anzuführen, daß der Vorteil des Kommissionärs
ein doppelter sei: erstens beziehe er für jeden Auftrag eine Provision, und
zweitens sei er so gut wie stets in der Lage, bei der Ausführung des Geschäfts
noch einen besondern "Verdienst" zu machen, indem er seinen sogenannten
"Schnitt" einheimst. Mit diesem "Schnitt" hat es nämlich folgende Bewandtnis.
Die Pflicht des Kommissionärs zur Recheuschaftsnblcgung beschränkt sich, wie
gesagt, wenn er als Sclbstkontrahent eintritt, auf den Nachweis, daß bei dem
berechneten Preise "der" Börsenpreis zur Zeit der Ausführung des Auftrags
eingehalten sei. Wenn nun, wie gewöhnlich, die Börsenpreise für Effekten
oder Produkten an einunddemselben Börsentage auf- und absteigen, so kann
der Kommissionär dein Kommittenten den für diesen ungünstigern Kurs be¬
rechnen, während er selbst das Geschäft zu einem vorteilhaftern Kurs einge¬
gangen war. Wird er deshalb zur Rechenschaft gezogen, so bleibt ihm immer
die Ausflucht, daß, als er das günstigere Geschäft abschloß, er für eigne
Rechnung gehandelt, zuj dein ungünstigern Kurs aber den Auftrag des Kom¬
mittenten ausgeführt habe, indem er mit Benutzung des Selbsteintrittsrechts
nunmehr aus eignem Vorrat die Ware lieferte. Wir geben gern zu, daß es
um den "Schnitt" eine heikle Sache ist, und daß der unredliche Kommissionär
durch das "Schneiden" im Kurs in der Lage ist, seine Kommittenten arg in
Nachteil zu setzen.

Aber darum Ränder und Mörder? Bedenken denn die, die gegen den
Selbstcintritt am lautesten eifern, nicht, daß es gerade der für die Ausartung
der Spekulation am meisten verantwortliche Privatspekulant ist, dessen Lage
dadurch gefährdet wird? Und sehen sie nicht die hohe volkswirtschaftliche Be¬
deutung, die das ganze Institut des Selbsteiutrittsrechts nicht als ein Er¬
zeugnis der Gesetzgebung, sondern als ein natürliches Kind des Verkehrs¬
lebens erscheinen läßt? Für den Kommittenten ist es in der Regel ohne
Bedeutung, woher bei der Einkaufskvmmission die gewollte Ware oder bei
der Verknufskommission der gewollte Preis kommt, wenn nur die Ware in
Bezug auf Preis und Güte seinen Anforderungen entspricht, und wenn nur
der Preis die gebührende Höhe hat. Andrerseits wird gerade durch die Ver¬
bindung des Eigenhaudels und des Kommissionsgewerbes dem Kommissionär
die Möglichkeit gegeben, seine Kunden schneller und besser zu bedienen, als
wenn er erst in jedem Einzelfall einen dritten Abgeber oder Abnehmer suchen


Lin Bankdepotgesetz

meinen Redensart, daß der Kommissionär, der als solcher die Pflicht hat,
das Interesse seines Auftraggebers — des Kommittenten — nach Kräften
wahrzunehmen, mit dieser seiner Aufgabe in Widerspruch treten müsse, wenn
er als Selbstinteressent, als selbständiger Lieferant oder Abnehmer auftritt,
ist doch wenig anzufangen. Worin besteht der drohende Interessenkonflikt, der
in dem Kommissionär hervorgerufen wird zwischen der Erfüllung feiner Pflicht
als Mandatar und seinem eignen Interesse als Verkäufer oder Käufer? Da
weiß man immer wieder nur anzuführen, daß der Vorteil des Kommissionärs
ein doppelter sei: erstens beziehe er für jeden Auftrag eine Provision, und
zweitens sei er so gut wie stets in der Lage, bei der Ausführung des Geschäfts
noch einen besondern „Verdienst" zu machen, indem er seinen sogenannten
„Schnitt" einheimst. Mit diesem „Schnitt" hat es nämlich folgende Bewandtnis.
Die Pflicht des Kommissionärs zur Recheuschaftsnblcgung beschränkt sich, wie
gesagt, wenn er als Sclbstkontrahent eintritt, auf den Nachweis, daß bei dem
berechneten Preise „der" Börsenpreis zur Zeit der Ausführung des Auftrags
eingehalten sei. Wenn nun, wie gewöhnlich, die Börsenpreise für Effekten
oder Produkten an einunddemselben Börsentage auf- und absteigen, so kann
der Kommissionär dein Kommittenten den für diesen ungünstigern Kurs be¬
rechnen, während er selbst das Geschäft zu einem vorteilhaftern Kurs einge¬
gangen war. Wird er deshalb zur Rechenschaft gezogen, so bleibt ihm immer
die Ausflucht, daß, als er das günstigere Geschäft abschloß, er für eigne
Rechnung gehandelt, zuj dein ungünstigern Kurs aber den Auftrag des Kom¬
mittenten ausgeführt habe, indem er mit Benutzung des Selbsteintrittsrechts
nunmehr aus eignem Vorrat die Ware lieferte. Wir geben gern zu, daß es
um den „Schnitt" eine heikle Sache ist, und daß der unredliche Kommissionär
durch das „Schneiden" im Kurs in der Lage ist, seine Kommittenten arg in
Nachteil zu setzen.

