Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Gin amerikanischer Sozialist der Macht der Gewerkvereine, sondern der sogenannten Überproduktion zu Somit strebt die Entwicklung unaufhaltsam einer Krisis zu. Diese kann Gin amerikanischer Sozialist der Macht der Gewerkvereine, sondern der sogenannten Überproduktion zu Somit strebt die Entwicklung unaufhaltsam einer Krisis zu. Diese kann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213140"/> <fw type="header" place="top"> Gin amerikanischer Sozialist</fw><lb/> <p xml:id="ID_50" prev="#ID_49"> der Macht der Gewerkvereine, sondern der sogenannten Überproduktion zu<lb/> danken, die zur Verminderung der Produktion gezwungen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_51" next="#ID_52"> Somit strebt die Entwicklung unaufhaltsam einer Krisis zu. Diese kann<lb/> nur entweder in allgemeines Elend und Vernichtung aller Kultur ausschlagen<lb/> oder in den Sozialismus. Der Entscheidung zum schlimmern haben die<lb/> herrschenden Klassen dadurch vorgebeugt, daß sie um ihres eignen Vorteils<lb/> willen, um die Produktion im Gange zu erhalten, den arbeitenden Klassen eine<lb/> Menge Bedürfnisse angewöhnt oder ihnen wenigstens die Begierde nach Be¬<lb/> friedigung vorgespiegelter Bedürfnisse eingepflanzt haben. Damit haben sie die<lb/> Arbeiterklasse zur Trägerin der Entwicklung gemacht, die nun nicht im Ab¬<lb/> grunde des Elends zu versumpfen braucht, souderu aufwärts zu eiuer neuen<lb/> Gesellschaftsform führen muß. Diese kann keine andre als die sozialistische<lb/> sein; das wird schon durch die bloße Existenz des Sozialismus, der sozia¬<lb/> listischen Arbeiterpartei verbürgt. Auch alle Erscheinungen des wirtschaftlichen<lb/> Lebens weisen auf den Sozialismus hin, und die herrschenden Klassen führen<lb/> ihn sozusagen mit Gewalt herbei. Durch den Militärdienst unterweisen sie<lb/> die Masse im gemeinsamen Handeln und drillen sie zu jener Disziplin, deren<lb/> sie nächstens bedürfen wird, wenn sie ihre gesellschaftliche Organisation selbst<lb/> in die Hand nimmt. Durch deu Schulzwang treiben sie den gemeinen Mann,<lb/> erhöhte Ansprüche ans Leben zu stellen. Denn es ist klar, daß Gleichheit der<lb/> Bildung Gleichheit der Ansprüche erzeugt, und daß der Schulzwang vom Stand¬<lb/> punkte der gegenwärtig herrschenden Gesellschaft aus geradezu Selbstmord ist;<lb/> zu ihrem Fortbestande kann diese Gesellschaft nur unwissende Arbeiter brauchen,<lb/> die, durch eine unüberbrückbare geistige Kluft von der herrschenden Kaste ge¬<lb/> trennt, die Lehre von der angeblich durch Gottes Willen bestehenden ewigen<lb/> Scheidung der Menschheit in Herrschende und Dienende gläubig hinnimmt und<lb/> so in Unterwürfigkeit verharrt. Der herrschende Liberalismus bleibt blind gegen<lb/> diese Thatsache, weil es eben seine Bestimmung ist, den Sozialismus herbei¬<lb/> zuführen. Der einzige Grund, mit dem die herrschende Klasse den Schulzwang<lb/> von ihrem eignen Standpunkte aus allenfalls rechtfertign? konnte und zuweilen<lb/> zu rechtfertigen sucht, daß nämlich Schulen billiger seien als Gefängnisse, wird<lb/> durch die Thatsache widerlegt, daß in den Vereinigten Staaten wenigstens<lb/> die Kriminalität mit der Schulbildung wächst. Von vornherein ist es auch<lb/> klar, daß gerade die nichtswürdigsten und gemeinschädlichsten Verbrechen nicht<lb/> von Unwissenden, sondern nur von gebildeten und kenntnisreichen Menschen<lb/> begangen werden können, wie auch, was gegen die Alkohvltheorie hervor¬<lb/> gehoben werden muß, die Begehung eines Verbrechens desto polli'ommnere<lb/> Nüchternheit und Besonnenheit erfordert, je nichtswürdiger und für andre ver¬<lb/> derblicher es ist; ein völlig berauschter Mensch ist offenbar körperlich unfähig,<lb/> ein Verbrechen von irgend welcher Bedeutung zu begehen. Zu dieser Ansicht<lb/> Gronlunds über die Kriminalität bemerken wir, daß man zwar in Deutschland</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Gin amerikanischer Sozialist
der Macht der Gewerkvereine, sondern der sogenannten Überproduktion zu
danken, die zur Verminderung der Produktion gezwungen hat.
