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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Das erstemal? fragte der Magier lächelnd und strich langsam seinen
langen Bart. Großer, weiser König, denk an die Weiber!

Der alte Herrscher schaute verwundert ans: Was hat der geheimnisvolle
Inhalt der Vase mit den Weibern zu schaffen?

Diese Frage, mein Fürst, ist nicht schwer zu beantworten. Gleicht jene
Vase mit ihrer Form und ihrem Inhalt nicht den meisten Frauen? Wenn
unsre Philosophen, Künstler und Dichter ihren wahren Inhalt wüßten, würden
sie dann noch Bücher drüber schreiben und Kunstwerke darnach schaffen? Es
ist also gut, daß ihnen das Nichts darin verborgen bleibt; es ist nützlich, daß
sie ewig nach dem vermeintlichen geheimnisvollen Inhalt suchen.

Der alte König sah den Magier groß an, dann blickte er eine Weile
sinnend vor sich hin und murmelte kopfnickend: Die Weiber und geheimnis¬
volle inhaltreiche Vasen!

Er gab dem Magier die Hand: Verzeih mir, es war die dümmste Frage, die
ich in meinem Leben gestellt habe. Fvrdre, was du willst, ich behalte die Base.

Aber erst verschließen, sagte der Magier schlau lächelnd und hob die
Hand, erst verschließen! Dann stieg er wieder auf die Leiter und schloß
den Deckel, daß er nicht mehr zu öffnen war.

So, sagte er feierlich, als er wieder unter war, jetzt hat sie wieder ihren In¬
halt! Nun mögen sie weiter Philosophiren und malen und dichten und singen! --

In demselben Augenblick läutete es. Das Auditorium hatte mit Spannung
bis zum Schlüsse zugehört und brach in lautes Lachen ans. Nun, meine
Herren, sagte der Professor mit einer gewissen triumphirenden Freudigkeit, die
Geschichte ist zu Ende. Hinzufügen ließe sich nur noch die merkwürdige Er¬
scheinung, daß die Frauen selbst an den geheimnisvollen Inhalt der Vase
glauben. Auf dieser Selbsttäuschung,, das ist gar nicht zu bestreikn, beruht
die ganze moderne Frauenfrage mit all ihren unsinnigen Ansichten und For¬
derungen. Wer sich aber selbst täuscht, ist ein unbrauchbarer Kritiker und
zum Studium der Wissenschaften erst recht nicht geschaffen.

Darauf griff er nach seinem Hute und verließ den Hörsaal, während er
sich aus deu gesenkten Blicken und den rot gewordnen Backen der Studentinnen
überzeugte, daß der Hieb gesessen hatte. Nur eine, die ihren Platz ganz vorn
hatte, eine Brünette, mit schlicht gescheitelten schwarzem Haar und großen
braunen Augen, schaute ihn unverwandt an und nickte ihm verständnisvoll zu,
als er vorbeiging.

Unverschämte Person! stieß er zwischen den Zähnen hervor, als er ans
dem Korridor war, fängt hier an zu kokettiren. Ich werde mir die Gesell¬
schaft schon vom Halse schaffen! Dabei lief er feinem Kollegen, dem Mathe¬
matiker, in die Arme.

Holla, rennen Sie mich nur nicht um, rief dieser erstaunt, Sie sind ja
in wenig freundlicher Stimmung.


Das erstemal? fragte der Magier lächelnd und strich langsam seinen
langen Bart. Großer, weiser König, denk an die Weiber!

Der alte Herrscher schaute verwundert ans: Was hat der geheimnisvolle
Inhalt der Vase mit den Weibern zu schaffen?

Diese Frage, mein Fürst, ist nicht schwer zu beantworten. Gleicht jene
Vase mit ihrer Form und ihrem Inhalt nicht den meisten Frauen? Wenn
unsre Philosophen, Künstler und Dichter ihren wahren Inhalt wüßten, würden
sie dann noch Bücher drüber schreiben und Kunstwerke darnach schaffen? Es
ist also gut, daß ihnen das Nichts darin verborgen bleibt; es ist nützlich, daß
sie ewig nach dem vermeintlichen geheimnisvollen Inhalt suchen.

Der alte König sah den Magier groß an, dann blickte er eine Weile
sinnend vor sich hin und murmelte kopfnickend: Die Weiber und geheimnis¬
volle inhaltreiche Vasen!

Er gab dem Magier die Hand: Verzeih mir, es war die dümmste Frage, die
ich in meinem Leben gestellt habe. Fvrdre, was du willst, ich behalte die Base.

Aber erst verschließen, sagte der Magier schlau lächelnd und hob die
Hand, erst verschließen! Dann stieg er wieder auf die Leiter und schloß
den Deckel, daß er nicht mehr zu öffnen war.

