Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Weder Aommiinismns noch Kapitalismus Rechts auf Freiheit auch nach der wirtschaftlichen Seite hiu und der Reali- Schon jetzt aber mag angemerkt werden, daß es um die praktische Ver¬ Weder Aommiinismns noch Kapitalismus Rechts auf Freiheit auch nach der wirtschaftlichen Seite hiu und der Reali- Schon jetzt aber mag angemerkt werden, daß es um die praktische Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213284"/> <fw type="header" place="top"> Weder Aommiinismns noch Kapitalismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_469" prev="#ID_468"> Rechts auf Freiheit auch nach der wirtschaftlichen Seite hiu und der Reali-<lb/> sirung des Rechts auf Existenz und auf den vollen Arbeitsertrag." Demnach<lb/> würde der zweite Abschnitt für Frankreich 1789, für Preußen 1807 anfangen.<lb/> Für England läßt er die zweite 1848 schließen; wir werden sehen, daß sie<lb/> da eigentlich noch nicht einmal begonnen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Schon jetzt aber mag angemerkt werden, daß es um die praktische Ver¬<lb/> wirklichung der „Menschenrechte," die von den Theoretikern seit anderthalb¬<lb/> hundert Jahren so pomphaft verkündigt worden sind, recht kläglich bestellt ist,<lb/> ja daß wir sogar in der Theorie noch nicht über die antike Anschauung Hinalts<lb/> sind. Diese charakterisirt Wolf ganz richtig dahin, daß sie keine allgemeinen<lb/> Menschenrechte, sondern nur Rechte der freien Volksgenossen kannte, während<lb/> dem Sklaven und dem Ausländer, wenn überhaupt ein Recht, nur das Recht<lb/> von Schützlingen und Gästen eingeräumt wurde. Nun hat der schottische Geistliche<lb/> Townsend in seinem Buche „Die Armengesetze, beurteilt von einem Menschen¬<lb/> freunde" folgendes geschrieben: „Die Arme» wissen wenig von den Beweg¬<lb/> gründen, die die höhern Klassen zur Thätigkeit reizen: Stolz, Ehrgefühl und<lb/> Ehrgeiz. Im allgemeinen ist es der Hunger allein, der sie zur Thätigkeit<lb/> stacheln kann. Aber unsre Gesetze wollen sie nicht hungern lassen. Freilich<lb/> sprechen sie zugleich ans, daß sie zur Arbeit gezwungen werden sollen. Doch<lb/> ist gesetzlicher Zwang zur Arbeit mit zu viel Mühe, Gewaltsamkeit und Auf¬<lb/> sehen verbunden, während der Hunger nicht nur einen friedlichen, schweigsamen<lb/> und unaufhörlichen Druck ausübt, sondern auch als natürlichster Antrieb zur<lb/> Arbeit am wirksamsten die kräftigste Anstrengung hervorruft." Wolf findet,<lb/> daß solche Äußerungen englischer Moralisten eine starke Ähnlichkeit mit des<lb/> Aristoteles Sklaventheorie haben: „Hier wie dort die Behauptung: die Natur<lb/> will und die Gesellschaft braucht zweierlei Menschen: Bevorrechtete und Ge¬<lb/> mißbrauchte." Wir werden sehen, daß Wolf selbst über diesen Satz nicht<lb/> hinauskommt. So viel über das Sklnvenrecht. Was aber das Fremdenrecht<lb/> anlangt, so fällt es keiner der europäischen Nationen, die sich jetzt um den<lb/> schwarzen Erdteil balgen, mich nur im Traume ein, den Negern, die sie teils<lb/> unterjocht, teils mit Feuer und Schwert aus ihren Dörfern vertrieben haben,<lb/> Gleichberechtigung zu gewähren; die Sklaverei wird mit einem großen Auf-<lb/> wande sittlicher und christlicher Entrüstung nur bekämpft, damit man die<lb/> Farbigen ärger ausnutzen könne, als sie von ihren einheimischen Herren aus¬<lb/> genutzt werden. Das einzige, worum die Schwarzen gebessert werden würden,<lb/> wenn die vollständige Unterwerfung Afrikas gelänge, würde die Beseitigung der<lb/> Metzeleien bei Sklavenjagden und bei den Opferfesten einzelner Negerhäuptlinge<lb/> sein. Einander haben die europäischen Völker Gleichberechtigung zugestanden,<lb/> nachdem sie sich in blutigen Kriegen vergebens abgemüht haben, einander zu<lb/> unterjochen. Daß es eben nur die Furcht vor neuen Niederlagen und nicht<lb/> die Idee der allgemeinen gleichen Menschenrechte ist, was augenblicklich die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Weder Aommiinismns noch Kapitalismus
Rechts auf Freiheit auch nach der wirtschaftlichen Seite hiu und der Reali-
sirung des Rechts auf Existenz und auf den vollen Arbeitsertrag." Demnach
würde der zweite Abschnitt für Frankreich 1789, für Preußen 1807 anfangen.