Aber darum Ränder und Mörder? Bedenken denn die, die gegen den
Selbstcintritt am lautesten eifern, nicht, daß es gerade der für die Ausartung
der Spekulation am meisten verantwortliche Privatspekulant ist, dessen Lage
dadurch gefährdet wird? Und sehen sie nicht die hohe volkswirtschaftliche Be¬
deutung, die das ganze Institut des Selbsteiutrittsrechts nicht als ein Er¬
zeugnis der Gesetzgebung, sondern als ein natürliches Kind des Verkehrs¬
lebens erscheinen läßt? Für den Kommittenten ist es in der Regel ohne
Bedeutung, woher bei der Einkaufskvmmission die gewollte Ware oder bei
der Verknufskommission der gewollte Preis kommt, wenn nur die Ware in
Bezug auf Preis und Güte seinen Anforderungen entspricht, und wenn nur
der Preis die gebührende Höhe hat. Andrerseits wird gerade durch die Ver¬
bindung des Eigenhaudels und des Kommissionsgewerbes dem Kommissionär
die Möglichkeit gegeben, seine Kunden schneller und besser zu bedienen, als
wenn er erst in jedem Einzelfall einen dritten Abgeber oder Abnehmer suchen


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[0302] Lin Bankdepotgesetz meinen Redensart, daß der Kommissionär, der als solcher die Pflicht hat, das Interesse seines Auftraggebers — des Kommittenten — nach Kräften wahrzunehmen, mit dieser seiner Aufgabe in Widerspruch treten müsse, wenn er als Selbstinteressent, als selbständiger Lieferant oder Abnehmer auftritt, ist doch wenig anzufangen. Worin besteht der drohende Interessenkonflikt, der in dem Kommissionär hervorgerufen wird zwischen der Erfüllung feiner Pflicht als Mandatar und seinem eignen Interesse als Verkäufer oder Käufer? Da weiß man immer wieder nur anzuführen, daß der Vorteil des Kommissionärs ein doppelter sei: erstens beziehe er für jeden Auftrag eine Provision, und zweitens sei er so gut wie stets in der Lage, bei der Ausführung des Geschäfts noch einen besondern „Verdienst" zu machen, indem er seinen sogenannten „Schnitt" einheimst. Mit diesem „Schnitt" hat es nämlich folgende Bewandtnis. Die Pflicht des Kommissionärs zur Recheuschaftsnblcgung beschränkt sich, wie gesagt, wenn er als Sclbstkontrahent eintritt, auf den Nachweis, daß bei dem berechneten Preise „der" Börsenpreis zur Zeit der Ausführung des Auftrags eingehalten sei. Wenn nun, wie gewöhnlich, die Börsenpreise für Effekten oder Produkten an einunddemselben Börsentage auf- und absteigen, so kann der Kommissionär dein Kommittenten den für diesen ungünstigern Kurs be¬ rechnen, während er selbst das Geschäft zu einem vorteilhaftern Kurs einge¬ gangen war. Wird er deshalb zur Rechenschaft gezogen, so bleibt ihm immer die Ausflucht, daß, als er das günstigere Geschäft abschloß, er für eigne Rechnung gehandelt, zuj dein ungünstigern Kurs aber den Auftrag des Kom¬ mittenten ausgeführt habe, indem er mit Benutzung des Selbsteintrittsrechts nunmehr aus eignem Vorrat die Ware lieferte. Wir geben gern zu, daß es um den „Schnitt" eine heikle Sache ist, und daß der unredliche Kommissionär durch das „Schneiden" im Kurs in der Lage ist, seine Kommittenten arg in Nachteil zu setzen. Aber darum Ränder und Mörder? Bedenken denn die, die gegen den Selbstcintritt am lautesten eifern, nicht, daß es gerade der für die Ausartung der Spekulation am meisten verantwortliche Privatspekulant ist, dessen Lage dadurch gefährdet wird? Und sehen sie nicht die hohe volkswirtschaftliche Be¬ deutung, die das ganze Institut des Selbsteiutrittsrechts nicht als ein Er¬ zeugnis der Gesetzgebung, sondern als ein natürliches Kind des Verkehrs¬ lebens erscheinen läßt? Für den Kommittenten ist es in der Regel ohne Bedeutung, woher bei der Einkaufskvmmission die gewollte Ware oder bei der Verknufskommission der gewollte Preis kommt, wenn nur die Ware in Bezug auf Preis und Güte seinen Anforderungen entspricht, und wenn nur der Preis die gebührende Höhe hat. Andrerseits wird gerade durch die Ver¬ bindung des Eigenhaudels und des Kommissionsgewerbes dem Kommissionär die Möglichkeit gegeben, seine Kunden schneller und besser zu bedienen, als wenn er erst in jedem Einzelfall einen dritten Abgeber oder Abnehmer suchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/302>, abgerufen am 23.07.2024.