So, sagte er feierlich, als er wieder unter war, jetzt hat sie wieder ihren In¬
halt! Nun mögen sie weiter Philosophiren und malen und dichten und singen! —

In demselben Augenblick läutete es. Das Auditorium hatte mit Spannung
bis zum Schlüsse zugehört und brach in lautes Lachen ans. Nun, meine
Herren, sagte der Professor mit einer gewissen triumphirenden Freudigkeit, die
Geschichte ist zu Ende. Hinzufügen ließe sich nur noch die merkwürdige Er¬
scheinung, daß die Frauen selbst an den geheimnisvollen Inhalt der Vase
glauben. Auf dieser Selbsttäuschung,, das ist gar nicht zu bestreikn, beruht
die ganze moderne Frauenfrage mit all ihren unsinnigen Ansichten und For¬
derungen. Wer sich aber selbst täuscht, ist ein unbrauchbarer Kritiker und
zum Studium der Wissenschaften erst recht nicht geschaffen.

Darauf griff er nach seinem Hute und verließ den Hörsaal, während er
sich aus deu gesenkten Blicken und den rot gewordnen Backen der Studentinnen
überzeugte, daß der Hieb gesessen hatte. Nur eine, die ihren Platz ganz vorn
hatte, eine Brünette, mit schlicht gescheitelten schwarzem Haar und großen
braunen Augen, schaute ihn unverwandt an und nickte ihm verständnisvoll zu,
als er vorbeiging.

Unverschämte Person! stieß er zwischen den Zähnen hervor, als er ans
dem Korridor war, fängt hier an zu kokettiren. Ich werde mir die Gesell¬
schaft schon vom Halse schaffen! Dabei lief er feinem Kollegen, dem Mathe¬
matiker, in die Arme.

Holla, rennen Sie mich nur nicht um, rief dieser erstaunt, Sie sind ja
in wenig freundlicher Stimmung.


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[0184] Das erstemal? fragte der Magier lächelnd und strich langsam seinen langen Bart. Großer, weiser König, denk an die Weiber! Der alte Herrscher schaute verwundert ans: Was hat der geheimnisvolle Inhalt der Vase mit den Weibern zu schaffen? Diese Frage, mein Fürst, ist nicht schwer zu beantworten. Gleicht jene Vase mit ihrer Form und ihrem Inhalt nicht den meisten Frauen? Wenn unsre Philosophen, Künstler und Dichter ihren wahren Inhalt wüßten, würden sie dann noch Bücher drüber schreiben und Kunstwerke darnach schaffen? Es ist also gut, daß ihnen das Nichts darin verborgen bleibt; es ist nützlich, daß sie ewig nach dem vermeintlichen geheimnisvollen Inhalt suchen. Der alte König sah den Magier groß an, dann blickte er eine Weile sinnend vor sich hin und murmelte kopfnickend: Die Weiber und geheimnis¬ volle inhaltreiche Vasen! Er gab dem Magier die Hand: Verzeih mir, es war die dümmste Frage, die ich in meinem Leben gestellt habe. Fvrdre, was du willst, ich behalte die Base. Aber erst verschließen, sagte der Magier schlau lächelnd und hob die Hand, erst verschließen! Dann stieg er wieder auf die Leiter und schloß den Deckel, daß er nicht mehr zu öffnen war. So, sagte er feierlich, als er wieder unter war, jetzt hat sie wieder ihren In¬ halt! Nun mögen sie weiter Philosophiren und malen und dichten und singen! — In demselben Augenblick läutete es. Das Auditorium hatte mit Spannung bis zum Schlüsse zugehört und brach in lautes Lachen ans. Nun, meine Herren, sagte der Professor mit einer gewissen triumphirenden Freudigkeit, die Geschichte ist zu Ende. Hinzufügen ließe sich nur noch die merkwürdige Er¬ scheinung, daß die Frauen selbst an den geheimnisvollen Inhalt der Vase glauben. Auf dieser Selbsttäuschung,, das ist gar nicht zu bestreikn, beruht die ganze moderne Frauenfrage mit all ihren unsinnigen Ansichten und For¬ derungen. Wer sich aber selbst täuscht, ist ein unbrauchbarer Kritiker und zum Studium der Wissenschaften erst recht nicht geschaffen. Darauf griff er nach seinem Hute und verließ den Hörsaal, während er sich aus deu gesenkten Blicken und den rot gewordnen Backen der Studentinnen überzeugte, daß der Hieb gesessen hatte. Nur eine, die ihren Platz ganz vorn hatte, eine Brünette, mit schlicht gescheitelten schwarzem Haar und großen braunen Augen, schaute ihn unverwandt an und nickte ihm verständnisvoll zu, als er vorbeiging. Unverschämte Person! stieß er zwischen den Zähnen hervor, als er ans dem Korridor war, fängt hier an zu kokettiren. Ich werde mir die Gesell¬ schaft schon vom Halse schaffen! Dabei lief er feinem Kollegen, dem Mathe¬ matiker, in die Arme. Holla, rennen Sie mich nur nicht um, rief dieser erstaunt, Sie sind ja in wenig freundlicher Stimmung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/184>, abgerufen am 22.12.2024.