Für England läßt er die zweite 1848 schließen; wir werden sehen, daß sie
da eigentlich noch nicht einmal begonnen hatte.
Schon jetzt aber mag angemerkt werden, daß es um die praktische Ver¬
wirklichung der „Menschenrechte," die von den Theoretikern seit anderthalb¬
hundert Jahren so pomphaft verkündigt worden sind, recht kläglich bestellt ist,
ja daß wir sogar in der Theorie noch nicht über die antike Anschauung Hinalts
sind. Diese charakterisirt Wolf ganz richtig dahin, daß sie keine allgemeinen
Menschenrechte, sondern nur Rechte der freien Volksgenossen kannte, während
dem Sklaven und dem Ausländer, wenn überhaupt ein Recht, nur das Recht
von Schützlingen und Gästen eingeräumt wurde. Nun hat der schottische Geistliche
Townsend in seinem Buche „Die Armengesetze, beurteilt von einem Menschen¬
freunde" folgendes geschrieben: „Die Arme» wissen wenig von den Beweg¬
gründen, die die höhern Klassen zur Thätigkeit reizen: Stolz, Ehrgefühl und
Ehrgeiz. Im allgemeinen ist es der Hunger allein, der sie zur Thätigkeit
stacheln kann. Aber unsre Gesetze wollen sie nicht hungern lassen. Freilich
sprechen sie zugleich ans, daß sie zur Arbeit gezwungen werden sollen. Doch
ist gesetzlicher Zwang zur Arbeit mit zu viel Mühe, Gewaltsamkeit und Auf¬
sehen verbunden, während der Hunger nicht nur einen friedlichen, schweigsamen
und unaufhörlichen Druck ausübt, sondern auch als natürlichster Antrieb zur
Arbeit am wirksamsten die kräftigste Anstrengung hervorruft." Wolf findet,
daß solche Äußerungen englischer Moralisten eine starke Ähnlichkeit mit des
Aristoteles Sklaventheorie haben: „Hier wie dort die Behauptung: die Natur
will und die Gesellschaft braucht zweierlei Menschen: Bevorrechtete und Ge¬
mißbrauchte." Wir werden sehen, daß Wolf selbst über diesen Satz nicht
hinauskommt. So viel über das Sklnvenrecht. Was aber das Fremdenrecht
anlangt, so fällt es keiner der europäischen Nationen, die sich jetzt um den
schwarzen Erdteil balgen, mich nur im Traume ein, den Negern, die sie teils
unterjocht, teils mit Feuer und Schwert aus ihren Dörfern vertrieben haben,
Gleichberechtigung zu gewähren; die Sklaverei wird mit einem großen Auf-
wande sittlicher und christlicher Entrüstung nur bekämpft, damit man die
Farbigen ärger ausnutzen könne, als sie von ihren einheimischen Herren aus¬
genutzt werden. Das einzige, worum die Schwarzen gebessert werden würden,
wenn die vollständige Unterwerfung Afrikas gelänge, würde die Beseitigung der
Metzeleien bei Sklavenjagden und bei den Opferfesten einzelner Negerhäuptlinge
sein. Einander haben die europäischen Völker Gleichberechtigung zugestanden,
nachdem sie sich in blutigen Kriegen vergebens abgemüht haben, einander zu
unterjochen. Daß es eben nur die Furcht vor neuen Niederlagen und nicht
die Idee der allgemeinen gleichen Menschenrechte ist, was augenblicklich die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |