Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bilder aus dem Universitätsleben

Ja, da haben wir den Rummel, sagte Knorre, gucken Sie mal hinein.
Mein ganzes Auditorium sitzt voll Frauenzimmer. Weiß Gott, ich komme mir
vor wie ein Hausvater in einem Altjungfernstift. Aber ich hab es voraus¬
gesehen. Als ich im vorigen Semester in der Fakultätssitzung gegen die Zu¬
lassung der Weiber zu unsern Vorlesungen Einspruch erhob, ist mir kein
Mensch beigesprungen, auch Sie uicht, verehrter Herr Kollege. Mir ist, als
Hütte ich eine Stunde Schlagsahne genossen, und nur haben Sie nicht einmal
einen Cognac bei sich. Ich empfehle mich!

Knorre verließ das Universitätsgebäude und ging auf die Promenade.
Dort blieb er stehen, stieß den Stock heftig auf den Boden und brummte ein
Paar Verwünschungen vor sich hin. Die Brünette hatte ihn geärgert. Jetzt,
auf seine alten Tage, wo er nahe an die sechzig war, sollte er vor Frauen¬
zimmern "feinden," wie er in der Fakultätssitzuug gesagt hatte, womöglich
Süßholz raspeln und mit schönen Augen "blickwedeln." Da müßte der
Teufel dreinschlagen! Wer volle Hörsäle haben wollte, der könnte sich statt
der Frauensleute ebensogut Kleiderständer oder Frisirpuppeu aus den Barbier¬
läden hinsetzen. Drei versäume Bierstndenten seien ihm lieber als dreißig
bleichsüchtige, bebrillte, hysterische Frauenzimmer. Es fehlte nur noch, daß
jeder Universitätsprofessor ein Mädchenpensionat einrichtete und nebenbei den
Heiratsvermittler spielte. Denn aufs Heiraten käme es den Frauenzimmern
doch nur an. Alles andre sei bei ihnen bloße Heuchelei, Dummheit oder Eitelkeit.

Während er nach Hanse ging, stieg die ganze Faknltätssitzung wieder
vor seinein Geiste auf. Seine Ansichten hatten heftigen Widerspruch erfahren,
aber er wußte, daß dieser nur von den Kollegen ausgegangen war, die unterm
Pantoffel standen und im Eheleben zwar ihre Beguemlichkeit gefunden, aber
ihren Willen eingebüßt hatten. So war denn der unglückliche Beschluß ge¬
faßt und den Mädchen und Frauen gestattet worden, an den Vorlesungen
teilzunehmen.

Wie auf Verabredung hatten sich die meisten fofort auf die litterar-
geschichtlichen Vorlesungen des alten Junggesellen gestürzt. Knorre hatt"
um freilich ein volles Kolleg, aber mit seiner gesättigten Behaglichkeit
war es vorbei. Er kam sich vor, als sollte er beständig in engen Lackstiefeln
auf glattem Parkett gehen. Es fehlt nur noch, rief er einmal im Sprech¬
zimmer, daß man mir Fauteuils mit Schlummerrollen in den Hörsaal setzte,
Butzenscheiben anbrachte, in der einen Ecke einen Kamin, in der andern ein
Makartbouauet ausstellte und den ganzen Raum mit Wohlgerüchen eines Harems
anfüllte, dann hatten die Unterröcke alles erreicht, was sie haben wollen.
Aber dann mag sich die Regierung Eunuchen als Professoren herholen, ich
danke für das Geschäft. Der Hochmutsteufel in der sogenannten gebildeten
Frauenwelt ist schon stark genug. Man sollte ihn mit Feuer und Schwert
austreiben. aber nicht künstlich noch füttern!


Grenzboten IV 1892 2"
Bilder aus dem Universitätsleben

Ja, da haben wir den Rummel, sagte Knorre, gucken Sie mal hinein.
Mein ganzes Auditorium sitzt voll Frauenzimmer. Weiß Gott, ich komme mir
vor wie ein Hausvater in einem Altjungfernstift. Aber ich hab es voraus¬
gesehen. Als ich im vorigen Semester in der Fakultätssitzung gegen die Zu¬
lassung der Weiber zu unsern Vorlesungen Einspruch erhob, ist mir kein
Mensch beigesprungen, auch Sie uicht, verehrter Herr Kollege. Mir ist, als
Hütte ich eine Stunde Schlagsahne genossen, und nur haben Sie nicht einmal
einen Cognac bei sich. Ich empfehle mich!

Knorre verließ das Universitätsgebäude und ging auf die Promenade.
Dort blieb er stehen, stieß den Stock heftig auf den Boden und brummte ein
Paar Verwünschungen vor sich hin. Die Brünette hatte ihn geärgert. Jetzt,
auf seine alten Tage, wo er nahe an die sechzig war, sollte er vor Frauen¬
zimmern „feinden," wie er in der Fakultätssitzuug gesagt hatte, womöglich
Süßholz raspeln und mit schönen Augen „blickwedeln." Da müßte der
Teufel dreinschlagen! Wer volle Hörsäle haben wollte, der könnte sich statt
der Frauensleute ebensogut Kleiderständer oder Frisirpuppeu aus den Barbier¬
läden hinsetzen. Drei versäume Bierstndenten seien ihm lieber als dreißig
bleichsüchtige, bebrillte, hysterische Frauenzimmer. Es fehlte nur noch, daß
jeder Universitätsprofessor ein Mädchenpensionat einrichtete und nebenbei den
Heiratsvermittler spielte. Denn aufs Heiraten käme es den Frauenzimmern
doch nur an. Alles andre sei bei ihnen bloße Heuchelei, Dummheit oder Eitelkeit.

Während er nach Hanse ging, stieg die ganze Faknltätssitzung wieder
vor seinein Geiste auf. Seine Ansichten hatten heftigen Widerspruch erfahren,
aber er wußte, daß dieser nur von den Kollegen ausgegangen war, die unterm
Pantoffel standen und im Eheleben zwar ihre Beguemlichkeit gefunden, aber
ihren Willen eingebüßt hatten. So war denn der unglückliche Beschluß ge¬
faßt und den Mädchen und Frauen gestattet worden, an den Vorlesungen
teilzunehmen.

Wie auf Verabredung hatten sich die meisten fofort auf die litterar-
geschichtlichen Vorlesungen des alten Junggesellen gestürzt. Knorre hatt«
um freilich ein volles Kolleg, aber mit seiner gesättigten Behaglichkeit
war es vorbei. Er kam sich vor, als sollte er beständig in engen Lackstiefeln
auf glattem Parkett gehen. Es fehlt nur noch, rief er einmal im Sprech¬
zimmer, daß man mir Fauteuils mit Schlummerrollen in den Hörsaal setzte,
Butzenscheiben anbrachte, in der einen Ecke einen Kamin, in der andern ein
Makartbouauet ausstellte und den ganzen Raum mit Wohlgerüchen eines Harems
anfüllte, dann hatten die Unterröcke alles erreicht, was sie haben wollen.
Aber dann mag sich die Regierung Eunuchen als Professoren herholen, ich
danke für das Geschäft. Der Hochmutsteufel in der sogenannten gebildeten
Frauenwelt ist schon stark genug. Man sollte ihn mit Feuer und Schwert
austreiben. aber nicht künstlich noch füttern!


Grenzboten IV 1892 2"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213299"/>
          <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Universitätsleben</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_517"> Ja, da haben wir den Rummel, sagte Knorre, gucken Sie mal hinein.<lb/>
Mein ganzes Auditorium sitzt voll Frauenzimmer. Weiß Gott, ich komme mir<lb/>
vor wie ein Hausvater in einem Altjungfernstift. Aber ich hab es voraus¬<lb/>
gesehen. Als ich im vorigen Semester in der Fakultätssitzung gegen die Zu¬<lb/>
lassung der Weiber zu unsern Vorlesungen Einspruch erhob, ist mir kein<lb/>
Mensch beigesprungen, auch Sie uicht, verehrter Herr Kollege. Mir ist, als<lb/>
Hütte ich eine Stunde Schlagsahne genossen, und nur haben Sie nicht einmal<lb/>
einen Cognac bei sich.  Ich empfehle mich!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_518"> Knorre verließ das Universitätsgebäude und ging auf die Promenade.<lb/>
Dort blieb er stehen, stieß den Stock heftig auf den Boden und brummte ein<lb/>
Paar Verwünschungen vor sich hin. Die Brünette hatte ihn geärgert. Jetzt,<lb/>
auf seine alten Tage, wo er nahe an die sechzig war, sollte er vor Frauen¬<lb/>
zimmern &#x201E;feinden," wie er in der Fakultätssitzuug gesagt hatte, womöglich<lb/>
Süßholz raspeln und mit schönen Augen &#x201E;blickwedeln." Da müßte der<lb/>
Teufel dreinschlagen! Wer volle Hörsäle haben wollte, der könnte sich statt<lb/>
der Frauensleute ebensogut Kleiderständer oder Frisirpuppeu aus den Barbier¬<lb/>
läden hinsetzen. Drei versäume Bierstndenten seien ihm lieber als dreißig<lb/>
bleichsüchtige, bebrillte, hysterische Frauenzimmer. Es fehlte nur noch, daß<lb/>
jeder Universitätsprofessor ein Mädchenpensionat einrichtete und nebenbei den<lb/>
Heiratsvermittler spielte. Denn aufs Heiraten käme es den Frauenzimmern<lb/>
doch nur an. Alles andre sei bei ihnen bloße Heuchelei, Dummheit oder Eitelkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_519"> Während er nach Hanse ging, stieg die ganze Faknltätssitzung wieder<lb/>
vor seinein Geiste auf. Seine Ansichten hatten heftigen Widerspruch erfahren,<lb/>
aber er wußte, daß dieser nur von den Kollegen ausgegangen war, die unterm<lb/>
Pantoffel standen und im Eheleben zwar ihre Beguemlichkeit gefunden, aber<lb/>
ihren Willen eingebüßt hatten. So war denn der unglückliche Beschluß ge¬<lb/>
faßt und den Mädchen und Frauen gestattet worden, an den Vorlesungen<lb/>
teilzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_520"> Wie auf Verabredung hatten sich die meisten fofort auf die litterar-<lb/>
geschichtlichen Vorlesungen des alten Junggesellen gestürzt. Knorre hatt«<lb/>
um freilich ein volles Kolleg, aber mit seiner gesättigten Behaglichkeit<lb/>
war es vorbei. Er kam sich vor, als sollte er beständig in engen Lackstiefeln<lb/>
auf glattem Parkett gehen. Es fehlt nur noch, rief er einmal im Sprech¬<lb/>
zimmer, daß man mir Fauteuils mit Schlummerrollen in den Hörsaal setzte,<lb/>
Butzenscheiben anbrachte, in der einen Ecke einen Kamin, in der andern ein<lb/>
Makartbouauet ausstellte und den ganzen Raum mit Wohlgerüchen eines Harems<lb/>
anfüllte, dann hatten die Unterröcke alles erreicht, was sie haben wollen.<lb/>
Aber dann mag sich die Regierung Eunuchen als Professoren herholen, ich<lb/>
danke für das Geschäft. Der Hochmutsteufel in der sogenannten gebildeten<lb/>
Frauenwelt ist schon stark genug. Man sollte ihn mit Feuer und Schwert<lb/>
austreiben. aber nicht künstlich noch füttern!</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1892 2"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0185] Bilder aus dem Universitätsleben Ja, da haben wir den Rummel, sagte Knorre, gucken Sie mal hinein. Mein ganzes Auditorium sitzt voll Frauenzimmer. Weiß Gott, ich komme mir vor wie ein Hausvater in einem Altjungfernstift. Aber ich hab es voraus¬ gesehen. Als ich im vorigen Semester in der Fakultätssitzung gegen die Zu¬ lassung der Weiber zu unsern Vorlesungen Einspruch erhob, ist mir kein Mensch beigesprungen, auch Sie uicht, verehrter Herr Kollege. Mir ist, als Hütte ich eine Stunde Schlagsahne genossen, und nur haben Sie nicht einmal einen Cognac bei sich. Ich empfehle mich! Knorre verließ das Universitätsgebäude und ging auf die Promenade. Dort blieb er stehen, stieß den Stock heftig auf den Boden und brummte ein Paar Verwünschungen vor sich hin. Die Brünette hatte ihn geärgert. Jetzt, auf seine alten Tage, wo er nahe an die sechzig war, sollte er vor Frauen¬ zimmern „feinden," wie er in der Fakultätssitzuug gesagt hatte, womöglich Süßholz raspeln und mit schönen Augen „blickwedeln." Da müßte der Teufel dreinschlagen! Wer volle Hörsäle haben wollte, der könnte sich statt der Frauensleute ebensogut Kleiderständer oder Frisirpuppeu aus den Barbier¬ läden hinsetzen. Drei versäume Bierstndenten seien ihm lieber als dreißig bleichsüchtige, bebrillte, hysterische Frauenzimmer. Es fehlte nur noch, daß jeder Universitätsprofessor ein Mädchenpensionat einrichtete und nebenbei den Heiratsvermittler spielte. Denn aufs Heiraten käme es den Frauenzimmern doch nur an. Alles andre sei bei ihnen bloße Heuchelei, Dummheit oder Eitelkeit. Während er nach Hanse ging, stieg die ganze Faknltätssitzung wieder vor seinein Geiste auf. Seine Ansichten hatten heftigen Widerspruch erfahren, aber er wußte, daß dieser nur von den Kollegen ausgegangen war, die unterm Pantoffel standen und im Eheleben zwar ihre Beguemlichkeit gefunden, aber ihren Willen eingebüßt hatten. So war denn der unglückliche Beschluß ge¬ faßt und den Mädchen und Frauen gestattet worden, an den Vorlesungen teilzunehmen. Wie auf Verabredung hatten sich die meisten fofort auf die litterar- geschichtlichen Vorlesungen des alten Junggesellen gestürzt. Knorre hatt« um freilich ein volles Kolleg, aber mit seiner gesättigten Behaglichkeit war es vorbei. Er kam sich vor, als sollte er beständig in engen Lackstiefeln auf glattem Parkett gehen. Es fehlt nur noch, rief er einmal im Sprech¬ zimmer, daß man mir Fauteuils mit Schlummerrollen in den Hörsaal setzte, Butzenscheiben anbrachte, in der einen Ecke einen Kamin, in der andern ein Makartbouauet ausstellte und den ganzen Raum mit Wohlgerüchen eines Harems anfüllte, dann hatten die Unterröcke alles erreicht, was sie haben wollen. Aber dann mag sich die Regierung Eunuchen als Professoren herholen, ich danke für das Geschäft. Der Hochmutsteufel in der sogenannten gebildeten Frauenwelt ist schon stark genug. Man sollte ihn mit Feuer und Schwert austreiben. aber nicht künstlich noch füttern! Grenzboten IV 1892 2"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/185
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/185>, abgerufen am 23.07.2024.