Somit strebt die Entwicklung unaufhaltsam einer Krisis zu. Diese kann
nur entweder in allgemeines Elend und Vernichtung aller Kultur ausschlagen
oder in den Sozialismus. Der Entscheidung zum schlimmern haben die
herrschenden Klassen dadurch vorgebeugt, daß sie um ihres eignen Vorteils
willen, um die Produktion im Gange zu erhalten, den arbeitenden Klassen eine
Menge Bedürfnisse angewöhnt oder ihnen wenigstens die Begierde nach Be¬
friedigung vorgespiegelter Bedürfnisse eingepflanzt haben. Damit haben sie die
Arbeiterklasse zur Trägerin der Entwicklung gemacht, die nun nicht im Ab¬
grunde des Elends zu versumpfen braucht, souderu aufwärts zu eiuer neuen
Gesellschaftsform führen muß. Diese kann keine andre als die sozialistische
sein; das wird schon durch die bloße Existenz des Sozialismus, der sozia¬
listischen Arbeiterpartei verbürgt. Auch alle Erscheinungen des wirtschaftlichen
Lebens weisen auf den Sozialismus hin, und die herrschenden Klassen führen
ihn sozusagen mit Gewalt herbei. Durch den Militärdienst unterweisen sie
die Masse im gemeinsamen Handeln und drillen sie zu jener Disziplin, deren
sie nächstens bedürfen wird, wenn sie ihre gesellschaftliche Organisation selbst
in die Hand nimmt. Durch deu Schulzwang treiben sie den gemeinen Mann,
erhöhte Ansprüche ans Leben zu stellen. Denn es ist klar, daß Gleichheit der
Bildung Gleichheit der Ansprüche erzeugt, und daß der Schulzwang vom Stand¬
punkte der gegenwärtig herrschenden Gesellschaft aus geradezu Selbstmord ist;
zu ihrem Fortbestande kann diese Gesellschaft nur unwissende Arbeiter brauchen,
die, durch eine unüberbrückbare geistige Kluft von der herrschenden Kaste ge¬
trennt, die Lehre von der angeblich durch Gottes Willen bestehenden ewigen
Scheidung der Menschheit in Herrschende und Dienende gläubig hinnimmt und
so in Unterwürfigkeit verharrt. Der herrschende Liberalismus bleibt blind gegen
diese Thatsache, weil es eben seine Bestimmung ist, den Sozialismus herbei¬
zuführen. Der einzige Grund, mit dem die herrschende Klasse den Schulzwang
von ihrem eignen Standpunkte aus allenfalls rechtfertign? konnte und zuweilen
zu rechtfertigen sucht, daß nämlich Schulen billiger seien als Gefängnisse, wird
durch die Thatsache widerlegt, daß in den Vereinigten Staaten wenigstens
die Kriminalität mit der Schulbildung wächst. Von vornherein ist es auch
klar, daß gerade die nichtswürdigsten und gemeinschädlichsten Verbrechen nicht
von Unwissenden, sondern nur von gebildeten und kenntnisreichen Menschen
begangen werden können, wie auch, was gegen die Alkohvltheorie hervor¬
gehoben werden muß, die Begehung eines Verbrechens desto polli'ommnere
Nüchternheit und Besonnenheit erfordert, je nichtswürdiger und für andre ver¬
derblicher es ist; ein völlig berauschter Mensch ist offenbar körperlich unfähig,
ein Verbrechen von irgend welcher Bedeutung zu begehen. Zu dieser Ansicht
Gronlunds über die Kriminalität bemerken wir, daß man zwar in Deutschland
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