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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Bilder ans dem Universitätsleben

Knorres Haß gegen das weibliche Geschlecht war sehr alt. Er rührte
aus der Zeit her, wo er noch junger Dozent war und die Thorheit beging,
sich in die vielgefeierte und vielumschwärmte Tochter des Landrath zu ver¬
lieben. Sie lächelte wie eine Prinzessin über seine Liebe, lachte wie eine
Königin über seinen Antrag und heiratete dann einen Leutnant. Da war er
mit dem Ewig-Weiblichen fertig, ganz fertig. Und jetzt auf seine alten Tage
sollte er sich mit diesen inhaltlosen Gefäßen, mit diesen knrzleuchtendeu, blen¬
denden und zischenden "Knalleffekten der Natur" abgeben und sie in den ernsten
Tempel der Wissenschaft hineinlassen? Das war ihm ein unerträglicher Ge¬
danke. Es erschien ihm wie ein Possenspiel, wie eine Entweihung, wie ein
strafwürdiges Verbrechen an der Majestät der Wissenschaft.

Der heutige Tag brachte aber dem alten Weiberseinde noch mehr Ärger¬
nisse. Als er nach Hanse kam, machte ihm sein Diener Franz, den er schon
zehn Jahre bei sich hatte, und der ihm von seinem Bruder, dem Thüringer
Gutsbesitzer, als weiberfest bezeichnet worden war, die Mitteilung, er wolle
sich zu Michaelis verheiraten.

Verheiraten! schrie ihn Knorre um, Mensch, sind Sie verrückt geworden?
Was fällt Ihnen denn ein? Wissen Sie, was das heißt, sich verheiraten?
Das heißt, sich an einen Felsen schmieden und sich jeden Tag die Leber aus¬
hacken lassen!

Es ist nicht mehr zu ändern, sagte Franz und ließ den Kopf kläglich sinken.

Nicht mehr zu andern? Ach so, ich verstehe. Das lebt doch wirklich wie
die Bestien! Scheren Sie sich zum Teufel! ich werde mir einen andern, ver¬
nünftigem Menschen aussuchen.

Franz bat, noch den Sommer bei ihm bleiben zu dürfen, und Knurre
brummte seine Einwilligung dazu. Dann zog er sich den Rock aus, setzte sich
in die Sofaecke und griff nach einem Buche, das vor ihm lag. Es war ein
Kochbuch. Er hatte sich das vor einigen Tagen gekauft und studirte eifrig
darin, um in dem Hotel, wo er zu Mittag speiste, eine gewisse Kontrolle aus¬
üben zu können. Die letzte Mayonnaisensauce ärgerte ihn noch heute. Jetzt lernte
er ihre richtige Zusammensetzung kennen und nahm sich vor, der Wirtin wegen
der infamen Fettjauche einmal eine ordentliche Vorlesung zu halten.

Er war gerade dabei, die einzelnen Bestandteile der Sauce in sein Notiz¬
buch zu schreiben, als es klingelte und ihm Franz eine Karte brachte mit dem
Namen: Luise Schmidt. Knorre warf die Karte sofort weg: er sei nicht zu
sprechen, für weibliche Personen überhaupt nicht zu Hause. Aber da wurde die
halbgeöffnete Thür schon ganz aufgemacht, und vor ihm stand Fräulein Luise
Schmidt, die Brünette aus dem Kolleg, und sagte, indem sie den Sonnen¬
schirm zwischen den Fingern hin und her bewegte: Oh, Herr Professor, auf
diese konventionelle Art lasse ich mich nicht abweisen. Sagen Sie nur ehrlich,
komme ich Ihnen recht, oder wünschen Sie, daß ich an einem andern Tage


Bilder ans dem Universitätsleben

Knorres Haß gegen das weibliche Geschlecht war sehr alt. Er rührte
aus der Zeit her, wo er noch junger Dozent war und die Thorheit beging,
sich in die vielgefeierte und vielumschwärmte Tochter des Landrath zu ver¬
lieben. Sie lächelte wie eine Prinzessin über seine Liebe, lachte wie eine
Königin über seinen Antrag und heiratete dann einen Leutnant. Da war er
mit dem Ewig-Weiblichen fertig, ganz fertig. Und jetzt auf seine alten Tage
sollte er sich mit diesen inhaltlosen Gefäßen, mit diesen knrzleuchtendeu, blen¬
denden und zischenden „Knalleffekten der Natur" abgeben und sie in den ernsten
Tempel der Wissenschaft hineinlassen? Das war ihm ein unerträglicher Ge¬
danke. Es erschien ihm wie ein Possenspiel, wie eine Entweihung, wie ein
strafwürdiges Verbrechen an der Majestät der Wissenschaft.

Der heutige Tag brachte aber dem alten Weiberseinde noch mehr Ärger¬
nisse. Als er nach Hanse kam, machte ihm sein Diener Franz, den er schon
zehn Jahre bei sich hatte, und der ihm von seinem Bruder, dem Thüringer
Gutsbesitzer, als weiberfest bezeichnet worden war, die Mitteilung, er wolle
sich zu Michaelis verheiraten.

Verheiraten! schrie ihn Knorre um, Mensch, sind Sie verrückt geworden?
Was fällt Ihnen denn ein? Wissen Sie, was das heißt, sich verheiraten?
Das heißt, sich an einen Felsen schmieden und sich jeden Tag die Leber aus¬
hacken lassen!

Es ist nicht mehr zu ändern, sagte Franz und ließ den Kopf kläglich sinken.

Nicht mehr zu andern? Ach so, ich verstehe. Das lebt doch wirklich wie
die Bestien! Scheren Sie sich zum Teufel! ich werde mir einen andern, ver¬
nünftigem Menschen aussuchen.

Franz bat, noch den Sommer bei ihm bleiben zu dürfen, und Knurre
brummte seine Einwilligung dazu. Dann zog er sich den Rock aus, setzte sich
in die Sofaecke und griff nach einem Buche, das vor ihm lag. Es war ein
Kochbuch. Er hatte sich das vor einigen Tagen gekauft und studirte eifrig
darin, um in dem Hotel, wo er zu Mittag speiste, eine gewisse Kontrolle aus¬
üben zu können. Die letzte Mayonnaisensauce ärgerte ihn noch heute. Jetzt lernte
er ihre richtige Zusammensetzung kennen und nahm sich vor, der Wirtin wegen
der infamen Fettjauche einmal eine ordentliche Vorlesung zu halten.

Er war gerade dabei, die einzelnen Bestandteile der Sauce in sein Notiz¬
buch zu schreiben, als es klingelte und ihm Franz eine Karte brachte mit dem
Namen: Luise Schmidt. Knorre warf die Karte sofort weg: er sei nicht zu
sprechen, für weibliche Personen überhaupt nicht zu Hause. Aber da wurde die
halbgeöffnete Thür schon ganz aufgemacht, und vor ihm stand Fräulein Luise
Schmidt, die Brünette aus dem Kolleg, und sagte, indem sie den Sonnen¬
schirm zwischen den Fingern hin und her bewegte: Oh, Herr Professor, auf
diese konventionelle Art lasse ich mich nicht abweisen. Sagen Sie nur ehrlich,
komme ich Ihnen recht, oder wünschen Sie, daß ich an einem andern Tage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/186>, abgerufen am 22.07.2024.